„Tatort“ Schwarzwald: Der Drache ist wieder da

Der Schwarzwald-Tatort hat es besser. Während letzte
Woche im Polizeiruf Magdeburg nicht als Magdeburg zu erkennen war, wartet die neue Folge Letzter Ausflug Schauinsland (SWR-Redaktion:
Katharina Dufner) mit einer Figur wie Hansi Pagel auf. Der Narzisst, der im
Maßregelvollzug sitzt, weil er die eigene Frau (Angelika Richter) vergewaltigt
hat, wird gespielt von Rüdiger Klink – und zwar in schönstem Badensisch. Das
„Ofenhuhn“, das Pagel in der Klinik kocht und am Ende wieder zu
Hause, ist im dialektalen Singsang für die ungeübte Hörerin eher
rekonstruierbar als unmittelbar verständlich.

Jetzt ließe sich lange darüber nachdenken, warum es dem
Schwarzwald-Tatort so viel leichter gelingt, Regionalität darzustellen
(wovon ja auch nicht immer Gebrauch gemacht wird). Sicher ist: Solch eine
Setzung macht den Film besser, weil sie mit wenig Aufwand einen markanten
Charakter etabliert.

An markanten Charakteren herrscht
in Letzter Ausflug Schauinsland kein Mangel. Tot ist Lisa Schieblon, die psychiatrische Gutachterin von Hansi Pagel. Schieblon lebte mit
ihrem Psychologenmann Christian (David Rott) in einer offenen Beziehung. Ein
Lebensmodell, das in anderen ARD-Sonntagabendkrimis wegen seiner
Ungewöhnlichkeit als fallrelevant ausgebeutet werden würde. Hier erschwert es zuerst
elegant die Festlegung auf einen genauen Todeszeitpunkt, weil Lisa Schieblon,
wenn sie andere Männer traf, bei einer Freundin wohnte und dort über Nacht
wegblieb (Drehbuch: Stefanie Veith).

Die Tätigkeit als Gutachterin führt die Ermittlungen von
Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) in die forensische Klinik, in
der Hansi Pagel einsitzt. Und „Stabilitätsanker“ (Friedrich Merz) für
den jüngeren Mitinsassen Milan Vujicic (Bekim Latifi) ist. Dessen Ängste
visualisieren sich als nur für ihn sichtbare „Drachen“ in Gestalt des
Komodowarans, den der
Film zweimal als Spezialeffekt spendiert. Einmal, um das Bild zu etablieren,
das zweite Mal, um ihn als Symbol für die
Sorgen zu verwenden, die ein Teil der Pagel-Familie nach Hansis Rückkehr am
Schluss hat.

Milan kommt die Aufgabe zu, gleich zweimal leblose
Männerkörper zu entdecken – den von Hansi, der die Vergiftung überlebt, und den
von Klinikchef Thorsten Günneweg, der sich wenig später suizidiert, weil er, kein
gutes Vorbild, medikamentenabhängig ist. Günneweg ist interessant besetzt mit
Falilou Seck, der die Rolle dezent anlegt – als einen Mann, der nicht da ist,
weswegen als Ansprechpartnerin für die Polizei vor allem seine rechte Hand Dr.
Gisela Tausendleben agiert.

Ulrike Arnold ist als Darstellerin der Ärztin ebenfalls eine
gute Wahl (Casting: Nina Haun), weil sie genau und unaufdringlich eine Frau entwirft, die Dienstfertigkeit ausstrahlt, aber
gleichzeitig Ambitionen zeigt, es selbst doch eigentlich besser zu
können. Arnolds Doktorin Tausendleben wird so zu einer Frau ihrer Generation
(um die 60), die damit groß geworden ist, sich Männern unterordnen zu müssen,
auch wenn sie denen, wie im Fall von Günneweg, permanent alles hinterherräumt. Und sich daher nur in ihrer
Selbsterzählung emanzipieren kann – weil sie weiß, wer die Klinik eigentlich am
Laufen hält.