Standort Deutschland: Die Spatenstich-Republik

Nein, Champagner gab es nicht. Die Rheinlandpfälzer seien ja gleichfalls scheu, betont die Wirtschaftsministerin des Landes (und wenn schier, hätte man natürlich mit rheinland-pfälzischem Winzersekt angestoßen). Aber natürlich sein die Freude „riesig“ gewesen, denn lichtvoll war, dass Eli Lilly sich im Land ansiedelt, sagt Daniela Schmitt (Liberale).

Der US-Pharmakonzern plant ein neues Werk im rheinland-pfälzischen Alzey, will dort unter anderem seine populären Abnehmspritze produzieren. Zum Spatenstich Anfang April kam dieser Kanzler und sprach von dieser „größten Investition, wenn nicht sogar die größte Investition in den Pharmastandort Deutschland seit der Wiedervereinigung“. 2,3 Milliarden Euro steckt dasjenige Unternehmen in eine neue Produktionsanlage, gut 1.000 Ingenieure, Wissenschaftlerinnen und Anlagenbediener sollen dort einmal funktionieren.

Eli Lilly ist eines von vielen prominenten ausländischen Unternehmen, die in jüngster Zeit entschlossen nach sich ziehen, in Deutschland zu investieren, begleitet von großer medialer Aufmerksamkeit. Mitte März Spatenstich in Nordrhein-Westfalen: Der US-Softwarekonzern Microsoft plant nahe Köln ein riesiges Rechenzentrum, in Schleswig-Holstein baut Northvolt eine Batteriezellenfabrik, dieser US-Halbleiterkonzern Intel kommt nachher Magdeburg und gleichfalls Tesla in Grünheide will sein Werk erweitern. Es geht deswegen noch welches in dieser Bundesrepublik. Ist dieser Standort womöglich attraktiver, denn es dieser vielfache Abgesang vermuten lässt?

Man schätzt den kurzen Dienstweg

Geht es um Investitionen ausländischer Unternehmen, scheint die Politik gewillt, sämtliche Knöpfe zu herabsetzen, um sie in die Bundesrepublik zu versuchen. Ministerin Schmitt betont, man habe Eli Lilly im Vorfeld spürbar gemacht, „die notwendigen Verfahren eng zu begleiten und gemeinsam mit dem Unternehmen eine schnelle und gute Lösung zu finden“. Man schätze „den kurzen Dienstweg“, greife mit Freude „mal zum Telefonhörer“, dasjenige sei für den Amerikanern gut angekommen, die ihrerseits gleichfalls „ungern fünfmal über die ein und dieselbe Sache sprechen“. Jetzt deswegen soll es schmissig in Betracht kommen mit dieser Anbindung des Grundstücks an die Autobahn, den Wasseranschluss, die Stromnetze. Ministerin Schmitt nennt dasjenige „gelebten Willkommenskultur“.

Das hört sich so an, denn hätten sich in den vergangenen Jahren im Bürokratie vernarrten Deutschland ein paar Verkrustungen gelöst. Bundesweites Vorbild ist schließlich dieser US-Konzern Tesla, dieser in Grünheide für Berlin mit viel politischer Unterstützung in nur zwei Jahren die größte Elektroautofabrik in Europa baute.

Zur Wahrheit gehört durchaus gleichfalls, dass wenige dieser Ansiedlungen ohne Milliardensubventionen nicht möglich gewesen wären. An Intel sollen sozusagen zehn Milliarden Euro fließen, an den taiwanesischen Chiphersteller TSMC, dieser in Dresden ein Werk plant, fünf Milliarden Euro. Knapp 900 Millionen Euro gingen an Northvolt. Sie waren die ersten, zu Händen die Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nachher dieser Haushaltssperre im vergangenen Jahr die Staatskasse wieder öffnete. Ist dasjenige wirklich gelungene Standortpolitik?

Erste Symptome einer Deindustrialisierung

Der Wirtschaftswissenschaftler Dirk Dohse vom Institut zu Händen Weltwirtschaft in Kiel warnt vor übermäßig großer Euphorie, spricht für den jüngsten Großinvestitionen tunlichst von einzelne „Leuchtturmprojekten“. Im Falle von Eli Lilly und Microsoft (beiderlei kommen ohne Subventionen aus) hätten regionale „Sondereffekte“ eine Rolle gespielt. Wegen des Biotech-Clusters in Rheinland-Pfalz gebe es in dieser Region etwa im besonderen viele Fachkräfte, und andere große Pharmaunternehmen, etwa BioNTech oder Boehringer Ingelheim, sind nicht weit weg. Außerdem sei Deutschland ein attraktiver Markt zu Händen Diät- und Diabetes-Medikamente, worauf sich dasjenige Unternehmen spezialisiert habe.

Homolog ist dasjenige für Microsoft im Rheinland. Das Rheinische Revier liegt geostrategisch ideal an dieser Kreuzung bedeutender überregionaler Datentrassen, wichtig zu Händen dasjenige Rechenzentrum. Die Nachfrage nachher KI- und Cloud-Lösungen von Seiten dieser Industrie sei ein weiterer Pluspunkt. Aber Microsoft habe zuletzt gleichfalls in anderen Ländern wie Großbritannien und Australien verwandt hohe Summen investiert. Und gleichfalls Eli Lilly hat europaweit schon zahlreiche Standorte.

Auch dieser Blick uff die Zahlen deckt sich nicht mit dem Bild dieser neuen Spatenstich-Republik. Einer Untersuchung des IW Köln zufolge investierten Unternehmen aus dem Ausland im vergangenen Jahr rund 22 Milliarden Euro in Deutschland – und damit so wenig, wie seitdem zehn Jahren nicht mehr. Wobei Studienautor Christian Rusche betont, dass große Investitionen wie Intel noch nicht mit eingerechnet seien. Gleichzeitig wird dasjenige Ausland zu Händen deutsche Unternehmen immer attraktiver: Insgesamt lagen die Netto-Abflüsse im vergangenen Jahr für 94 Milliarden Euro. Der Wert gibt die Differenz zwischen Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland und ausländischer Unternehmen in Deutschland an. Rusche spricht von „ersten Symptomen einer Deindustrialisierung“. Prominentestes Beispiel war zuletzt dieser Solar-Hersteller Meyer Burger, dieser im Februar seine Produktion in Sachsen eingestellt hat. Das Unternehmen geht jetzt tunlichst in den USA neue Wege.

In dieser EU ist indes ein gegenläufiger Trend zu beobachten: In den ersten neun Monaten des Jahres 2023 stiegen die Zuflüsse in EU-Staaten um 120 Prozent – gleichfalls aus Deutschland. Rund 90 Milliarden Euro, deswegen etwa zwei Drittel aller Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen, flossen demnach zuletzt in EU-Mitgliedsländer, vor allem in die Benelux-Staaten und nachher Frankreich. Es sind deswegen Gelder, die deutsche Firmen präzise nicht in Deutschland investieren, sondern tunlichst im europäischen Ausland. „Nun müssen dieser Erkenntnis Taten folgen, damit die Attraktivität des Standorts Deutschland nicht weiter erodiert“, sagt Rusche.

Punkten mit den Erneuerbaren

Sind Leuchttürme wie Eli Lilly deswegen womöglich dasjenige Letzte, welches den Wirtschaftsministern in Nord wie Süd bleibt, um mit dem Standort mal wieder gute Schlagzeilen zu produzieren? Klar, die Bundesrepublik hat im internationalen Vergleich noch einiges zu eröffnen. Deutschland habe sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte, etwa Ingenieure oder Spezialisten im Tech- oder Pharma-Bereich, eine gute Infrastruktur, sagt Dohse. Auch sei dasjenige Lohnniveau im Vergleich zu den USA tief, dort müsse man Ingenieuren oder Informatikern im Silicon Valley ein Vielfaches dessen zahlen, welches in Deutschland uff den Lohnzetteln stehe. Langsam mache sich gleichfalls dieser Ausbau dieser erneuerbaren Energien erkennbar: Bei Northvolt etwa betont man, dass die Verfügbarkeit von Unmengen Windstrom in dieser schleswig-holsteinischen Weite und uff dem Meer ein entscheidender Faktor zu Händen die Standortwahl gewesen sei, dass die Wahl uff Schleswig-Holstein fiel. Schließlich braucht man zu Händen eine Batteriezellenfabrik sehr viel Energie.

Jedoch hätten sich viele Standortfaktoren in den vergangenen Jahren zum Unguten entwickelt. Dohse nennt die hohen Energiekosten, die Zurückhaltung beim Ausbau dieser Infrastruktur, den Fachkräftemangel und dasjenige sinkende Bildungsniveau.

Abgesehen von den schönen Bildern, die so ein Werkbau produziert, darf man daher gleichfalls den Effekt dieser jüngsten Großansiedlung uff die Wirtschaftsleistung nicht überschätzen. Die Standorte die Erlaubnis haben sich weiterführend hohe Gewerbesteuern freuen – und sicherlich profitieren gleichfalls Zulieferer und andere kleinere Unternehmen in dieser Region. Aber im Falle von Eli Lilly gibt Dohse zu bedenken: „Wahnsinnig viele Arbeitsplätze werden da nicht geschaffen.“ 1.000 neue Jobs für einem Investitionsvolumen vom mehr denn zwei Milliarden Euro, dasjenige sei „nicht besonders viel“.

Bei Microsoft in sollen es sogar nur wenige Hundert sein, im Vergleich zu den mehr denn 14.000 Arbeitsplradieren, die im rheinischen Revier nachher dem Kohleausstieg verloren in Betracht kommen, ist dasjenige nichts. Ähnliche Bedenken hat dieser Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher vom DIW in Bezug uff die Milliardensubventionen zu Händen die Ansiedlung von TSMC geäußert: „Dies wird sich wirtschaftlich nur dann rechnen, wenn diese beiden Investitionen einen Impuls für die gesamte regionale Wirtschaft geben und auch in anderen Branchen und bei Zulieferern Innovationen und neue Arbeitsplätze entstehen.“

Sicher, für manchen Investitionen steht irgendwas anderes im Vordergrund: Die Technologieabhängigkeit von China zu reduzieren. Via Intel sagt Dohse: Die zehn Milliarden Steuergelder seien kaum zu verfechten. „Das wird man niemals wieder reinbekommen.“