Syrischer Präsident im Weißen Haus: Die wundersamen Wandlungen des Ahmed Al-Scharaa

Ein Islamist wird rehabilitiert, weil er für die Amerikaner als Partner alternativlos ist. So erhält der syrische Staatschef im Weißen Haus zwar jede Menge Komplimente, aber er bringt kaum etwas Konkretes mit nach Damaskus


Donald Trump empfängt den syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa im Weißen Haus

Foto: Syrian Presidency/Anadolu Agency/Imago Images


Wie unzufrieden die USA mit Syrien stets waren, lässt sich daran ermessen, dass noch nie ein Staatschef des 1946 unabhängig gewordenen Landes nach Washington eingeladen wurde. Dieser Ehre konnte sich nun Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa erfreuen, den Donald Trump Anfang der Woche im Weißen Haus empfing. Keine Rolle scheint mehr zu spielen, dass Al-Scharaa 2003 unter seinem Kriegsnamen „Al-Golani“ als Al-Qaida-Kämpfer und damit nach der gängigen Lesart als „Terrorist“ gegen die Besatzung der USA im Irak kämpfte.

Von 2006 bis 2011 saß er unter anderem im berüchtigten Gefängnis Abu Ghraib bei Bagdad, in dem gefoltert wurde. Wegen seines Aufstiegs in der syrischen Al-Nusra-Front und als Anführer der HTS-Milizen wurde Al-Scharaa seit 2017 – also zu Beginn der ersten Amtszeit Trumps – von den USA als „Terrorist“ gelistet.

Einem Frieden mit Israel muss dessen Abzug von den syrischen Golanhöhen vorangehen

Rückblickend kann das wegen der zahllosen Menschenrechtsverbrechen diesem zu al-Qaida gehörenden Verbunds eine notwendige Formalie gewesen sein, die mit dem Einmarsch der HTS-Milizen in Damaskus am 8. Dezember 2024 wirkungslos wurde. Denn im Ziel, die Regierung Baschar al-Assads zu stürzen, stimmten Formationen wie diese mit den USA überein.

Auch der UN-Sicherheitsrat hatte Al-Scharaa mit Sanktionen belegt, u. a. dem Einfrieren von Vermögenswerten. Dass diese Sanktionen – bei einer Enthaltung Chinas – zwei Tage vor Al-Scharaas Empfang bei Trump aufgehoben wurden, weist darauf hin, dass seine Interimspräsidentschaft in diesem Gremium als alternativlos angesehen wird. Man hätte annehmen können, dass Al-Scharaas vorpräsidiale Geschichte für Wladimir Putin ein größeres Problem als für Donald Trump darstellt.

Aber weil der russische Staatschef offenbar seine beiden Militärstützpunkte in Syrien sichern will, war er sogar schneller und hat Al-Scharaa schon Mitte Oktober im Kreml empfangen. Da sich Russland ansonsten aber nicht mehr groß in Syrien engagiert, müssen sich die USA nun stärker exponieren und sich dessen inneren Konflikten widmen. Da war es für Al-Scharaa sogar ein kleiner Trumpf, dass er schon in Moskau war.

Ein Sanktionsstopp soll bestenfalls 180 Tage dauern, für Investoren zu wenig

Wenn nun das Treffen in Washington ohne Pressekorps und Abschlusskommuniqué blieb, deutet dies darauf hin, dass schon im Vorfeld klar war: Es gibt wenig Konkretes mitzuteilen. Gegenüber Trumps bereits des Öfteren geäußertem schlichten Wunsch, Al-Scharaa möge einen Friedensvertrag mit Israel schließen, zeigt dieser Charakter. Er liefe ansonsten Gefahr, vor seinen eigenen Anhängern als Verräter dazustehen.

Schließlich kann er nicht darüber hinweggehen, dass Israel nach seiner Machtübernahme nahezu die gesamte militärische Infrastruktur des Landes bombardiert hat. Ein Friedensvertrag komme erst in Frage, so der Gast im Weißen Haus, wenn sich der Nachbar aus dem gesamten syrischen Golan zurückziehe, wofür Trump – bitte sehr – erst einmal sorgen solle. Ob die vereinbarte Errichtung eines US-Militärstützpunktes bei Damaskus dabei wirklich hilfreich sein wird, bleibt abzuwarten.

Ein weiteres Anliegen des US-Präsidenten ist es, die teure Präsenz eigener US-Truppen zu vermindern. Bisher haben sie in den kurdischen Gebieten eine autonome Entwicklung gegenüber Damaskus und der Türkei gesichert. Dazu wäre aber eine Kooperation kurdischer Truppen mit den in viele Milizen aufgespaltenen Islamisten notwendig, die Al-Scharaa weder umfassend kontrolliert und eher schlecht als recht zusammenhält. Eine darüber hinausgehende Integration der Kurden in eine gesamtsyrische Armee ist nach Auffassung der Türkei nur denkbar, wenn sie selbst den Prozess kontrolliert. Dagegen dürften sich aber sowohl die Kurden als auch Israel sperren.

Um die nach wie vor verzweifelte Lage der syrischen Bevölkerung erträglicher zu machen, müssten die US-Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden. Al-Scharaa erreichte bei Trump aber ein Aussetzung dieser Strafmaßnahmen für 180 Tage. Das reicht nicht, um ausländischen Investitionen die Sicherheit zu bieten, die sie brauchen.