So geht Wien mit dem Ende dieser russischen Gaslieferungen um

Österreich erwachte am Samstag in einer neuen Realität seiner Energieversorgung. Pünktlich um sechs Uhr hatte Russland seine Gaslieferungen an das Nachbarland komplett eingestellt. Den Schritt hatte Moskau erst zwölf Stunden zuvor angekündigt. Hintergrund des Lieferstopps ist ein schon länger schwelender Rechtsstreit zwischen dem russischen Energiekonzern Gazprom und dem österreichischen Gas- und Ölkonzern OMV.

Mit dem Schritt dreht Russland einem der letzten europäischen Großabnehmer seines Erdgases den Hahn zu. Neben Österreich bezogen in diesem Jahr nur noch die Slowakei und Ungarn Gas aus Russland. Im Alpenland lag der Anteil des russischen Erdgases in diesem Jahr bei durchschnittlich 80 Prozent.

Trotz dieses hohen Bezugs von russischem Erdgas betont die österreichische Politik, dass es zu keiner Versorgungskrise kommen würde. Auch der halbstaatliche Konzern OMV scheint auf den abrupten Lieferstopp gut vorbereitet zu sein.

Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) wandte sich bereits Freitagabend an die Öffentlichkeit, kurz nachdem Gazprom den Lieferstopp angekündigt hatte. „Ich kann Ihnen versprechen, niemand wird in Österreich aufgrund einer Gasmangellage frieren, und keine Wohnung wird in Österreich kalt bleiben“, sagte Nehammer auf einer Pressekonferenz. Klare Worte sandte der österreichische Kanzler auch an die Adresse von Russlands Präsident Wladimir Putin. „Wir lassen uns nicht erpressen und nicht in die Knie zwingen“, so Nehammer.

Hintergrund des Lieferstopps ist ein Rechtsstreit zwischen der OMV und Gazprom. Weil es im September 2022 zu Unterbrechungen der Gaslieferungen aus Russland gekommen war, hatte die OMV im Januar 2023 ein Schiedsgerichtsverfahren angestrengt. Vor wenigen Tagen hatte das Gericht zugunsten der OMV entschieden und dem österreichischen Konzern 230 Millionen Euro Schadenersatz zugesprochen. Das Vorhaben der OMV, diese Summe mit den laufenden Lieferungen von Gazprom zu verrechnen, wollte der russische Energiekonzern offenbar nicht akzeptieren und kappte daher die Lieferungen. Laut Regulierungsbehörde E-Control ist am Samstag über die Gaspipeline der Ukraine zwar noch Gas nach Europa geflossen, allerdings in reduzierter Menge.

Österreich trifft der Gas-Lieferstopp aus Russland nicht unvorbereitet. So teilte die OMV mit, dass ihre Gasspeicher zu mehr als 90 Prozent gefüllt seien. Zudem habe der Konzern sich seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine auf das nun eingetretene Szenario eingestellt und seine Bezugsquellen für Gas seit drei Jahren diversifiziert. So beziehe die OMV etwa zusätzliches Gas aus Norwegen und habe mehrere Bezugsquellen für Flüssiggas geschaffen. „Wir können alle unsere Kunden ohne Unterbrechungen aus unserem bestehenden Portfolio heraus weiter versorgen“, hieß es am Samstag von der OMV.

Keine Alarmstimmung

Der österreichische Bundeskanzler Nehammer betonte ebenfalls, dass die Gasspeicher im Land zu mehr als 90 Prozent gefüllt seien und die Republik über eine strategische Reserve verfüge. Die österreichische Regulierungsbehörde E-Control teilte mit, dass aufgrund „der hohen Speicherfüllstände und der Substitutionsmöglichkeiten über andere Transportrouten“ von einer „bleibenden aufrechten Versorgung der österreichischen Gaskunden ausgegangen“ werde.

Auch außerhalb von Österreich ist aufgrund des russischen Lieferstopps an das Nachbarland keine Alarmstimmung aufgekommen. Laut Bundeswirtschaftsministerium gehen Deutschland und die EU-Kommission „von einer grundsätzlichen Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Europa“ aus, da die Gasversorgung über andere Routen erfolgen könne. Zudem teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit, dass Deutschlands Gasspeicher zu mehr als 95 Prozent gefüllt seien.

Source: welt.de