Telefonat mit Selenskyj: Donald Trump will ukrainische Kernkraftwerke übernehmen

US-Präsident Donald Trump hat dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr
Selenskyj
vorgeschlagen, die ukrainischen Atomkraftwerke zu übernehmen. Das solle die Sicherheit der Anlagen
gewährleisten, teilte das Weiße Haus nach einem Telefonat der beiden
Präsidenten mit. „Amerikanisches Eigentum an diesen Anlagen könnte der beste Schutz für diese Infrastruktur sein“, sagte Trump demnach. 

Unklar blieb, ob das von Russland besetzte AKW Saporischschja davon betroffen sein soll: Trump hatte in den vergangenen Tagen erwähnt, mit Putin darüber sprechen zu wollen, aber keine Details genannt. Weiterhin teilte das Weiße Haus mit, Trump wolle sich ukrainischen Anfragen nach mehr Luftverteidigungssystemen widmen. Insbesondere bei den leistungsfähigen Patriot-Systemen wolle der US-Präsident mit Selenskyj „finden, was speziell in Europa verfügbar sei“.

Zuvor hatte Trump von einem „sehr guten“ Gespräch mit Selenskyj geschrieben, aber keine Details dazu genannt. Selenskyj teilte später auf der Plattform X mit, er hoffe weiter auf die Durchsetzung des amerikanisch-ukrainischen Vorschlags einer vollständigen Waffenruhe und wolle weiter mit den USA darauf hinarbeiten.

Zudem bekräftigte Selenskyj seine Bereitschaft zu einer begrenzten Waffenruhe, die für Attacken auf Energieobjekte gelten solle – ergänzte das jedoch um die Forderung nach einem Ende von Attacken auf jegliche zivile Objekte. „Einer der ersten Schritte dazu, den Krieg vollständig zu beenden, könnte sein, Attacken auf Energie- und weitere zivile Infrastruktur zu stoppen“, schrieb Selenskyj.

Putin macht keine Zugeständnisse bei vollständiger Waffenruhe

Russlands Staatschef Wladimir Putin hatte Trump am Mittwoch per Telefon zugesichert, ukrainische Energieanlagen nicht mehr angreifen zu wollen. In der Nacht darauf attackierten allerdings mehr als 100 Drohnen zivile Infrastruktur in der Ukraine, woraufhin die Ukraine Putin vorwarf, nicht wirklich an einer Waffenruhe interessiert zu sein. Die Ukraine griff ihrerseits ein Öllager in Südrussland an, was entsprechende Vorwürfe Russlands auslöste. 

Bei dem Vorschlag einer Waffenruhe an der Front blieb Putin hingegen bei seinen Forderungen, die ein Ende von Waffenlieferungen und einen Mobilmachungsstopp in der Ukraine vorsehen. Beide Maßnahmen werden als kaum realistisch bewertet, da die Ukraine dann faktisch einer Kampfpause zustimmen würde, in der sich nur Russland weiter stärken könnte: Ein Ende der Rekrutierung neuer Soldaten in Russland stellte Putin etwa nicht in Aussicht. Auch dürfte Russland wohl kaum seine Rüstungsproduktion stoppen, sollten die USA erneut ihre Waffenlieferungen an die Ukraine beenden. Europäische Unterstützerländer der Ukraine teilten zudem mit, ihre Militärhilfen fortsetzen zu wollen.  

Dementsprechend löste Putins vorgebliche Zustimmung zur Deeskalation international Skepsis aus. So teilte die Bundesregierung mit, sie sehe keine Hinweise darauf, dass sich Russland an eine Waffenruhe auch tatsächlich halten wolle. „Den Ankündigungen sind bislang keine Taten gefolgt“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. 

Pistorius spricht von „Nullnummer“ bei Trump-Putin-Telefonat

Deutlicher äußerte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD): Die Ergebnisse des Telefonats zwischen Trump und Putin bezeichnete er als „Nullnummer“. So sagte Pistorius, die Energieinfrastruktur der Ukraine sei gegenüber der sonstigen Infrastruktur ohnehin am besten geschützt – während sich Putin nicht zu einem Ende der Angriffe auf andere zivile Einrichtungen geäußert hatte. Putin „spielt hier ein Spiel“, sagte Pistorius. Die Bedingungen des russischen Präsidenten für eine Waffenruhe zielten vor allem darauf ab, die Ukraine zu schwächen.

Auch eine mögliche Waffenruhe für Luftangriffe, die sich lediglich auf Energieanlagen beschränkt, dürfte russischen Interessen eher entgegenkommen als ukrainischen. Russland war im Winter bei dem Versuch, einen Blackout in der Ukraine auszulösen, gescheitert – trotz erheblicher Schäden, die russische Angriffe an der Strom- und Heizinfrastruktur verursachten. Ukrainische Attacken auf russische Ölraffinerien und Treibstofflager verlieren hingegen, anders als die russischen Angriffe auf das Energienetz der Ukraine, auch mit dem Ende des Winters nicht maßgeblich an Wirkung. 

Allerdings stehen der Ukraine deutlich weniger Mittel zur Verfügung als Russland, um das gegnerische Stromnetz zu attackieren. Zwar steigerte das Land in den vergangenen Monaten seine Produktion von Drohnen. Zuletzt sprach Selenskyj von erfolgreichen Tests eines Marschflugkörpers, der bis zu 1.000 Kilometer Reichweite haben soll. Allerdings ist die Waffe mutmaßlich noch weit von einer Massenproduktion entfernt. Russland produziert hingegen nach Schätzungen von Experten etwa 150 ballistische Raketen und Marschflugkörper monatlich.

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