Stichwahlen in NRW: Was z. Hd. Die Schwarzen, SPD und Grüne heute uff dem Spiel steht

Zwei Wochen nach den Kommunalwahlen finden heute in Nordrhein-Westfalen 147 Stichentscheide um Bürgermeister-, Oberbürgermeister- und Landratsämter statt. Besonders im Fokus stehen die Ruhrgebietsstädte Duisburg, Gelsenkirchen und Hagen, in denen es die AfD gegen die jeweils erstplatzierten Kandidaten von SPD und CDU in die zweite Runde geschafft hat. Neben diversen schwarz-roten Duellen etwa in Essen oder Solingen kommt es auch zwischen CDU und Grünen zu mehren Stichentscheiden.
Am 14. September hatte die CDU die Wahlen zu den Räten der kreisfreien Städte und den Kreistagen trotz eines leichten Rückgangs von einem Prozentpunkt mit 33,3 Prozent der Stimmen klar gewonnen. Die SPD verlor 2,2 Punkte und kam auf 22,1 Prozent. Die AfD verdreifachte ihr Ergebnis beinahe (14,5 Prozent) und verdrängte die Grünen als drittstärkste kommunale Kraft. Diesem enttäuschenden Ergebnis würden die Grünen nun gerne Siege bei den auch bundesweit beachteten Oberbürgermeister-Stichwahlen entgegensetzen.
Vor fünf Jahren war es der Partei gelungen, erstmals in Nordrhein-Westfalen Oberbürgermeisterposten zu erringen. In Bonn und Aachen müssen sich die Amtsinhaberinnen Sibylle Keupen (die parteilos ist, aber von den Grünen unterstützt wird) und Katja Dörner (Grüne) den CDU-Herausforderern Michael Ziemons und Guido Déus stellen, die in Runde eins jeweils klar in Führung lagen. In der Landeshauptstadt Düsseldorf hat Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) gute Chancen, sein Amt zu verteidigen. Im ersten Wahlgang lag er mehr als 20 Punkte vor Clara Gerlach, seiner Herausforderin von den Grünen.
Alle gegen Aymaz in Köln?
Größer ist die grüne Hoffnung in Münster, wo Tilman Fuchs mit vier Punkten Vorsprung gegen Georg Lunemann (CDU) antritt. Ebenfalls erstmals von den Grünen geführt werden könnte bald Köln. Die Landtags-Vizepräsidentin Berîvan Aymaz ging aus Runde eins mit 28,1 Prozent als Erstplatzierte hervor. Gewinnt sie am Sonntag, dann wäre sie die erste grüne Oberbürgermeisterin in einer deutschen Millionenstadt. Aymaz tritt gegen den Verwaltungsfachmann und Sportfunktionär Torsten Burmester (SPD) an.
Dessen Chancen haben sich dadurch erhöht, dass sich der drittplatzierte CDU-Kandidat Markus Greitemann vor wenigen Tagen für ihn aussprach. „Aufgrund seines Lebenslaufs und seiner politischen Erfahrung bringe ich Torsten Burmester großen Respekt entgegen und halte Torsten Burmester als Oberbürgermeister der Stadt Köln für geeignet“, ließ Greitemann in einer Mitteilung verlauten. Schon zu Beginn des Kommunalwahlkampfs war in Köln immer wieder zu hören, dass viele in der SPD und der CDU der Wille verbinde, die Grünen-Kandidatin zu verhindern. Vor zehn und auch vor fünf Jahren hatten Grüne und CDU noch gemeinsam die parteilose Henriette Reker unterstützt und arbeiteten auch im Stadtrat in einem Bündnis zusammen, in dem es aber immer öfter zu Konflikten kam.
Bei der Ratswahl in Köln haben die linken Parteien ihre starke Stellung gegen den Trend halten können. Bei genauer Betrachtung ergibt sich freilich ein differenziertes Bild: Grün-linke Milieus dominieren die Innenstadtbezirke. Doch in den Kölner Außenbezirken wie Worringen, Chorweiler und Porz wächst die AfD. Gleichwohl können die als stärkste Kraft bestätigten Grünen mit SPD und Linkspartei eine Mehrheit im neuen Rat bilden. In Bonn dagegen, wo die grüne Oberbürgermeisterin Katja Dörner gegen Widerstände aus der Bevölkerung das Projekt Verkehrswende mit mehr Platz für Fahrräder und Busse und weniger Parkplätzen vorantrieb, wurde die linke Ratsmehrheit abgewählt. Nicht nur die Grünen ließen Federn. Die SPD, die in der ehemaligen Bundeshauptstadt lange Oberbürgermeister stellte, fiel auf knapp unter zwölf Prozent. Ihr Oberbürgermeisterkandidat erreichte nicht einmal neun Prozent.
Eine Umfrage macht der Dortmunder SPD Angst
Umso mehr hoffen die Sozialdemokraten am Sonntag anderenorts auf Stichwahlsiege. In Mönchengladbach ist Amtsinhaber Felix Heinrichs (SPD) mit 43,4 Prozent aus Runde eins klarer Favorit. Im einst von Herbert Wehner zur „Herzkammer der Sozialdemokratie“ proklamierten Dortmund müssen die Genossen dagegen bangen, ob Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) sein Amt verteidigen kann. Misslänge es, dann würde Dortmund erstmals seit 79 Jahren nicht von einem sozialdemokratischen Oberbürgermeister regiert.
Dass Westphal Mitte September auf magere 27,4 Prozent kam, führten die Sozialdemokraten vor allem auf das mit zwölf Kandidaten große Bewerberfeld zurück. Auf jeweils etwas mehr als 14 Prozent kamen die Bewerber von AfD und Grünen sowie ein parteiunabhängiger, aber von einem angesehenen Dortmunder Unternehmer unterstützter Einzelbewerber. Mit 17,04 Prozent auf Platz zwei und damit in Runde zwei schaffte es Alexander Kalouti (CDU), der aktuell der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Dortmunder Theater ist.
Mit seinem Zehn-Punkte-Vorsprung in Runde eins scheint Westphal auf den ersten Blick komfortabel vorne zu liegen. Eine am Donnerstag von der „Westdeutschen Zeitung“ veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Forsa unter 1004 Dortmunder Wahlberechtigten deutet nun aber auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Sowohl Westphal als auch Kalouti liegen demnach bei 50 Prozent. Laut Forsa kann der CDU-Kandidat damit rechnen, in großem Umfang Stimmen der bisherigen Wähler des Einzelbewerbers und des AfD-Kandidaten aus Runde eins hinzuzugewinnen.
Zudem gaben 44 Prozent der Grünen-Anhänger an, nun für ihn votieren zu wollen. Anders als vor fünf Jahren gibt es diesmal keine Wahlempfehlung der Dortmunder Grünen. Im September 2020 hatten sich CDU und Grüne kurz vor der Stichwahl mit dem Ziel verbündet, in Dortmund einen politischen Wechsel herbeizuführen. Gleichwohl setzte sich Westphal, der damals zum ersten Mal antrat, in der Stichwahl mit 52 Prozent der Stimmen gegen seinen damaligen CDU-Konkurrenten Andreas Hollstein durch.
Aus sozialdemokratischer Perspektive alarmierend dürften die nun von Forsa erhobenen Kompetenzwerte sein. Zwar liegt Westphal bei Themen wie Wohnen, Schulen, Kitas, Integration oder Stadtentwicklung und Stadtverwaltung vorn. Doch Kalouti schneidet auf Feldern wie Verkehr/Mobilität, Finanzen/Haushalt und Wirtschaft/Arbeitsplätze besser ab – obwohl Westphal als ehemaliger Dortmunder Wirtschaftsförderer gerade bei Letzterem langjährige Erfahrung vorweisen kann.
Seit zweieinhalb Jahrzehnten zerbröselt die Herrschaft der SPD im Ruhrgebiet von Wahl zu Wahl immer mehr. Dortmund aber hielt einigermaßen stand. Am 14. September reichte es bei der Ratswahl knapp für Platz eins – mit etwas mehr als 57.000 Stimmen (24,89 Prozent). Sollte die SPD in ihrer „Herzkammer“ Dortmund nicht mehr den Oberbürgermeister stellen, wäre das ein niederschmetterndes Signal für die gesamte deutsche Sozialdemokratie.
Source: faz.net