Stadtbild-Debatte: Kriminalität ist kein Importproblem
Erinnern
Sie sich noch an die Stadtbild-Debatte, die Deutschland in diesem Jahr lange
beschäftigt hat? Sie ist zwar verhallt. Doch sie zeigte, wie nachhaltig
Narrative wirken können, selbst wenn sie auf falschen Zuschreibungen beruhen. Komplexe
soziale Fragen werden allzu schnell auf sichtbare Gruppen reduziert. Dabei geht
es bei Sicherheit vor allem um die tieferliegenden Ursachen und nicht um
oberflächliche Eindrücke.
Kriminalität
hängt nicht von der Herkunft, sondern von sozialen Bedingungen ab. Wer
Statistiken liest, statt Vorurteile zu pflegen, erkennt: Kriminalität wird nicht
importiert, sie ist ein soziales Phänomen. Menschen, die in Armut und ohne
soziale Einbindung leben, begehen häufiger Straftaten – unabhängig von Herkunft
oder Hautfarbe. Entscheidend sind Bildung, Einkommen und gesellschaftliche
Teilhabe, nicht der Pass.
Meine
DIW-Kollegin Anna Bindler weist in ihrer Analyse zur sogenannten Stadtbild-Debatte darauf hin, dass
einfache Zuschreibungen irreführen. In den Städten, in denen mehr Zugewanderte leben,
ist die Kriminalitätsrate nicht automatisch höher. Vielmehr spielt die soziale
Struktur eine Rolle. Kriminalität konzentriert sich dort, wo
Perspektivlosigkeit herrscht, wo Integration nicht gelingt und wo der Staat zu
selten präsent ist – mit Schulen, Sozialarbeit und bezahlbarem Wohnraum.
Es
liegt also nicht an „männlichen Migranten im Stadtbild“, sondern mangelnder
sozialer Integration und ungleichen Chancen. Die Forschung zeigt klar: Mit
erfolgreicher Bildung, stabilen Arbeitsverhältnissen und gesellschaftlicher
Akzeptanz sinkt das Risiko von Kriminalität drastisch. Pauschale
Schuldzuweisungen hingegen erschweren Integration und schüren Misstrauen – sie
schwächen damit genau das, was sie zu schützen vorgeben: die innere Sicherheit.
Auch Gewalt gegen Frauen in den Blick nehmen
Wer
Sicherheit ernst meint, muss sich auch die Zahlen zur Gewalt gegen Frauen
ansehen. Laut Bundeskriminalamt wird in Deutschland jede dritte
Frau im Laufe ihres Lebens Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt.
Die überwältigende Mehrheit dieser Taten geschieht nicht auf der Straße,
sondern im häuslichen Umfeld – durch Partner, Ex-Partner oder
Familienmitglieder.
Diese
Realität verschwindet in der öffentlichen Debatte oft hinter dem Bild der „unsicheren
Innenstadt“. Doch die größte Bedrohung für die Sicherheit von Frauen sitzt
häufig am Küchentisch, nicht auf der Parkbank. Im Jahr 2023 gab es in Deutschland Femizide, die meisten Opfer durch ihre Partner oder
Ex-Partner. Gewalt gegen Frauen kostet diese schlimmstenfalls das Leben, den Staat jedes Jahr
geschätzt 54 Milliarden Euro –
an Gesundheitskosten, Produktivitätsverlusten und gesellschaftlichen
Folgeschäden.
Sicherheit
bedeutet, Frauen und Kinder zu schützen, ihnen Zugang zu Beratung, Schutzräumen
und rechtlicher Unterstützung zu geben. Sie bedeutet, Gewalt zu verhindern,
bevor sie geschieht – durch Bildung, Prävention und eine Kultur, die Gewalt
nicht verharmlost.