Technologie-Talfahrt: Europas Aktien im Aufwind gegen Trumps Zollchaos

Die Stimmung ist mies. Microsoft, Tesla, Amazon, an der Börse ist die Aktienentwicklung der Technologiewerte ein Trauerspiel. In Scharen flüchten die Anleger aus amerikanischen Aktien. Donald Trump ein Verbündeter der Märkte? Aus und vorbei, die Liebe ist vorerst erloschen.

Knapp zwei Monate nach der Amtsübernahme von Trump bewahrheitet sich, was vor allem aus den USA schon damals wie ein Pfeifen im Walde klang: Erst mal abwarten, was aus Trumps Wahlkampfankündigungen wirklich wird. Inzwischen wird deutlich: Schlimmer geht immer.

Es droht die Rezession

Es war bekannt, dass der US-Präsident ein Fan einfach gestrickter Zollpolitik ist. Dass er allerdings vollkommen erratisch Zölle ein-, um- und aussetzt, hatte sich keiner in dieser Form ausmalen können. Viele Amerikaner in wirtschaftlichen Spitzenpositionen haben die Europäer vorab beschwichtigt, den rauen Stil Trumps nicht zu dramatisieren. Es komme am Ende auf das Ergebnis an. Nun droht den USA die Rezession – was für ein schlechter Deal.

So ist es nur folgerichtig, dass sich Investoren aus amerikanischen Aktien zurückziehen. Für die Technologiewerte kommt der Wind derzeit stramm von vorn. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten sind die defensiven Titel die bevorzugte Wahl. In Sachen Rendite wachsen die Bäume dabei nicht in den Himmel, aber Stabilität im Geschäftsmodell und Dividende sind in den Wackelphasen der Märkte für viele Anleger Werte an sich.

S&P verliert 8 Prozent in 3 Wochen

An den Märkten sind solche Rotationen eine völlig normale Bewegung. Der Druck auf Investoren steigt, wenn Tag für Tag die Kurse nachgeben und der marktbreite amerikanische Index S&P 500 innerhalb von drei Wochen acht Prozent an Wert verliert, ein Herdentrieb wie aus dem Lehrbuch. Die aktuelle Kursentwicklung verliert aber an Dramatik, wenn sich Investoren daran erinnern, dass dieser Index das Jahr 2024 mit einem Plus von über 20 Prozent abgeschlossen hat.

So richtet sich der Fokus der Anleger inzwischen nach Europa. Im Schatten der hell scheinenden amerikanischen Technologieaktien haben sie in den vergangenen Jahren keinen guten Stand gehabt. Inzwischen gelten europäische Unternehmen als unterbewertet und werden zu Hoffnungsträgern der Investorengemeinde. Wenn die amerikanische Wirtschaft dabei ist, sich selbst zu zerlegen, dann sind europäische Unternehmen wieder eine Alternative. Geld sucht sich seinen Weg und findet ihn stets. Dass der deutsche Leitindex Dax in diesem Jahr schon mehrfach neue Höchststände markiert hat, ist Ausdruck davon. Die Umstände, unter denen sich Europa von den USA emanzipieren muss, waren noch vor Monaten ebenso undenkbar wie ungewollt. Allerdings bietet auch dieses Szenario Chancen.

Comebackpotential europäischer Aktien

Die Kursgewinne der Rüstungsindustrie sind augenfällig, doch hier geht es um weit mehr als Panzer und Munition. Investitionen in Logistik, Drohnen und IT folgen der Notwendigkeit der Europäer, selbst wehrhafter zu werden. Ein Unternehmen wie Rheinmetall hatte lange damit zu kämpfen, als Schmuddelkind der deutschen Wirtschaft zu gelten. Und dass sich ausgerechnet der Börsenwert der lange strauchelnden deutschen Industrie-Ikone ThyssenKrupp – der Marinesparte sei Dank – in den vergangenen vier Wochen mehr als verdoppelt hat, zeigt das Comeback-Potential europäischer Aktien.

Inzwischen dürfte sich auch dem Letzten die Systemrelevanz der Rüstungsindustrie erschlossen haben. Die Kursgewinne mögen so manchem auch zynisch erscheinen, aber war es vor wenigen Jahren nicht auch die Biontech-Aktie, die sich über Monate vervielfachte und Anleger an der Corona-Pandemie kräftig verdienen ließ?

Wenn der Deutsche Bundestag Sondervermögen in hundertfacher Milliardenhöhe beschließt, um damit die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen, ist es auch die vermeintliche Old Economy, die für Hoch- und Tiefbau, aber auch Auf- und Ausbau von Energienetzen sorgt.

Anleger tun gut daran, selektiv und aufmerksam Wachstumsbranchen zu suchen und auf Diversifikation im Portfolio zu setzen. Technologiewerte, vor allem die amerikanischen, sind alles andere als Auslaufmodelle. Präsident Trump richtet wirtschaftlich und politisch weltweit immensen Schaden an, die Entwicklungen in Künstlicher Intelligenz und Transformation wird aber auch er nicht aufhalten können. Trotz aktueller Rücksetzer senden die Tech-Werte derzeit vor allem ein Signal: Kaufkurse.

Source: faz.net