Thyssenkrupp Nucera: Vom Hype zur Flaute

Es ist noch gar nicht so lange her, da hielten viele den Börsengang von Thyssenkrupps Wasserstofftochtergesellschaft Nucera für einen der spannendsten der jüngeren Zeit. Das war 2023, der Glaube an einen schnellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und an rasantes Wachstum war noch da. Nun, Ende 2025, hat der einstige Hype um den grünen Wasserstoff einen Tiefpunkt erreicht. Projekte stocken, der Auftragseingang bei Thyssenkrupp Nu­cera schrumpft vor allem in diesem Geschäftsbereich. Zum 22. Dezember wird das Unternehmen seinen Platz im Kleinwertesegment S-Dax verlieren.

Unternehmenschef Werner Ponikwar sprach am Mittwoch in Dortmund in seiner Rede zum abgelaufenen Geschäftsjahr 2024/25 gleich mehrfach von einem „herausfordernden Marktumfeld“. Nucera hatte im November viele Kennziffern zum Geschäftsjahr vorgelegt und diese jetzt bestätigt. Insgesamt zeigte sich das Unternehmen solide. Mit einem kleinen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von zwei Millionen Euro konnte der Anlagenbauer wieder in den positiven Bereich zurückkehren.

Doch es sind die Zukunftsprognosen, die sorgenvoll stimmen. Das Unternehmen hat für das lau­fende Jahr 2025/26 einen kräftigen Um­satzrückgang in Aussicht gestellt. Nach 845 Millionen Euro Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr rechnet der Anlagenbauer nur noch mit 500 bis 600 Millionen Euro Umsatz. Und beim Ebit erwartet Nucera fürs laufende Jahr null bis minus 30 Millionen Euro.

Geringes Auftragsvolumen im Grünen Wasserstoffbereich

Dahinter steht vor allem eine Auftragsschwäche im Segment grüner Wasserstoff, also in dem Bereich, der eigentlich zuletzt den großen Zukunftstraum des Unternehmens darstellte. Es geht hier um den Bau von riesigen Elektrolyseanlagen. Zwar beliefert Nucera schon jetzt einige Großprojekte, etwa Neom in Saudi Arabien oder ein Megaprojekt zur Grünstahlproduktion in Boden in Nordschweden.

Ein Blick in das Orderbuch des zurückliegenden Geschäftsjahrs verrät aber, dass die Aufträge von Thyssenkrupp Nucera insgesamt im vergangenen Jahr um 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr geschrumpft sind. Vom Gesamtauftragsvolumen von 348 Millionen Euro entfielen dabei nur noch 26 Millionen Euro auf das Geschäft mit den grünen Wasserstoffanlagen. Im Jahr zuvor hatten die Aufträge aus diesem Bereich noch überwogen.

Kursanstieg um drei Prozent

Eine kontinuierlich solide Entwicklung zeigte dagegen das traditionelle Chlor-Alkali-Geschäft, das Ponikwar als „Stabilitätsanker“ bezeichnete. Thyssenkrupp Nucera baut in diesem Segment, das als sein etablierter Bereich gilt, Hightech-Anlagen für die chemische Industrie, die auf dem Weg der sogenannten Chlor-Alkali-Elek­trolyse wichtige Grundstoffe erzeugen, etwa für die Herstellung von Plastik oder Reinigungsmitteln.

Hierauf besinnt sich das Unternehmen nun stark zurück. „Erst gestern haben wir einen Liefervertrag für eine der weltweit größten Chlor-Alkali-Anlagen – mit Rekordauftragshöhe für unser Chlor-Alkali-Geschäft – unterzeichnet“, hob Ponikwar am Mittwoch hervor. Und auch ansonsten sieht das Orderbuch im Chlor-Alkali-Bereich mit Aufträgen von insgesamt 322 Millionen Euro im Jahr 2024/25 gut aus. Insgesamt dürfte das Segment im nun laufenden Geschäftsjahr den Hauptanteil zum Umsatz und Ergebnis beisteuern. An der Börse kamen diese Aussichten gut an, der Kurs lag am Nachmittag mehr als drei Prozent im Plus.

Wasserstoffhochlauf stockt

Nuceras Vorerst-Rückbesinnung aufs Traditionsgeschäft steht beinahe exemplarisch für das Stocken des Hochlauf einer grünen Wasserstoffwirtschaft insgesamt, was im vergangenen Jahr an den verschiedensten Stellen sichtbar wurde. So hatten in Deutschland etwa große Stahlunternehmen wie Arcelor Mittal ihre Pläne für eine wasserstoffbasierte Grünstahlproduktion zuletzt teilweise auf Eis gelegt oder nach hinten verschoben. In den USA setzt Donald Trump wieder vermehrt auf fossile Brennstoffe.

Und im jährlich erscheinenden „Global Hydrogen Review“ der Internationalen Energieagentur ging 2025 zum ersten Mal die bis 2030 prognostizierte emissionsarme Wasserstoffproduktion auf Basis angekündigter Projekte für die gesamte Welt zurück – vor allem wegen Stornierungen und Verzögerungen. Das Po­tential liege nun nur noch bei 37 Millionen Tonnen pro Jahr – verglichen mit 49 Millionen Tonnen, die der Bericht noch 2024 ausgewiesen hatte.