Solomütter: Familie gründen ohne Väter

Allein Mutter werden – und zwar nicht nach einer Trennung Alleinerziehende werden, sondern bewusst von Anfang an, das beschreibt Solomutterschaft by Choice. Soloeltern entscheiden sich, mithilfe einer Samenspende, privat oder aus einer Samenbank, ein Kind ohne Partner:in zu bekommen. Eine Entscheidung, die auch mit Stigmatisierung und Diskriminierung verbunden ist. Denn diese Art der Elternschaft, insbesondere die bewusste Entscheidung dafür, ist in unserer Gesellschaft nicht vorgesehen. Trotzdem entscheiden sich immer mehr Eltern dafür.

Wie die Beraterin für Solomütter, Katharina Horn, auf ihrem Blog schreibt, ist die Soloelternschaft für viele der Plan B, wenn der Kinderwunsch nicht im Rahmen einer Kleinfamilie erfüllt werden konnte. Meist liegt es daran, dass es keine*n Partner*in gibt, mit dem oder mit der sich die werdenden Soloeltern ein gemeinsames Kind vorstellen konnten. Es kann aber auch die erste Wahl sein, wenn es für Soloeltern darum geht, eine möglichst selbstbestimmte Familie zu gründen – unabhängig von Männern und jenseits der heterosexuellen Kleinfamilie.

Laut einer Umfrage des Bundesministeriums für Familie konnten sich im Jahr 2020 über die Hälfte der befragten Single-Frauen in Deutschland ein Kind ohne eine feste Partnerschaft vorstellen. Trotzdem gibt es in Deutschland kaum Forschung zu Solomutterschaft von Frauen, zu queerer Soloelternschaft noch weniger. Im kommenden Jahr wird eine erste Studie der Universität Köln zu queerer Soloelternschaft veröffentlicht. Die Öffentlichkeit, aber auch die politischen Entscheidungsträger:innen, wissen also kaum etwas über die Bedarfe dieser wachsenden Familienformen. Auch deshalb berichten viele Solomütter in eigenen Blogs über ihre Erfahrungen und geben diese als Beraterinnen an werdende Solomütter weiter.

Weniger staatliche Unterstützung für Solomütter

Soloeltern widersetzen sich von vornherein dem gesellschaftlich und rechtlich verankerten Grundsatz, dass es immer zwei Elternteile geben müsse. Sie widersetzen sich der Erzählung eines familiären Happy Ends in Form von Kindern und Partnerschaft. Was gesellschaftliche Irritation bis hin zu Ablehnung hervorruft. Soloeltern und ihre Kinder erleben nicht selten alltägliche Diskriminierung, auch, indem sie schlichtweg weniger staatliches Geld als andere Familien zur Verfügung haben.

Zum Beispiel der Unterhaltsvorschuss: Zahlt ein zweiter Elternteil keinen Unterhalt, übernimmt der Staat die Kosten für diesen Elternteil, der wenig bis keine Sorge für ein Kind übernimmt. Dieser Vorschuss wird aber nicht gezahlt, wenn eine Mutter – Wortlaut im Gesetz – „sich weigert“, den Vater zu benennen. Im Fall einer Samenspende kann sie dies gar nicht, weil es keinen Vater, sondern nur einen Spender gibt. Die Idee dahinter ist, dass der Staat sich das Geld vom Vater zurückholt – tatsächlich passiert das aber nur in rund einem Viertel der Fälle. Es ist also weniger ein Vorschuss für Elternteile, als eine Kostenübernahme für ein fehlendes sorgendes Elternteil – allerdings eben nicht in Fällen, in denen dieser Elternteil von Anfang an fehlt. Der Staat zahlt für auf dem Papier stehende Väter, nicht für die faktisch geborenen Kinder.

Oder auch die Kostenübernahme der Krankenkassen: Gibt es keinen Vater, gibt es auch keine Kostenübernahme der Krankenkassen bei der Kinderwunschbehandlung – das trifft im Übrigen auch auf lesbische Ehepaare zu. Dabei ist der Weg über eine Samenbank für Solomütter notwendig, um einen möglichst rechtssicheren Weg zu gehen. Nur so kann der Spender keine nachträgliche Vaterschaft einklagen, was bei einer privaten Samenspende möglich wäre. Der Weg über die Samenbank gesteht dem Kind zudem die rechtliche Möglichkeit zu, ab seinem sechszehnten Lebensjahr zu erfahren, wer der Samenspender ist. Die fehlende Kostenübernahme macht Solomutterschaft teuer: Samenbanken sind kostspielig, denn pro Behandlungszyklus fallen schnell 3.000 Euro an und oft braucht es mehrere Zyklen für eine erfolgreiche Befruchtung. Die Regelungen zur Kostenübernahme gleichen einem Flickenteppich, durch den man sich erst einmal durchwühlen (können) muss. Alleine Mutter zu werden, ist also in vielerlei Hinsicht voraussetzungsvoll und berührt deshalb auch Klassenfragen. Internationale Forschung zeigt, dass Solomütter by Choice meist finanziell gut gestellte und gut ausgebildete Frauen sind.

Kinder ins Zentrum der Familienpolitik stellen

Aber Geld allein ist nicht das Problem. Samenbanken kommt durch ihre zentrale Rolle im Zugang zu Reproduktion eine quasi-rechtliche Funktion durch die Hintertür zu. Sie legen fest, dass Soloeltern Garantiepersonen vorweisen müssen, die im Zweifel für sie bürgen. Dadurch wollen sich die Kliniken präventiv absichern, denn es gibt den falschen, aber hartnäckigen Mythos, dass Ärzt*innen nachträglich als unterhaltspflichtig belangt werden könnten.

Katharina Horn, die neben ihrer Tätigkeit als Beraterin auch Mitbegründerin des Vereins Solomütter Deutschland e.V. ist, erklärt, dass ihr in ihrer Arbeit neben den finanziellen und bürokratischen Hürden noch weitere Herausforderungen von Soloeltern begegnen. Beispielsweise in der Repräsentation: Queere Soloeltern hätten sich zwar oft schon früh auf eine alternative Familiengründung eingestellt. Durch den hürdenreichen Weg, den sie beschreiten müssen, um jenseits der Norm Eltern zu werden, starten sie oftmals weitaus besser vorbereitet in die Herausforderungen der Elternschaft als die allermeisten Hetero-Paare. Zugleich würden sie aber medial und in Kinderbüchern noch weniger abgebildet als heterosexuelle Solomütter. Auch die Individualisierung von Sorgeverantwortung nennt sie als Problem: Statt des Vorwurfs ‚Du hast es selbst herbeigeführt‘ bräuchte es eine kindzentrierte Unterstützung. Das gilt durchaus auch für die heterosexuelle Kleinfamilie. Durch den hürdenreichen Weg, den Soloeltern beschreiten müssen, um jenseits der Norm Eltern zu werden, starten sie oftmals weitaus besser vorbereitet in die Herausforderungen der Elternschaft als die allermeisten Hetero-Paare.

In Zeiten, in denen Kämpfe um die Rechte leiblicher Väter erstarken, überrascht es kaum, dass Solomutterschaften so ganz ohne Väter patriarchalen Gegenwind hervorrufen. Von dem Weg in die Elternschaft, bei der Geburt und im Leben mit Kind ist dieser für sie spürbar. Das Ideal, selbstbestimmt in die Mutterschaft zu starten, ist spätestens nach der Geburt des Kindes mit der harschen gesellschaftlichen Realität des Alleinerziehens konfrontiert. Die Wirksamkeit patriarchaler Vorstellungen zeigt sich auch darin, dass für viele – nicht alle! – der Weg in die Solomutterschaft der Plan B ist, weil sie eigentlich gerne eine Familie mit eine*r Partner*in gegründet hätten. Hier wird deutlich, wie wirksam weiterhin der Sehnsuchtsort Kleinfamilie ist, die rechtlich geschützt und mit Privilegien verbunden ist. Alternative Wege in die Elternschaft sind deshalb weiterhin oftmals die zweite Wahl.

Und trotzdem: Jede Mutter, die sich eine Familie ohne Männer baut, fordert Strukturen heraus, die für Männer gemacht sind. Durch Solomütter by Choice, genauso wie durch andere Alleinerziehende und lesbische oder queere Mütter, die in Familien ohne Männer leben. Um dagegen anzuarbeiten, dass Familien ohne Männer strukturell abgestraft werden, muss die Gesellschaft ihrer Grundsatzaufgabe nachkommen, allen Kindern ein sicheres Aufwachsen unabhängig von der Familienform zu ermöglichen. Im Sinne einer reproduktiven Gerechtigkeit sollte es deshalb darum gehen, Allianzen zu schmieden. Zwischen jenen, denen die (wenn auch hürdenreichen) Zugänge zur Reproduktion offenstehen, und jenen, deren Kinderkriegen noch stärker verunmöglicht wird.“