Thyssenkrupp-Aufsichtsrat stimmt pro Investoreneinstieg

Der Aufsichtsrat des Industriekonzerns Thyssenkrupp hat in seiner Sitzung am Donnerstag dem Einstieg des tschechischen Investors Daniel Křetínský in seiner Stahlsparte zugestimmt. Damit übernimmt dessen Investmentgesellschaft EPCG zunächst 20 Prozent der Anteile am größten deutschen Stahlhersteller. Perspektivisch soll der Anteil auf 50 Prozent ausgebaut werden. Allerdings musste – zum zweiten Mal in kurzer Zeit – die Entscheidung mit der Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden Siegfried Russwurm gefällt werden. Die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat hatte sich dagegen gestellt, Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall fühlten sich im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung vom Vorstand und dem Aufsichtsratsvorsitzenden schlecht informiert.

„Bei Thyssenkrupp wurde heute Geschichte geschrieben – und zwar im denkbar schlechtesten Sinne“, sagte Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Industriekonzerns: Die Anteilseigner würden mit dem Verkauf der Anteile die Leinen zwischen der Konzern AG und dem Stahl kappen. „Die dadurch entstehenden Risiken sind nach unserer Überzeugung völlig ungeklärt“, sagte Kerner. Zwar begrüße die Arbeitnehmerseite die Bereitschaft von EPCG, sich im Stahl zu engagieren, ausdrücklich. Allerdings sei dafür nicht eine sofortige 20-Prozent-Beteiligung nötig. Kerner kündigte „erbitterten Widerstand“ an. „So etwas hat es bei Thyssenkrupp noch nie gegeben. Jetzt sind wir im Konfliktmodus“, sagte auch der Konzernbetriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol, der ebenfalls im Thyssenkrupp-Aufsichtsrat sitzt.

Zweiter Eklat in kurzer Zeit

Russwurm, der auch Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie ist, hatte seine Doppelstimme im Aufsichtsrat schon vor einigen Monaten genutzt, als der Konzern seinen Vorstand erweitern wollte. Die Arbeitnehmervertretung sprach danach von einem „Kulturbruch“. Schon vor der Sitzung am Donnerstag hatte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Nasikkol davor gewarnt, abermals auf dieses Instrument zurückzugreifen. Das sei „Gift für die Demokratie im Unternehmen“.

Am Tag der Sitzung hatten Teile der Belegschaft abermals protestiert. Ein großes Stoppschild haben die Gewerkschafter der IG Metall am Donnerstag vor der Zentrale des Industrie-Traditionskonzerns Thyssenkrupp ausgerollt. „So nicht, Herr Lopez“ stand darauf, gerichtet an den Vorstandsvorsitzenden Miguel López. Tausende Stahlkocher hatten sich in Essen versammelt, weil sie sich von der Unternehmensleitung nicht ausreichend informiert fühlen. López stellte sich am Donnerstag unter lauten Buhrufen und Pfiffen den Beschäftigten: „Ohne Einschnitte wird es nicht gehen“, sagte der Manager auf der Kundgebung. Es solle aber auch weiterhin keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Die Gewerkschaftsvertreter beharren nicht nur darauf, dass der Tarifvertrag „Zukunft Stahl 20-30“ mit den darin enthaltenen Investitionszusagen „unverhandelbar“ sei. Sie fordern auch über das Jahr 2026 hinaus Standortgarantien – und dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen bleiben.

Großer Stellenabbau befürchtet

Verunsicherung herrscht unter den Beschäftigten auch, weil die Produktionskapazität der Stahlsparte von Thyssenkrupp um knapp ein Viertel gesenkt werden soll – aufgrund von Überkapazitäten und zuletzt wieder hohen Verlusten. Ein noch nicht näher spezifizierter, aber wohl massiver Arbeitsplatzabbau wäre die Folge. Derzeit arbeiten rund 27.000 Beschäftigte für die Stahlsparte von Thyssenkrupp, davon allein rund 13.000 an den Hochöfen in Duisburg.

Einer dieser Hochöfen soll mit einer milliardenhohen Förderung des Bundes und des Landes NRW umgebaut werden – perspektivisch soll eine sogenannte Direktreduktionsanlage dort Stahl mithilfe von Wasserstoff herstellen. Durch den Verzicht auf Kokskohle sollen die CO2-Emissionen deutlich sinken und Thyssenkrupp Anbieter für „Grünen Stahl“ werden.

Damit würde allerdings die Hälfte der Kosten in der Stahlproduktion auf Energie entfallen. Auch deshalb wirbt López für die Energiepartnerschaft mit Kretinsky, dem etwa heute schon Braunkohlestromanlagen in der Lausitz gehören.Der Abschluss der Transaktion ist jetzt noch für das laufende Geschäftsjahr vorgesehen. „Die strategische Partnerschaft mit EPCG ist ein bedeutender Schritt zur Sicherung einer resilienten, kosteneffizienten und klimaschonenden Stahlproduktion von Thyssenkrupp Steel – und damit auch ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung der Stahlindustrie in Deutschland“, teilte Thyssenkrupp mit. Doch die Proteste der Stahlkocher dürften nun noch heftiger ausfallen.