Susie Wiles: Diese Frau soll Trump zurück ins Weiße Haus erwirtschaften
Nur wer bei Trumps Auftritten genau hinschaut, entdeckt sie im Hintergrund. Man könnte die ältere Frau mit der Bubikopffrisur, irgendwo zwischen weißblond und hellgrau, und dem damenhaften Lächeln für eine nette Tante aus dem Familienclan halten, die sich irgendwie in Donalds Wahlkampfzirkus verirrt hat. Der Eindruck täuscht. Susie Wiles, so heißt die 67-Jährige, steht nur deshalb hinter Trump, weil sie von dort die Fäden besser ziehen kann. Wiles ist Trumps Wahlkampfmanagerin. Und in den Worten des Onlinemagazins Politico die „am meisten gefürchtete und am wenigsten bekannte“ politische Strategin in Washington, D. C.
Wiles bestimmt über ein Millionenbudget
Offiziell teilt sie sich die Leitung mit einem Ex-Militär, doch Insider sind sich einig: Sie ist der Grund, warum Trumps dritte Kampagne bis vor Kurzem disziplinierter und effektiver lief als seine früheren Bewerbungen um das Weiße Haus. „Das ist absolut Susies Werk“, sagt Steven Diebenow, heute Anwalt und Lobbyist und einer ihrer ehemaligen Kollegen. Seit Kamala Harris die Kandidatin der Demokraten ist, muss Wiles zusehen, wie Trump wieder in alte Muster zurückfällt.
So droht er öffentlich seinen politischen Gegnern mit Vergeltung, sollte er die Wahl gewinnen. Um Ladendiebstähle zu bekämpfen, will er der Polizei einen Tag lang erlauben, körperliche Gewalt anzuwenden. Er legte sich per X mit dem Popsuperstar Taylor Swift an, nachdem sie Harris zur Wahl empfohlen hatte. Viel wird davon abhängen, ob Wiles es schafft, in den entscheidenden Wochen ihren Posten zu behalten – und ihren Boss zu bändigen.
Nach Trump ist Wiles die mächtigste Person der Kampagne. Ihr Job ist es, zu entscheiden, wo und wie Hunderte Millionen an Wahlkampfspenden eingesetzt werden. Sie leitet das gesamte Wahlkampfteam, darunter Spezialisten, die für verschiedene Bereiche wie Veranstaltungen, Medienkommunikation, Werbung, Umfragen und Datenanalyse zuständig sind. Sie disponiert, in welchen Bundesstaaten und Städten Wahlkampfbüros eröffnet und wie sie besetzt werden. „Man kann die Position mit der eines Chief Operating Officers, dem Chef des operativen Geschäfts eines Unternehmens, vergleichen“, sagt Jacob Neiheisel, Professor für Politikwissenschaften an der University at Buffalo. Allerdings unter erschwerten Bedingungen. Denn anders als bei einem Unternehmen gibt es nahezu täglich neue Entwicklungen, auf die es zu reagieren gilt. Wichtiger als Planung und Koordination ist es, dem Kandidaten zu helfen, mit seiner Botschaft entscheidende, wenn möglich neue Wählergruppen zu erreichen. „Um ein herausragender Campaign Manager zu sein, sind politischer Instinkt und Erfahrung entscheidend“, sagt Neiheisel.
Bill Clintons Wahlkampfmanager James Carville etwa wurde Anfang der 1990er in der Branche zur Legende. Grund war sein flapsiger Slogan „It’s the economy, stupid“, gemeint war dies als Ermahnung an sein Team und auch Clinton selbst, bei seinen Auftritten und Interviews vor allem über die wirtschaftliche Lage der Wähler zu sprechen. Clinton schlug seinen Rivalen George H. W. Bush, obwohl dessen Zustimmungsraten als Präsident nach dem US-Einmarsch in Kuwait zeitweise 90 Prozent erreicht hatten. Für seine Wiederwahlkampagne holte Clinton vier Jahre später Mark Penn. Der machte als Zielgruppe weiße Frauen der mittleren bis oberen Mittelschicht mit schulpflichtigen Kindern aus und prägte für sie die Bezeichnung „Soccer Moms“.
Das wurde nicht nur zum feststehenden Begriff, Journalisten, die über den Wahlkampf berichteten, nahmen ihn so wörtlich, dass sie Mütter an den Seitenlinien von Fußballspielen ihrer Sprösslinge zu ihren Wahlabsichten befragten.
Trumps zwischenzeitliche Zweifel
Was Wiles ihrem Klienten rät, behält sie für sich. Schon vor ihrer Tätigkeit für Trump gab sie selten Interviews. Das heißt nicht, dass sie keine Kontakte zu Reportern hat, im Gegenteil. Sie ist bekannt dafür, einzelne Journalisten mit exklusiven Informationen zu versorgen – und damit subtil deren Berichterstattung zu beeinflussen. Ein früherer Wegbegleiter, der lieber anonym bleiben will, glaubt zumindest, dieses Muster zu erkennen: Am Morgen der Debatte zwischen Trump und seiner neuen Herausforderin Kamala Harris erschien in der New York Post ein Artikel mit der Schlagzeile „Was Ronald Reagan Donald Trump für die Debatte mit Harris lehren kann“. Kein Zufall, glaubt der einstige Kollege, der überzeugt ist, dass Wiles darin ihrem Boss eine Nachricht zukommen ließ. Denn die New York Post – ein Blatt des erzkonservativen Verlegers Rupert Murdoch – ist Trumps Haus- und Hofpostille noch aus seinen Zeiten als Immobilienmogul in New York, als er persönlich dort anrief, um über seine neuesten Deals zu prahlen.
Sollte Wiles den Artikel angeregt haben, hat sie Reagan mit Bedacht als Vorbild gewählt: Ihm gelang es, breite Wählerschichten zu mobilisieren. Will Trump im November erfolgreich sein, muss er Wähler außerhalb seiner Maga-Blase erreichen.
Wiles Aufgabe als Trumps Managerin ist nicht leichter geworden. In der Debatte mit Harris erging sich Trump in Spekulationen über Migranten, die angeblich Katzen und Hunde essen. Selbst Verbündete hielten Trumps Auftritt für ein Desaster. Trumps Fans geben Wiles und ihrem Amtskollegen die Schuld. Auch Trump schien an Wiles zu zweifeln, als Harris nach dem Kandidatenwechsel bei den Demokraten in den Umfragen teilweise vorn lag.
Er holte sogar Wiles Vorgänger als Berater zurück. Etwa Kellyanne Conway, die Trump 2016 zum Wahlsieg verhalf und die unter anderem mit der Bemerkung, Falschbehauptungen seien „alternative Fakten“, selbst prominent wurde. Auch Corey Lewandowski ist wieder mit an Bord. Er wurde 2016 noch vor der Wahl gefeuert, nachdem er gegenüber einer Reporterin handgreiflich geworden war. 2021 verlor er einen Posten bei einer Pro-Trump-Organisation, nachdem eine Wahlkampfspenderin ihn der sexuellen Belästigung bezichtigt hatte.
Lewandowski begann, Wiles Entscheidungen intern zu kritisieren. Die Gerüchte um interne Machtkämpfe und eine bevorstehende Ablösung von Wiles und ihres Kollegen nahmen so zu, dass sich der Sprecher der Kampagne zu einer Stellungnahme gezwungen sah. Trump sei der Meinung, dass „Frau Wiles und Herr LaCivita eine phänomenale Arbeit leisten und dass alle gegenteiligen Gerüchte falsch sind und nicht der Realität entsprechen“.
Wiles Karriere schien vorbei
Wenn jemand Trump auf Kurs halten kann, dann Wiles, sagt Ana Cruz, die vor einigen Jahren mit Wiles für die gleiche Lobbyagentur arbeitete. Wenn sie ihre Ex-Kollegin beschreibt, gerät sie geradezu ins Schwärmen: Nicht nur ihr Intellekt und strategischer Verstand, gepaart mit Verständnis für die Demografie der Wähler und deren Verhalten am Wahltag, seien herausragend. Vor allem ihr freundliches und ruhiges Auftreten ziehe die Menschen in ihren Bann. „Sie hat eine unglaubliche Präsenz und Ausstrahlung.“ Das zeigt sich unter anderem darin, dass Wiles einen loyalen Stab an Mitarbeitern hat, die ihr zu jeder Kampagne folgen.
Was Wiles bei ihrem aktuellen Job hilft: Sie hat Erfahrung im Umgang mit prominenten, aber schwierigen Männern. Ihr Vater Pat Summerall war ein Footballstar, später ein bekannter Sportberichterstatter – und Alkoholiker. Er selbst gestand in seinen Memoiren, er habe als Vater versagt. Als ihre Mutter ihn von einer Entziehungskur überzeugen wollte, schrieb Wiles, damals ein Teenager, den entscheidenden Brief. Sie wiederum verdankt dem Vater ihren Einstieg in die Politik, er verschaffte ihr einen Job bei einem früheren Teamkollegen, der Abgeordneter in Washington, D. C., wurde. 1980 wechselte sie in Reagans Wahlkampfteam. Sie heiratete und zog nach Florida, wo sie als politische Beraterin gleich zweier Bürgermeister in Jacksonville tätig war.
Die Stadt an der Atlantikküste mit knapp einer Million Einwohnern ist zwar nicht so prominent wie Miami, doch ein wichtiger Tiefseehafen und Eisenbahnknotenpunkt. Es war eine gute Basis, um die politischen Verhältnisse in Florida kennenzulernen. Der Bundesstaat ist mit 22 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern nach Kalifornien und Texas der bevölkerungsreichste.
Mit seinen zugezogenen Ruheständlern an den Küsten, konservativen Farmern in der Mitte und der einflussreichen Diaspora der Exilkubaner ist kein anderer Bundesstaat so divers. Lange zählte Florida zu den Swing-States, erst seit der letzten Kongresswahl gilt die Wählerschaft als zuverlässig republikanisch. Wiles war bekannt genug, dass sie Ron DeSantis 2018 für seine Kampagne für Floridas Gouverneursamt holte, die zu dem Zeitpunkt auf der Kippe stand. Insider sind sicher, dass es Wiles war, die DeSantis zu seinem knappen Sieg gegen seinen demokratischen Herausforderer verhalf. Kurz darauf wurde sie jedoch überraschend gefeuert. Grund war ein Dossier, das Wiles angeblich an die Medien weitergegeben hatte. Darin ging es um verschiedene Möglichkeiten, wie DeSantis sein neues Amt zum Einsammeln von Wahlkampfspenden nutzen könnte, etwa durch Golfrunden mit großzügigen Geschäftsleuten. Wiles leugnete, dass sie es war, die das brisante Dokument durchsickern ließ. Vertraute vermuteten, die Beraterin sei DeSantis zu einflussreich geworden. Er beließ es nicht bei dem Rauswurf, sondern warnte andere Politiker, darunter Trump, Wiles einen neuen Job zu geben. „Sie war vollkommen fertig“, erzählt eine Vertraute.
Wiles Karriere schien vorbei. Bis sich Trump 2020 trotz DeSantis Warnung bei ihr meldete. Wiles sollte Florida für Trump sichern. Trump verlor die Wahl schließlich gegen Biden, doch er gewann in Florida – mit einer höheren Marge als noch 2016. Wieder ein Sieg, der vor allem Wiles zugeschrieben wurde. Und den Trump offenbar nicht vergessen hat. Jedenfalls machte er Wiles kurz darauf zur Managerin seines Wahlvereins Save America.
Sie half ihm auch, als er bei den Vorwahlen für seine dritte Kandidatur zurücklag – ausgerechnet gegen seinen einstigen Verbündeten DeSantis. Selbst die New York Post titelte damals „DeFuture“ und schrieb, DeSantis gehöre die Zukunft. Doch Wiles ließ hinter den Kulissen ihre Verbindungen spielen und sicherte Trump die Unterstützung der meisten republikanischen Kongressabgeordneten Floridas. DeSantis war bis dahin Trumps einziger ernst zu nehmender Herausforderer gewesen, doch nun gab es plötzlich immer mehr Berichte über interne Turbulenzen und Geldmangel, der DeFuture-Kandidat verlor an Strahl- und seine Kampagne an Zugkraft. Bis DeSantis Anfang des Jahres aufgab. Wiles, die zuvor monatelang nichts auf X gepostet hatte, meldete sich kurz danach mit einer Botschaft, die offenbar an ihren früheren Boss DeSantis gerichtet war. Es waren nur zwei Worte: „Bye, Bye!“ – und Tschüss.
Viele ihrer früheren Weggefährten rätseln, warum die gemäßigte Republikanerin, die sich einst für Umweltprojekte starkmachte, nun dafür sorgen will, Trump ins Weiße Haus zu befördern. Dessen Sieg wäre jedoch auch ihrer. Es wäre das ultimative Comeback, sagt Cruz.
Nur wer bei Trumps Auftritten genau hinschaut, entdeckt sie im Hintergrund. Man könnte die ältere Frau mit der Bubikopffrisur, irgendwo zwischen weißblond und hellgrau, und dem damenhaften Lächeln für eine nette Tante aus dem Familienclan halten, die sich irgendwie in Donalds Wahlkampfzirkus verirrt hat. Der Eindruck täuscht. Susie Wiles, so heißt die 67-Jährige, steht nur deshalb hinter Trump, weil sie von dort die Fäden besser ziehen kann. Wiles ist Trumps Wahlkampfmanagerin. Und in den Worten des Onlinemagazins Politico die „am meisten gefürchtete und am wenigsten bekannte“ politische Strategin in Washington, D. C.