STUTTGART 21: Eröffnung gleichwohl 2027 zögernd

Die Bahn will bis Anfang Juli 2026 ein neues Konzept für die Inbetriebnahme von Stuttgart 21 vorlegen. Der Fahrplan für 2027 soll auf Grundlage der alten Gleisinfrastruktur geplant werden. Das ergab am Montag eine außerordentliche Sitzung des Lenkungskreises für das 11,4 Milliarden Euro teure Bahnprojekt. Weil das Projekt durch die Absage der Teilinbetriebnahme im November in eine abermalige Krise gerutscht war, nahmen an der Sitzung erstmals Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und die kürzlich berufene Bahnvorstandsvorsitzende Evelyn Palla teil.
„Eine Inbetriebnahme vor Ende 2027 kann ich mir schwer vorstellen“, sagte sie. Der Eindruck des Projekts sei „zwiespältig“, eine gründliche Revision notwendig. Die „kritischen Pfade“ lägen bei der Realisierung der digitalen Steuerung, dafür gebe es „keine Blaupause“. Auch die Leistungen der Firma Hitachi werden geprüft; das japanische Unternehmen plant und liefert die digitale Technik. Eine Teilinbetriebnahme Ende 2026 wäre nur möglich gewesen, wenn Testzeiten verkürzt und Streckensperrungen ausgeweitet worden wären.
Ursprünglich sollten der neue Bahnhof und der neue digitale Bahnknoten schon 2019 in Betrieb genommen werden. Dass der neue Bahnhof mit der modernsten am Markt verfügbaren digitalen Steuerungs- und Signaltechnik ausgestattet werden sollte, hatte die Bahn erst 2021 beschlossen, auch um die Qualität und Kapazität des nur mit acht Gleisen geplanten Bahnhofs noch einmal zu steigern.
„Fernwanderwege“ zum alten Kopfbahnhof
Kretschmann sagte, man gebe der neuen Bahnchefin einen Vertrauensvorschuss, es sei zu begrüßen, wenn „Verlässlichkeit und Transparenz“ jetzt absolute Priorität hätten, allerdings sei eine Kommunikationspause bis zum Sommer 2026 schwer durchzuhalten. Er wünsche sich kontinuierliche Informationen. Die Bahn will auch prüfen, ob die umständlichen und langen Wege in den alten Kopfbahnhof verkürzt und eventuell durch den Bonatzbau gelegt werden können. Dazu sagte Kretschmann: „Das hätte man auch früher machen können.“ Die von den Stuttgartern spöttisch „Fernwanderwege“ genannten Zugänge zum alten Kopfbahnhof waren erst kürzlich in einer App für Wanderer aufgenommen worden.
Seit Jahren müssen Reisende Umwege von bis zu 20 Minuten in Kauf nehmen, wenn sie auf die alten Bahnsteige des Kopfbahnhofs gelangen wollen. Den Bau des Pfaffensteigtunnels, der die Zugverbindungen nach Südbaden und in die Schweiz künftig erleichtern soll, will die Bahn nicht mehr infrage stellen. Palla sagte: „Nur dank S21 schaffen wir beim Fernverkehr, Regionalverkehr und bei der S-Bahn schnellere Verbindungen und mehr Kapazitäten. Nur dank S21 wird in Stuttgart der Deutschland-Takt möglich.“
Der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) forderte, die Finanzierungsvereinbarung für den Pfaffensteigtunnel möglichst noch bis Ende des Jahres zu unterschreiben. Auch in der Projektgesellschaft PSU wird es einen Personalwechsel geben: Der Geschäftsführer Michael Pradel scheidet aus, seine Aufgaben übernimmt Klaus Müller, der derzeit Digitalexperte und Infrastrukturvorstand bei der Bahntochter InfraGo ist. Mit der Revision des Projekts wird eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt, ihr gehören 15 Bahnfachleute aus der Konzernrevision an. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bewertete die vorläufige, weitere Nutzung des Kopfbahnhofs sowie des Gäubahn-Anschlusses, über den Züge nach Tuttlingen, Singen und Schaffhausen geführt werden, als positiv, forderte die Bahn aber dringend auf, endlich einen Gesamtplan für die Digitalisierung des nationalen Netzes vorzulegen.
Source: faz.net