„Supernova – Das Musikfestivalmassaker“: Manche halten sich die Hände vors Gesicht

Am Eingang
des Moviemento Kinos in Berlin-Kreuzberg gibt es an diesem Freitagabend kein
Schild, das auf die Vorführung des israelischen Dokumentarfilms Supernova –
Das Musikfestivalmassaker
hinweist. Die Besucher, die auf Einlass warten,
sprechen untereinander Hebräisch, Deutsch und Englisch. Eine Frau hat ein gelbes Band um ihr Handgelenk gebunden,
ein
Zeichen der politischen Bewegung in Israel, die fordert, die von der Hamas nach
Gaza entführten Geiseln zurückzubringen. Eine andere trägt einen silbernen Anhänger um den
Hals, auf dem auf Hebräisch wie Englisch „Bring Them Home Now“ und „7.10“
eingraviert ist. Einige Plätze in den vorderen Reihen bleiben frei.

Der Film, der
schon zehn Wochen nach dem 7. Oktober in Israel Premiere hatte
– eine erste
Version erschien nur fünf Wochen nach
dem Massaker, in Ausschnitten war das Material auch schon im Fernsehen zu sehen –, erzählt chronologisch von
dem Überfall der Hamas auf das Supernova-Musikfestival in der Nähe von Re’im am
7. Oktober 2023
, bei dem über 370 Menschen ermordet, Hunderte verwundet und
über 40 in den Gazastreifen entführt wurden. Am Freitagabend wurde er im Rahmen
des Jüdischen Filmfestivals und seiner Filmreihe Der
Angst begegnen – Filmische Reflexionen von Terror
gezeigt, die als Reaktion
auf den 7. Oktober und in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische
Bildung entstand.

Ihre
Deutschland-Premiere hatte die Dokumentation Ende Januar im Berliner Technoclub
About Blank. Darüber hinaus wurde der Film mehr als hundert Mal in über 45
Ländern weltweit gezeigt. In New York kam es im Zuge der Vorführung zu
antisemitischen Protesten, in London wurden Hassparolen auf die Wände Phoenix Kinos
gesprüht, das den Film zeigte. Die zwei Schirmherren des Kinos, die britischen
Regisseure Ken Loach und Mike Lee, traten aus Protest zurück – nicht etwa gegen
die Schmierereien, sondern den Film selbst, beziehungsweise das Festival, in
dessen Rahmen er gezeigt wurde und dem sie eine zu enge Verbindung zur israelischen
Regierung bescheinigten
. Viele Kinos weigerten sich von vornherein, das Werk
überhaupt zu zeigen. In Berlin hingegen bleibt es an diesem Abend ruhig. Sichtbare Sicherheitsvorkehrungen gibt es nicht, auch
wenn die Standards laut dem Programmdirektor des Jüdischen Filmfestivals, Bernd Buder, erhöht wurden.

Der Film ist
auf Hebräisch mit deutschen und englischen Untertiteln und hat eine Länge von
etwa 50 Minuten. Nur drei Tage nach dem Terrorangriff auf Israel besuchte der
renommierte israelische Filmemacher Duki Dror den Ort dieses am besten
dokumentierten Massenmords der Geschichte und entschloss sich dazu, gemeinsam
mit seinem Co-Regisseur Yossi Bloch den schwierigsten Film zu drehen, den er
laut eigener Aussage je gemacht habe. Um die Geschehnisse zu rekonstruieren, wurden
20 Überlebende interviewt. Anhand der Geschichten sechs junger Festivalbesucher,
die unter Leichen versteckt, im Gebüsch, in einer mobilen Toilettenkabine oder
unter einem Panzer kauernd überlebten, erzählt Dror schließlich die Chronologie
der Ereignisse. Zudem verschneidet er sie mit den Perspektiven von Ilan Regev,
dem Vater der vom Festival nach Gaza entführten Geschwister Maya und Itay
Regev, die im November 2023 wieder freikamen. Ein weiterer Erzählstrang ist dem
Polizisten Hananya Benjamin gewidmet, dem die Rettung von 150 Menschen
zugeschrieben wird.

Die
Interviewsequenzen werden immer wieder mit akribisch zusammengestellten Echtzeitaufnahmen
verwoben, die das Grauen des 7. Oktober dokumentieren. Das Videomaterial stammt aus
verschiedenen Quellen, zumeist aus den Handys der Überlebenden und Opfer des
Massakers, aus Überwachungskameras oder Hamas-Propaganda-Material, was im Film
stets kenntlich gemacht wird. Ausschnitte, auf denen sterbende oder tote Menschen
zu sehen sind, werden ebenso wie Hinrichtungen einzelner Festivalbesucher durch
die Hamas nur verschwommen gezeigt.