Slowblog: 75. Berlinale: Wieder spricht nicht nur dieser Film


In unserem Slowblog berichten Daniel Gerhardt, Marlene Knobloch, Katja Nicodemus und Carolin Ströbele von den Premieren und Pressekonferenzen der 75. Berlinale. Wir beobachten, was am und neben dem roten Teppich passiert, und erzählen natürlich, welche Filme uns begeistert oder enttäuscht haben.

Tom Tykwer in einem Satz beschreiben, dann so: Es regnet ständig. Also wirklich: ständig, ununterbrochen, in Strömen, aus Kübeln. Und durch den pouring rain radelt Lars Eidinger in einem Plastikungetüm, das mehr nach Ein-Mann-Zelt aussieht als nach Regenjacke. In den Innenaufnahmen ist Eidinger dann meistens nackt, und man fragt sich kurz, ob das Selbstironie ist oder eine ganz natürliche Reaktion: Klatschnasse Kleidung will man ja so schnell wie möglich loswerden.

Freimachen wollte sich ganz offensichtlich auch Tom Tykwer mit diesem Film, seinem ersten seit acht Jahren und nach vier (die fünfte wird gerade fertiggestellt) Staffeln Babylon Berlin. Tykwer ist ja der große Traumtänzer des deutschen Kinos. Das hat etwas Liebenswertes, denn magischen Realismus würde man ohne ihn hierzulande vergeblich suchen. Sein Werk ist der komplette Gegenentwurf zum strengen und bisweilen hyperrealistischen Konzept der sogenannten Berliner Schule, zu der Christian Petzold, Thomas Arslan, Angela Schanelec oder Christoph Hochhäusler zählen. Tykwer, so schien es, preschte in seinen Filmen einfach los, schoss manchmal über das Ziel hinaus, war aber in seinen besten Momenten – etwa in Lola rennt, aber auch in manchen Szenen der ersten Babylon-Berlin-Staffel – ein Regisseur, der sein Publikum emotional berührte.

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Das Licht kann man in einer Linie mit diesen beiden Werken sehen, denn auch hier steht wieder die Hauptstadt im Fokus. Während sie bei Lola rennt noch als Abenteuerspielplatz erschien, als Schauplatz einer Geschichte, deren Ausgang sich immer wieder verändert, steuert die kommende Staffel von Babylon Berlin auf die Zeit der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu.

Das Licht nun spielt im Berlin der Gegenwart und erzählt fast drei Stunden lang vom Leben der dysfunktionalen Familie Engel (ja, sie heißt wirklich so). Der Vater (Lars Eidinger) hat hohe Ideale, verkauft diese aber als teure Claims an Großunternehmen. Die Mutter (Nicolette Krebitz), Typ regretting motherhood, versucht die Finanzierung ihres Kindertheaterprojekts in Kenia zu sichern. Der Sohn (Julius Gause) hat sich in seinem Zimmer eine VR-Gaming-Welt geschaffen, der Vater klopft schon lange nicht mehr an die Tür, die Tochter (Elke Biesendorfer) taumelt zwischen Drogenexzessen im Club und Klimaaktivismus. Alle Charaktere sind so auf die Spitze getrieben, dass man sie sofort als Repräsentanten eines liberalen, sich selbst hassenden Bürgertums versteht.

Und hier wird es unangenehm: Tykwer setzt seiner kaputten Familie die Figur der Syrerin Farrah (Tala Al-Deen) entgegen. Diese ist während des Kriegs geflüchtet, hat dabei ihre Familie verloren und heuert nun bei den Engels als Haushälterin an, obwohl sie dafür eindeutig überqualifiziert ist. Sie nähert sich den einzelnen Familienmitgliedern auf eine Weise, wie diese es untereinander schon lange nicht mehr geschafft haben. Die fremde Frau, die von außen heilend auf eine Familie einwirkt, ist ein gängiges Thema im Film. Hier aber wird die Figur auf eine unangenehme Art exotisiert. Sie bleibt die Fremde, die aufgrund ihrer Herkunft, ihres Traumas über besondere Fähigkeiten verfügt, die den Mitgliedern der westlichen Zivilisation abhandengekommen sind. Um das herauszustreichen, wird ihr eine unheimliche Komponente hinzugefügt. Mithilfe einer flackernden Lampe versetzt sie sich und ihre Gegenüber in eine Art Trance. Im Lauf des Films stellt sich heraus, dass sie damit einen Korridor ins Jenseits konstruieren will. Im Berlinale-Programm wird der Film unter dem Tag "Übersinnliches" verschlagwortet.

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Würde sich Das Licht konsequent ins Übersinnliche flüchten, wäre das auch in Ordnung. Aber Tykwer verspielt sich in zahllose weitere Genres: da tanzt Nicolette Krebitz plötzlich wie in Emilia Pérez über die Straße, da fliegen junge Leute durch die Luft wie in Tiger & Dragon. Das Licht ist ein Drei-Stunden-Monolith, von allem zu viel. In den Augen mancher Kritiker entspricht das einer seit Jahren gefühlten Überforderung und Gleichzeitigkeit der Dinge.

In Berlin regnet es gerade übrigens nicht, dafür liegt sehr viel Schnee. Und das ist wirklich schön.

Weitere Vorstellungen von "Das Licht" im Rahmen der Berlinale:
14.02. Uber Eats Music Hall, 18 Uhr
15.02. Haus der Kulturen der Welt, 10 Uhr
15.02. Haus der Berliner Festspiele 20.30 Uhr
16.02. Thalia, Potsdam, 20 Uhr

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Bob Dylan als Trostpflaster

Timothée Chalamet hellt mit seinem Dylan-Biopic "Like a Complete Unknown" die Berlinale-Stimmung auf.

Ein Filmfestival ist ein wunderbarer Grund, sich mal kurz auszuklinken. Licht aus, Handy aus, Vorhang auf und zweieinhalb Stunden nichts hören von Krieg, Anschlägen, Wahlkampfgetöse, Sicherheitskonferenzen und all dem. Dann sitzt man aber in einem Film über Bob Dylan und ist doch wieder bei Themen, die erschreckend aktuell erscheinen: Kalter Krieg, Wettrüsten, atomare Bedrohung, Rassismus. Umso erstaunlicher, wie tröstlich Like a Complete Unknown dennoch ist. 

Der Regisseur James Mangold hat das neue Biopic über Dylan gedreht, das heute Abend bei der Berlinale Deutschlandpremiere feiert. Hauptdarsteller und Mitproduzent ist Timothée Chalamet, wie im Film ist er auch auf der Berlinale so etwas wie der lead actor: der Typ, wegen dem heute eine Menge Leute vor dem Hyatt-Hotel herumhängen. Dort hält Chalamet am Nachmittag eine Pressekonferenz ab.

Drinnen stapeln sich statt Fans Journalisten: Kurz sieht es aus, als würde ich gar nicht mehr reinkommen. Schlechtes Karma?

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Ich komme dann doch noch rein, rechtzeitig zur ersten Frage: "Wie war es, für die Rolle als Bob Dylan zehn Kilo zunehmen zu müssen?" Man schämt sich ein bisschen vor Chalamet, aber nur kurz, denn dann kommt eine etwas politischere Frage und Chalamet kontert mit einem "Wow!" Da merke man doch, dass es in good old Europa um einiges tiefgründiger zugehe als zu Hause in den USA.

Der 29-Jährige ist heiter gestimmt, was gut zu seinem Outfit im BVB-Stil passt: Schnauzer und gelb-schwarz-gestreifter Pulli. Chalamet schafft es, auf jede Frage eine freundliche, absolut nichtssagende Antwort zu geben – nur als ihn eine Journalistin fragt, ob Bob Dylan nicht auch ein super Musical abgegeben hätte, entgleisen ihm kurz die Züge.

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Für die Berlinale ist Like A Complete Unknown in zweierlei Hinsicht ein Geschenk: Der Film hat einen der beliebtesten Filmstars in die Stadt gebracht und ist ein dringend benötigter Stimmungsaufheller. Eine Szene spielt auf dem Höhepunkt der Kubakrise, John F. Kennedy hält am 22. Oktober 1962 eine Fernsehansprache und droht der Sowjetunion im Angriffsfall mit einem atomaren Gegenschlag. In New York führt das zu Panik, Menschen packen ihre Autos, rufen Taxis, auch Joan Baez (Monica Barbaro) rennt mit einem Koffer über die Straßen. Dann stoppt sie vor einem Kellerclub, in dem Bob Dylan gerade vor ein paar Dutzend Leuten spielt und von Männern singt, die Bomben bauen. Das ist natürlich ganz großes Pathos, aber hey: Bitte gebt mir mehr davon, gerade jetzt!

Nicht nur mit dieser Szene fängt Like a Complete Unknown den Geist der gegenkulturellen Sechziger ein. Der Film zeigt eine Welt, die kurz vor dem Untergang zu stehen scheint, aber in der Menschen komponieren, dichten, dagegenhalten. Ein sehr tröstender Moment in einem Februar, der gerade nur durch den Schnee erhellt wird.

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Weitere Vorführungen von "Like a Complete Unknown" auf der Berlinale
14.02. Uber Eats Music Hall , 21:45 Uhr
15.02. Uber Eats Music Hall, 11:30 Uhr
16.02. Haus der Kulturen der Welt, 22 Uhr
21.02. Zoo Palast, 12:30 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 27. Februar zu sehen.

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Dr. Elordi

Kein Schauspieler brütet schöner als Jacob Elordi. Das Weltkriegsdrama "The Narrow Road to the Deep North" gibt ihm viele Gründe dafür. Auf der Berlinale feiert die Serie Premiere.

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The Narrow Road to the Deep North ist eine Serie über offene Rechnungen und Wunden. Im Jahr 1943 gerät der australische Armeearzt Dorrigo Evans (Jacob Elordi) mit seiner Einheit in japanische Kriegsgefangenschaft. Durch den tiefsten thailändischen Dschungel müssen die Männer eine Eisenbahnstrecke für den Feind bauen, während Evans dafür sorgen soll, die lädierten Arbeitskräfte halbwegs am Leben zu halten. Malaria und entzündete Verletzungen quälen die gefangenen Soldaten ebenso wie die brutalen, auch mal mit dem Samuraischwert hantierenden Aufseher. Evans flüchtet sich in Gedanken an seine Affäre mit Amy (Odessa Young), der Ehefrau seines Onkels.
45 Jahre später pult der Arzt Evans (jetzt gespielt von Ciarán Hinds) noch immer in den Wunden seiner Mitmenschen herum. Er gilt als Kriegsheld und risikofreudiger Chirurg: Den Tumor, den er im Bauch einer Patientin auf dem OP-Tisch entdeckt, entfernt er spontan, als müsste er noch immer sekundenschnelle Entscheidungen auf dem Schlachtfeld treffen. Offensichtlich hat Evans den Krieg niemals überwunden, wie sollte er auch, aber ebenso offensichtlich hängt er immer noch den Erinnerungen an Amy nach. Routiniert betrügt er seine Frau Ella (Heather Mitchell), diesmal mit der Frau des Mannes, der ihm bei der Arbeit das Skalpell reicht.

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Mit zwei ihrer fünf Folgen feiert die Serie von Drehbuchautor Shaun Grant Weltpremiere auf der Berlinale. Die mit dem Booker Prize ausgezeichnete Romanvorlage von Richard Flanagan muss man gar nicht kennen, um sich auszumalen, wie es in den weiteren Folgen um die Eskalation jahrzehntealter Konflikte gehen wird. Manche davon weisen auf Kriegstraumata zurück, andere auf Familienstreitigkeiten. Beide inszeniert der Regisseur Justin Kurzel mit großer Ernsthaftigkeit und heruntergedrehten Farben. Vor allem mit den Szenen aus dem Gefangenenlager in Thailand versaut er einem fast die Vorfreude auf die neue White-Lotus-Staffel.
Aber Jacob Elordi ist ja auch noch da. Gefühlt habe er sich beim Lesen des Romans, als hätte Richard Flanagan direkt zu ihm gesprochen, sagte Elordi am Rande der Berlinale in einem Interview mit ZEIT-ONLINE-Journalistin Ronja Wirts. Nach seinen Auftritten in Euphoria und Saltburn sowie als derangierter Elvis Presley in Priscilla spielt er wieder einen vergrübelten, abgründigen Mann, den man womöglich etwas mehr mag, als man sollte.
Weitere Vorführungen von "The Narrow Road to the Deep North" auf der Berlinale:
16.02. Urania, 12.30 Uhr
16.02. Cubix 9, 19.00 Uhr
18.02. Stage Bluemax Theater, 10 Uhr
21.02. Stage Bluemax Theater, 18.30 Uhr

Im Sommer sind alle Folgen der Serie bei Sky und Wow zu sehen.

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Was für ein asseliger Planet

Ist "Mickey 17" noch Sci-Fi oder schon Realität? Der neue Film des südkoreanischen Oscarpreisträgers Bong Joon Ho mit Robert Pattinson feiert auf der Berlinale Premiere.

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Während der vergangenen Monate gab es in der Kinobranche ein großes Raunen, Tuscheln, Spekulieren: Würde die Berlinale-Chefin Tricia Tuttle Mickey 17, den neuen Film des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon Ho, an Land ziehen? Würde es ihr gelingen, einen der "glamourösen“ Titel nach Berlin zu holen, die von der internationalen Film-Community flitzebogengespannt erwartet werden?

Fünf Jahre, nachdem Bong Joon Hos klassenkämpferischer Thriller Parasite bei den Oscars abgeräumt hat – sechs Preise, auch für den besten Film –, erlebt Mickey 17 nun tatsächlich seine Weltpremiere im Berlinale-Palast. 

Der Film spielt im Jahr 2054, Robert Pattinson verkörpert (im wahrsten Sinne des Wortes) einen Outcast, der jahrelang in einem gigantischen Raumschiff unterwegs ist. Dort wird er als Versuchskaninchen und wiederverwendbarer Sklave gequält und missbraucht. Mickey ist bereits die 17. Version seiner selbst, er krepiert im Labor an giftigen Gasen, verunglückt bei Reparaturarbeiten im All oder stirbt an tödlichen Erregern auf dem fernen Planeten Niflheim, der kolonisiert werden soll. Nach jedem weiteren Tod wird sein Körper aus den organischen Abfällen des Raumschiffs neu erzeugt und mit einem 3D-Drucker neu geboren. 

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Mickey ist ein expendable, ein Entbehrlicher, und Robert Pattinson spielt ihn als freundlichen Toren mit anrührender Verletzlichkeit. Er stolpert, torkelt und kotzt sich durch das retrofuturistische Setting, bis er durch einen Unfall einen Doppelgänger bekommt: Mickey 18 ist da!
In dem Film bleibt Bong Joon Ho seinem liebsten Thema treu: dem Kampf von denen da oben gegen die da unten. Die da oben sind ein präsidial-vulgärer Commander (Mark Ruffalo) und seine Lady-Macbeth-hafte Gattin (Toni Collette). Jeder Auftritt dieses Anführers ist eine Rallye, er schwafelt von menschlichem Abschaum und "Remigration", vom Nachteil eines "wilden Menschenmix“ auf der Erde im Gegensatz zu einem Neustart für eine weiße Rasse, während seine Frau sich für die Küche interessiert ("Saucen sind der Lackmustest für die Zivilisation").

Mickey 17 handelt von der Würde und Einmaligkeit des einzelnen Menschen. Es gibt eine schöne Liebesgeschichte und abgefahrene Bilder von den Ureinwohnern des Kolonie-Planeten, die aussehen wie eine Mischung aus Riesenassel und Gürteltier. Aber am beeindruckendsten und auf furchterregende Weise niederschmetternd ist der Commander. Mark Ruffalo verleiht ihm die Intonation und den kleingeistigen Größenwahn des gegenwärtigen US-Präsidenten.

Ja, Tricia Tuttle hat es wirklich geschafft: Der meisterwartete Science-Fiction-Film der Saison läuft auf der Berlinale. Aber es gab einmal eine Zeit, in der uns die Kinodystopien wenigstens noch ein bisschen voraus waren.

Weitere Vorführungen von "Mickey 17":
16.02. Uber Eats Music Hall, 14.30 Uhr
17.02. Urania, 12.15 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 7. März zu sehen.

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Ein Musikjournalist hält den Laden zusammen

"The Köln Concert" heißt das berühmteste Livealbum der Jazz-Geschichte. "Köln 75" heißt eine neue Komödie über seine Entstehung. Star des Films ist aber nicht Keith Jarrett.

Ziemlich viele Männer tauchen in Köln 75 auf, und die meisten davon sind Deppen. Der Vater der jungen Jazz-Enthusiastin Vera Brandes ist ein Zahnarzt mit sadistischer Ader. Der Bruder hat zumindest die Gemeinheit vom Vater geerbt. Veras Freund ist nicht besonders helle, aber dafür besonders eifersüchtig. Der Tourmanager des Klaviergenies Keith Jarrett hat kein Interesse an Problemlösungen und damit seinen Beruf verfehlt. Der Maestro selbst leidet unter Kunst und Rückenschmerzen, aber am meisten unter seinen Mitmenschen. Ständig reden und denken sie zu laut, stellen ihm den falschen Flügel hin und husten im Konzert seine Geistesblitze kaputt.

Gut also, dass Köln 75 kein Film über Jarrett ist, sondern über Vera Brandes. Im Köln der frühen Siebzigerjahre wird die Schülerin (gespielt von Mala Emde) zur Konzertagentin, emanzipiert sich dank dieser Berufung von ihrem Elternhaus und bringt den einstigen Pianisten von Miles Davis schließlich in die Stadt. Mit seinen Klavierimprovisationen soll Jarrett die Kölner Oper vollkriegen. Ihre Zukunft im Musikgeschäft knüpft Brandes an den Erfolg dieses Vorhabens.

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Der Regisseur und Autor Ido Fluk hat seinen Spaß mit dieser größtenteils wahren Geschichte. Er legt Köln 75 als Coming-of-Age-Komödie und Hommage an die Kölner Jazz- und Art-Rock-Szene der Siebzigerjahre an, blickt jedoch eher belustigt als ehrfürchtig auf deren Protagonisten. (Wird sicher Ärger geben bei Facebook.) Die Stadt und ihre Clubs sehen etwas zu sauber aus, die Figuren sprechen manchmal zu gegenwärtig. Der Film aber bewegt sich leichtfüßig über solche Schwächen hinweg, kommentiert sein Treiben immer wieder selbstironisch und steckt voller inszenatorischer Miniideen.

Die beste dieser Ideen ist der Musikjournalist Michael Watts (Michael Chernus). In kurzen Einschüben erklärt er, was man im Tonstudio als Fehlstart bezeichnet, führt einmal quer durch die Jazzgeschichte und macht auf einer (erfundenen) Autofahrt mit Jarrett auch die Mühen deutlich, die es den Pianisten (gespielt von John Magaro) kostet, Abend für Abend völlig neue Musik aus dem Nichts zu schöpfen. Ein armes Würstchen bleibt Watts trotzdem, ein Interview mit Jarrett bekommt er nicht, und auch bei einer Zufallsbegegnung mit Brandes holt er sich einen Korb ab. Schwacher Trost für ihn: Seit Almost Famous hat es im Kino keinen so liebenswerten Musikjournalisten mehr gegeben.

Weitere Vorführungen von "Köln 75" auf der Berlinale
16.02. Haus der Berliner Festspiele, 14 Uhr
17.02. Akademie der Künste, 16 Uhr
18.02. Odeon, 20 Uhr
18.02. Colosseum 1, 21:30 Uhr
21.02. Haus der Berliner Festspiele, 15.15 Uhr
23.02. Uber Eat Music Hall, 10 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 13. März zu sehen.

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Die Ärztin kommt gleich

"Heldin" verdichtet eine Spätschicht im Krankenhaus zu einem kämpferischen Film über den Pflegenotstand in der Schweiz. Und wird dann auch noch kurz lustig.
Es ist nur eine Schicht, aber am Ende ist man fix und fertig. Heldin spielt in einem Schweizer Krankenhaus und schafft es nur einmal kurz vor dessen Eingang, über 90 Minuten folgt der Film von Petra Volpe der Krankenpflegerin Floria Lind (Leonie Benesch) bei der Arbeit. Nur zu zweit sind die Schwestern in ihrer Spätschicht, rund 20 Patientinnen und Patienten haben sie zu versorgen und auch noch eine Auszubildende anzulernen. Ärztinnen und Ärzte werden in Heldin ständig gesucht oder angerufen, aber zu sehen sind sie nur in vier kurzen Szenen. Es geht stattdessen um Zugänge, die gelegt, und Demenzkranke, die gefüttert werden müssen, um OP-Vorbereitungen und Vitalwerte, ums Trösten und Vertrösten. Alles Routine so weit.

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Ein krebskranker Mann wartet den ganzen Tag über vergeblich auf ein Gespräch mit seiner Ärztin. Ein Privatversicherter führt sich auf, als hätte er ein Fünf-Sterne-Resort gebucht. Die Söhne einer sterbenden Patientin fordern lebenserhaltende Maßnahmen ein, die nicht mehr sinnvoll erscheinen. Eine Frau mit eigener Sauerstoffflasche will immerzu rauchen. Zwischen diesen und anderen Personen hetzt Lind hin und her, zunehmend gestresst, am Ende sogar zittrig. Kurz telefoniert sie mit ihrer Tochter, doch der Ex-Mann drückt das Gespräch weg. Dann klingelt schon wieder das Stationshandy. Die Lesebrille einer längst entlassenen Patientin wird gesucht.
Das quasidokumentarische Konzept von Heldin erscheint nicht besonders originell, doch der Film ist wahnsinnig gut konstruiert. Immer wieder kehrt Lind zu Punkten auf ihrer To-do-Liste zurück, die man als überforderter Zuschauer längst vergessen hatte, dann sieht man sie auf einen Fehler zusteuern und ist kurz perplex, als er wirklich passiert. Der Privatversicherte kommt einem als Arschloch überzeichnet vor, bis er völlig zusammenbricht und dann auch noch den lustigsten Moment des Films, vielleicht sogar der ganzen bisherigen Berlinale ermöglicht. In einem Film über Pflegenotstand.

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","url":"https://www.youtube.com/watch?v=zzDyERuMK5U","type":"rich","provider_name":"YouTube","author_name":"TOBIS","title":"HELDIN | Der offizielle Trailer | Ab 27. Februar im Kino!","description":"Floria (Leonie Benesch) arbeitet mit viel Leidenschaft und Professionalität als Pflegefachfrau in der Chirurgie eines Schweizer Krankenhauses. Bei ihr sitzt jeder Handgriff, sie hat selbst in Stresssituationen immer ein offenes Ohr für ihre Patientinnen und Patienten und ist im Notfall sofort zur Stelle – idealerweise. Doch in der harten Realität ihres oft schwer kalkulierbaren Alltags sieht das meist anders aus. Als Floria an diesem Tag ihre Spätschicht antritt, fällt auf der voll belegten, unterbesetzten Station eine Kollegin aus. Trotz aller Hektik umsorgt Floria eine schwerkranke Mutter (Lale Yavas) und einen alten Mann (Urs Bihler), der dringend auf seine Diagnose wartet, ebenso fürsorglich und routiniert wie den Privatpatienten (Jürg Plüss) mit all seinen Extrawünschen. Aber dann passiert ihr ein verhängnisvoller Fehler und die Schicht droht völlig aus dem Ruder zu laufen. Ein nervenzerrender Wettlauf gegen die Zeit beginnt.nnRegisseurin Petra Volpe (DIE GÖTTLICHE ORDNUNG) greift mit HELDIN ein brandaktuelles Thema auf. Laut WHO ist der weltweite Mangel an Pflegekräften ein globales Gesundheitsrisiko. In Deutschland könnten nach Angaben des Statistischen Bundesamts bis 2029 rund 260.000 Pflegende fehlen. Der Film ist zugleich eine respektvolle Hommage auf alle Pflegekräfte sowie ein packendes Plädoyer für mehr Menschlichkeit und soziales Engagement. Er zeigt nicht zuletzt, wie essenziell eine gute Betreuung im Krankheitsfall für uns alle ist. Hauptdarstellerin Leonie Benesch (DAS LEHRERZIMMER, SEPTEMBER 5) beeindruckt mit ihrer kraftvollen und fesselnden Darstellung, die das Kinopublikum atemlos lässt und uns noch lange nach Filmende begleitet.nn►Abonniere uns! Ganz OHNE Werbung: http://bit.ly/TobisAbonnierenn►Alle Infos zum Film: http://www.tobis.de/ n►Die neuesten Trailer: http://bit.ly/DieNeuestenTrailern►Werde Fan: http://www.Facebook.com/TobisFilmn►Folge uns auf: https://www.instagram.com/tobisfilm","domain":"youtube.com","color":"#cc181e","amp":"","icon":"https://www.youtube.com/s/desktop/aa517dff/img/favicon_144x144.png","icon_width":144,"icon_height":144,"thumbnail_url":"https://i.ytimg.com/vi/zzDyERuMK5U/maxresdefault.jpg","thumbnail_width":1280,"thumbnail_height":720}","url":"https://www.youtube.com/watch?v=zzDyERuMK5U"},{"_type":"Tik::Model::Content::RichTextContentBlock","local_id":"bnhV17tPiKGpCkEv4Pqu","text":"

Darum nämlich geht es natürlich, das hat man schon begriffen, wenn in der Auftaktsequenz von Heldin frisch gewaschene Stationskleidung durch eine Fließbandwäscherei rattert. Der Film macht seine Haltung mit alarmierenden Zahlen im Abspann deutlicher, als es nach seinen atemlosen 90 Minuten nötig gewesen wäre, auch der englische Titel Late Shift kommt einem in seiner Nüchternheit passender vor. Aber das ist Detailkram, der sofort wieder vergessen ist, wenn dann im Abspann auch noch Anohni and the Johnsons laufen. 
Weitere Vorführungen von "Heldin" auf der Berlinale
17.02. Zoo Palast, 21.30 Uhr
18.02. Haus der Berliner Festspiele, 21 Uhr
19.02. JVA Plötzensee, 17 Uhr
21.02. Uber Eats Music Hall, 12.30 Uhr
23.02. Colosseum 1, 21.30 Uhr
In deutschen Kinos ist "Heldin" ab 27. Februar zu sehen.

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Jetzt auch mal Standing Ovations

"Hysteria" heißt der Film, der auf der Berlinale viele aus den Sesseln haut. Und seinen Regisseur und Autor Mehmet Akif Büyükatalay endgültig in die Riege der spannendsten jungen Kinotalente katapultiert.

Nach all dem Jubel, den kreischenden jungen Frauen (und Männern) bei Timothée Chalamet, Jacob Elordi und Robert Pattinson, holt hartgesottene Berlinale-Besucher ja nichts mehr so schnell aus den Kinosesseln. Auch nicht ein Film namens Hysteria, der, oh Schreck, irgendwas mit Koranverbrennung zu tun haben soll.

Aber am Ende dieses Films steht das Publikum im Zoopalast auf und huldigt einem jungen Regisseur, der sich nun endgültig einen Platz unter den wichtigsten jungen Filmemachern erobert hat. Mehmet Akif Büyükatalay heißt er, hat 2019 auf der Berlinale schon mal den Preis als bestes Debüt für Oray gewonnen und hat 2022 den großartigen und mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm Liebe, D-Mark und Tod über die Musik der türkischen Arbeitsmigranten in Deutschland mitgeschrieben und produziert.

Hysteria ist sein zweiter Spielfilm als Drehbuchautor und Regisseur, der schwierigste, wie viele in der Branche sagen. Er läuft nun in der Festivalsektion Panorama. Für ihn sei es die größte Herausforderung seines Lebens gewesen, sagt der 37-Jährige später auf der Bühne, "körperlich, psychisch – und finanziell". 

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Die Geschichte beginnt mit einer Überwachungskamera-Aufnahme, sie zeigt Innenansichten einer Wohnung, ein Zimmer mit Kinderbetten, ein Wohnzimmer, auf dem jemand auf dem Sofa zu schlafen scheint. Dann kracht es, Feuer bricht aus, und alles geht in Flammen auf. Doch es ist nicht die Realität, die der Zuschauer sieht, sondern eine Aufnahme auf einem Filmset. Der Regisseur Yiğit (Serkan Kaya) stellt dort die Geschichte des Brandanschlags von Solingen nach, will aber möglichst viel echtes Gefühl, daher spielen echte Geflüchtete türkische Arbeiter, die beim Aufräumen im verbrannten Schutt mögliche echte Emotionen vor der Kamera produzieren sollen.

Das geschieht auch, aber anders als erwartet. Einer der Statisten entdeckt, dass sich im originalgetreu aufgebauten Filmset auch ein Koran befunden hat, der nun verbrannt ist. Die Empörung der Männer wird vom Filmteam weggewischt, es sei ja nur ein Versehen gewesen, und außerdem: Sollen die doch froh sein, dass sie mal eine Abwechslung vom tristen Alltag in der Geflüchtetenunterkunft haben.

Aus dieser Situation entspinnt sich über gut anderthalb Stunden ein faszinierender Thriller, in dessen Zentrum die junge Regiepraktikantin Elif (Devrim Lingnau) steht, die verantwortlich ist für die brisanten Filmaufnahmen dieses Tages. Es wird weitere Überwachungsaufnahmen geben, mysteriöse Anrufe, kompromittierende Videos und Anrufe beim Kultusministerium. Büyükatalay zieht in seinem Drehbuch an sehr vielen Fäden und lässt seine Figuren und das Publikum zappeln, sich in Vorurteile verstricken und Fallen tappen.  

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Die Verschränkung von Thriller-Elementen und Themen wie Stigmatisierung, Ungleichheit, Rassismus und Machtmissbrauch erinnert an die Filme Das Lehrerzimmer von İlker Çatak oder Ayşe Polats Im toten Winkel. Büyükatalay fügt dem noch Sarkasmus und Selbstironie hinzu.

Eine (Film-)Familie, die alles richtig machen will, aber gleichzeitig selbst in Vorurteilen und Selbstgerechtigkeit versinkt – diese Konstellation ähnelt Tom Tykwers Auftaktfilm Das Licht. Nur dass die Beobachtungen, die Hysteria auf der Leinwand zeigt, viel treffsicherer und schmerzhafter sind. Der Film streut sie aus wie eine Spur aus Brotkrumen, die man begierig verschlingt. Manchmal verschluckt man sich vor Schreck, manchmal lacht man lauthals los. Und am Ende merkt man, dass man sich total verlaufen hat. Wie die Figuren im Film.

Weitere Vorstellungen von "Hysteria": 
17.02. Cubix, 22 Uhr 
18.02. Odeon, 14 Uhr
18.02. Filmtheater am Friedrichshain, 21.45 Uhr
21.02. Zoo Palast, 21.30 Uhr

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"Er ist ein Mensch. Das hier ist ein Notfall"

Am 7. Oktober 2023 wurde der israelische Schauspieler David Cunio von der Hamas entführt. Auf der Berlinale widmet ihm der Regisseur Tom Shoval nun einen filmischen Brief. Meine Kollegin Marlene Knobloch hat während des Festivals mit Shoval gesprochen. Er sagt über seinen Film A Letter to David: "Ich kann mir keinen besseren Ort für die Premiere als die Berlinale vorstellen". 

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Jeder Mensch ist eine Insel

Einst drehte Jan-Ole Gerster den Berlin-Film "Oh Boy", jetzt debütiert sein Fuerteventura-Film "Islands" auf der Berlinale. Eine ungewöhnliche Murder-Mystery-Geschichte, womöglich sogar ohne Mord.
Am Ende des Tages, wenn alles gesagt ist und alle Experten gehört wurden, ist der beste Sport der Welt natürlich Tennis. Außer man fragt Tom. Als abgehalfterter Tennislehrer (gespielt von Sam Riley) einer ebenso abgehalfterten Hotelanlage schlägt sich das einstige Toptalent durch Leben und Übungsstunden. Leidlich motiviert gibt er seine Anweisungen an Pauschalreisende und deren Kinder, lässt sich anschließend noch zwei, drei Biere bezahlen und bei passender Gelegenheit auch mal auf einen One Night Stand ein. Irgendetwas will der Mann vergessen, aber selbst auf Fuerteventura erinnert ihn offenbar alles daran.

Die Routine des Tennistrainers aus Übungsstunden, heimlichen Schlücken aus der Schnapsflasche (passt praktischerweise genau in eine Tennisballdose) und Koksabstürzen im Waikiki-Club wird aufgebrochen, als eine britische Familie im Hotel ankommt. Tom soll den achtjährigen Anton (Dylan Torrell) trainieren, fühlt sich zu dessen Mutter Anne (Stacy Martin) hingezogen und ärgert sich im Stillen über den großkotzigen Vater Dave (Jack Farthing). In die Disko nimmt er ihn trotzdem mit, wo Dave dann ordentlich abstürzt und am nächsten Morgen nicht wieder auftaucht. Die Polizei befürchtet zunächst einen nächtlichen Badeunfall, wundert sich mit zunehmender Ermittlungsdauer jedoch auch über das Verhalten von Stacy. Die Ehefrau des Vermissten erscheint ungewöhnlich abgeklärt und folglich sehr verdächtig.

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2012 debütierte der Regisseur Jan-Ole Gerster mit dem sehr typischen (und sehr erfolgreichen) Berlin-Film Oh Boy. 13 Jahre später legt er auf dem größten Filmfestival der Stadt einen untypischen Berlinale-Film vor. Islands ist eine Murder-Mystery-Geschichte ohne klassische Mystery und womöglich sogar ohne Mord. Spannung entsteht nicht aus der übersichtlichen Geschichte, sondern aus dem seltsamen Verhältnis zwischen Anne und Tom. Weitgehend teilnahmslos lassen sie die Verdächtigungen der Polizei über sich ergehen, während sie einander immer näher kommen. Als wären sie die einzigen Bewohner eines Wüstenplaneten, bewegen sie sich durch die karge Landschaft auf Fuerteventura. Langsam dämmert einem, dass es eine Vorgeschichte zwischen den beiden gibt. Aber wird das auch  Anne und Tom dämmern?

Einmal scheinen die Taucher, die nach Dave suchen, etwas gefunden zu haben, aber dann zieht der Rettungshubschrauber doch keine Leiche aus dem Meer, sondern ein Dromedar. Die Frau des Gesuchten und der Tennistrainer beobachten den spektakulären Abtransport vom Strand aus. Sie lassen sich keine Gefühlsregung anmerken.

Weitere Vorführungen von "Islands" auf der Berlinale
18.02. Colosseum 1, 18:30 Uhr
19.02. Haus der Kulturen der Welt, 10 Uhr

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Rumstampfen in der wackligen Welt

Die diesjährige Berlinale hat ihren ersten Skandal.
Natürlich kommt es nicht überraschend: Nachdem Tilda Swinton schon am zweiten Tag des Festivals auf einer Pressekonferenz betont hatte, wie sehr sie die Israel-Boykott-Organisation BDS bewundere – die ihrerseits die Berlinale boykottieren wollte –, hatte die Berlinale wenig später ihren jährlichen Aufreger: Der Regisseur Jun Li aus Hongkong las auf der Urania-Bühne die Rede eines iranischen Schauspielers vor, in der Israel, Deutschland und "dem Westen" Völkermord an den Palästinensern vorgeworfen wurde, abgerundet mit der schmissigen Allmachtsfantasie "From the river to the sea!".

Der Berliner Staatsschutz ermittelt, der Zentralrat der Juden ist entsetzt, und der Versuch, es dieses Jahr besser zu machen, indem die neue Leiterin Tricia Tuttle auf dem roten Teppich ein Foto einer israelischen Geisel hochhielt, indem man den Shoah-Regisseur Claude Lanzmann mit einem Dokumentarfilm ehrte, indem man Filme über den 7. Oktober und mit Yalla Parkour einen Film über das Leben im Gazastreifen zeigte, all diese Bemühungen scheinen in den Hintergrund zu rücken. Zu viele stampfen zu gern auf einem Filmfestival herum, als wäre die Welt nicht wacklig genug.

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Wie sinnlos diese Boykottfantasien sind, beweisen die Filme selbst. Da sind etwa die beiden Dokumentationen über den 7. Oktober, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Sie erzählen vom Schicksal der Angehörigen verschleppter Israelis, und sieht man beide Filme an, erkennt man das Ringen dieser Zeit, Mensch gegen Politik. Während A Letter to David des israelischen Regisseurs Tom Shoval ganz persönlich und intim zu seinem Protagonisten David Cunio sprechen will und anhand eines leidenden, dauerrauchenden Zwillingsbruders das grauenhafte Loch zeigt, welches das Massaker der Hamas in die Welt riss, sieht man in Holding Liat einen Vater, der seine Verzweiflung mit politischen Diskussionen betäubt. Er reist in die USA, schwankt innerlich zwischen republikanischen Bibi-Fans und wütenden Palästinensern, streitet sich, schimpft auf Netanjahu und will währenddessen nur seine Tochter in den alten Armen halten.

Beide Filme spiegeln in jeder Sekunde die Gegenwart. In Brandon Kramers und Darren Aronofskys Holding Liat kehrt jene Liat Beinin Atzili gegen Ende zurück, womit sich der Film selbst in die Geschichte einschreibt. Über den Schauspieler David Cunio berichtete kurz nach Shovals Premiere eine zurückgekehrte Geisel, es gebe ein Lebenszeichen. Und immerhin scheint es: So wie die stumpfe Politik Schneisen in dieses Festival zu schlagen versucht, strömen umgekehrt die berührenden Bilder von der Leinwand herab und flirren hinein in die Wirklichkeit.

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Reichenschmaus

"Delicious" zeigt eine Familie im Urlaub, der alles fehlt außer Geld. Die böse Haushälterin hat allzu leichtes Spiel.
Darf man den Plot-Twist eines Films verraten, wenn er sich zaunpfahlwedelnd und lichthupend schon nach wenigen Kinominuten ankündigt? Natürlich nicht. Schon gar nicht bei einem Film wie Delicious, der auf der Berlinale Weltpremiere feiert, den also wirklich noch kein Normalsterblicher gesehen hat vor jenen 600 Gästen, die zur Uraufführung in den Berliner Zoo Palast gekommen sind.

Leider bedeutet das No-Spoilers-Gebot im Fall von Delicious auch, dass es besser wäre, wenn abgesehen von diesen 600 Premierengästen niemand mehr erfahren würde, was in dem Film der Autorin und Regisseurin Nele Mueller-Stöfen passiert. Nach Filmen und Serien der letzten Jahre wie Parasite, Triangle of Sadness, Succession, The Menu und Saltburn ist Delicious zunächst einmal spät dran mit seiner Ferien- und Eat-the-Rich-Satire. Schwerer aber wiegt, dass das von Netflix koproduzierte Projekt seine Geschichte im Urlaubsmodus erzählt.

Abschalten will die wohlhabende Familie von Esther (Valerie Pachner) und John (Fahri Yardım) in den Frankreichferien, gemeinsam mit ihren Kindern Philipp (Caspar Hoffmann) und Alba (Naila Schuberth, bekannt aus Liebes Kind) steigen sie im Haus von Esthers Eltern ab. Schon am ersten Tag gelingt es der Familie, das von Ameisen und Nagetieren befallene Anwesen auf bemerkenswerte Weise zu verdrecken – den Reichen ist offensichtlich alles egal. Schon am ersten Abend fährt John außerdem nach zwei Drinks zu viel die junge Kellnerin Theodora (Carla Díaz) über den Haufen. Wann gab es eigentlich die letzte Autofahrt in Film und Fernsehen, bei der nichts schiefgegangen ist?

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Theodora kommt mit dem Schrecken und einer Schnittwunde am Arm davon, weshalb Esther für den Rest der Familie beschließt, sie nicht ins Krankenhaus zu bringen, sondern in der eigenen Villa zu versorgen. Big mistake: Der Kinosaal weiß zu diesem Zeitpunkt schon, dass die Urlauber auf einen Scam hereinfallen. Theodora hat den Unfall simuliert, sie gehört zu einer Bande von Motocross-Fahrern, die sich in den Häusern reicher Menschen einzecken. Nach der Erstversorgung durch Esther zwängt sie sich der Familie als neue Haushälterin auf (nach Tom Tykwers Auftaktfilm Das Licht übrigens der zweite deutsche Film über Haushälterinnen in dysfunktionalen Familien). Schnell fädelt Theodora Intrigen zwischen Eltern und Kindern ein, bald schon feiert sie mit ihren Freundinnen und Freunden am Pool des Anwesens.

Delicious erscheint mit dieser Prämisse bereits auserzählt, bevor der Film überhaupt richtig in Gang kommt. Auch dann tut er jedoch wenig dafür, sich von den genannten Vorbildern abzuheben. Bei der Unterwanderung der Familie konzentriert sich Theodora auf die offensichtlichsten Angriffspunkte: die Arbeits- und Handysucht der Mutter, die sexuelle Frustration des Vaters, die Vernachlässigung der Kinder. Um seine Wirkung zu entfalten, verlässt sich Delicious ganz auf seinen finalen Schockeffekt. Der aber – und das kann man dann doch verraten – ist längst nicht so schockierend, wie der Film selbst zu glauben scheint.

Weitere Vorführungen von "Delicious" auf der Berlinale
19.02. Urania, 15.30 Uhr
20.02. Cubix 7, 22 Uhr
21.02. Cubix 9, 22 Uhr
23.02. Cubix 8, 19:.5 Uhr

Auf Netflix ist der Film ab 7. März zu sehen.

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Endlich Ethan

Da ist sie ja, die Schönheit! Inmitten dieses Festivals, das schon immer eher den Glamourfaktor eines Berliner Pilsners hatte, und auf dem filmisch bisher von Regretting Motherhood bis Machtmissbrauch gern politisch Relevantes verhandelt wurde, darf mit Richard Linklaters "Blue Moon" nun schlicht die Kunst selbst funkeln. 
 
Wie gern lässt man sich jetzt in diese Welt fallen, genauer, in Sardi’s Bar, New York, nahe dem Broadway. Rote Ledersessel, ein langer, gut polierter Tresen, am Flügel spielt ein Soldat auf Heimaturlaub Jazz. Es ist 1943 und an der Bar sitzt der Songwriter Lorenz Hart, gespielt von Ethan Hawke, irgendwo zwischen Abstieg und Lebenstiefpunkt. Die größten Erfolge liegen hinter ihm, weltberühmte Klassiker wie My Funny Valentine oder Blue Moon. Sein Rücken ist krumm, das Gesicht faltig, die Augen gieren nach der Flasche Brandy, während er aus Casablanca zitiert, Pointen übers Leben Richtung Barmann feuert, liebevoll sein Schnapsglas betrachtet und sich fragt, wie in so ein kleines Glas so viel Schönheit passt.

Ähnliches kann man sich über den Film fragen: Wie passt so viel Witz, Tragik und Leichtigkeit in eine Bar, in einen einzigen Abend? Es ist ein leicht dahinfliegendes Kammerspiel, etwa eineinhalb Stunden wird man diese Bar nicht verlassen, hört Ethan Hawkes Monologen über gute und schlechte Musicals zu, sieht ihn im Schatten seines ehemaligen Partners Richard Rodgers (Andrew Scott) leiden, der im Sardi’s die Premiere seines neuen Musicals Oklahoma! feiert und vor einer entzückten Partygesellschaft auf die Times-Kritik wartet (sie fällt grandios aus). Dazwischen schleicht die Liebe in Form von Margaret Qualley als junge Kunststudentin Elizabeth.

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"Niemand hat mich je so geliebt", zitiert Lorenz Hart aus Casablanca. Alles ist für diesen Mensch voller Sehnsucht: Hart ist jemand, der in der Weite des Meeres die Antwort auf die Ewigkeit findet, in einem halberigierten Penis ein Versprechen an die Welt liest, der anhand eines Halbtonschritts das ganze Geheimnis eines brillanten Lieds entschlüsselt. Er stürzt sich in schnelle Ideen, alte Filme, alte Songs und nicht zuletzt in den Alkohol, während sein ehemaliger Partner, der Komponist Rodgers, den Karrierehöhepunkt erreicht zu haben scheint. Natürlich verachtet Hart den Erfolg von Oklahoma!, das sei Kunst, die nicht weh tut, Kunst, die nur gefällt (und überhaupt, was soll das Ausrufezeichen!). Blue Moon ist herrlich spitz geschrieben, Robert Kaplows Drehbuch lässt Ethan Hawkes Monologe fliegen. Es lehnt sich an Klassiker, an die Geschichten von berühmten Künstlern an, ohne dabei selbst den Halt zu verlieren.

Fast könnte man bei allem Witz, der Leichtigkeit und dem Jazzpiano glauben, hier ginge es um nicht mehr als einen gescheiterten Künstler. Dabei ist die Frage des Films meeresweit: Muss gute Kunst wehtun? Was ist Eskapismus, was Poesie? Und warum noch mal wollen so viele Menschen gerade Romancebücher lesen? Übrigens ist Kunst, die weh tut, etwas anderes als Kunst über etwas, das weh tut. Das scheinen Künstler gern zu verwechseln.

All das mögen nicht die relevantesten Fragen der Zeit sein, auch keine schnell ausdiskutierten. Aber es sind schöne Fragen. Und die werden gerade dringend gebraucht.

Weitere Vorstellungen von "Blue Moon" auf der Berlinale
19.02. Uber Eats Music Hall, 13 Uhr
19.02. Haus der Kulturen der Welt, 22 Uhr
20.02. Urania, 13 Uhr
23.02. Berlinale Palast, 10 Uhr
 

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Die verlorenen Briefe

Zum Jahrestag des Anschlags von Hanau sind auf der Berlinale zwei Dokumentarfilme zu sehen: "Das deutsche Volk" und "Die Möllner Briefe" handeln von der völligen Empathielosigkeit deutscher Politiker und Behörden gegenüber den Hinterbliebenen.

Bis heute gibt es kein Mahnmal in Hanau für die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags vom 19. Februar 2020. Über den kalten Nichtumgang mit den Überlebenden erzählt Marcin Wierzchowski sehr sensibel in seinem Dokumentarfilm Das deutsche Volk. Fast 30 Jahre zuvor, nach dem rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992, hatten Hunderte Menschen aus ganz Deutschland Briefe des Beileids und der Solidarität an die Hinterbliebenen der drei getöteten Frauen und Kinder geschickt. Doch diese Briefe kamen nie bei der Familie Arslan an. Erst 27 Jahre später entdeckte sie eine Studentin zufällig im Stadtarchiv. In dem beeindruckenden Dokumentarfilm Die Möllner Briefe von Martina Priessner werden sie nun einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Lesen Sie hier die Rezension von Matthias Dell über Die Möllner Briefe und Das deutsche Volk.

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Flik-Flaks in den Trümmern 
"Yalla Parkour" ist ein berührender Film um junge Männer, die im Gaza der Zehnerjahre über die Trümmer der Stadt springen. Nach der Premiere sagt die Regisseurin, sie wollte einfach eine Geschichte erzählen, und trotzdem fallen ein KZ-Vergleich und der Begriff "Genozid".

"Ich möchte, dass es kein Drama gibt und dass alle über Filme sprechen“, hat die neue Festivalchefin Tricia Tuttle vor einer Woche dem RBB gesagt. Nur drängt sich das Drama immer wieder in den Vordergrund. Am Freitag erklärte Tilda Swinton, Preisträgerin des Ehrenbären, ihre Sympathie für den BDS, nach einer Rede des chinesischen Regisseurs Jun Li samt Völkermordvorwurf ermittelt seit Montag der Staatsschutz

Die Stimmung ist also erwartungsgemäß angespannt vor der Premiere des Dokumentarfilms Yalla Parkour, der von einer Gruppe junger Männer erzählt, die in Gaza die waghalsigsten Sprünge trainieren. Er freue sich auf einen "respektvollen Austausch" nach dem Film, betont Michael Stütz, Leiter der Panorama-Sektion, in derYalla Parkour läuft. Die Regisseurin Areeb Zuaiter hofft, man werde ihren Film "with an open mind and an open heart" ansehen. 
 
Yalla Parkour, gedreht 2015 und 2016 in Gaza, später auch in Schweden und den USA, ist eine filmische Unterhaltung zwischen der in den USA lebenden Regisseurin Zuaiter und Ahmed Matar, einem jungen Parkoursportler, der die Sprünge seiner Freunde auf Video festhält. Trotz der leicht plakativen Metapher funktioniert der Film über die Bilder. Die Aufnahmen sind beeindruckend, die jungen Männer, teils noch Kinder, jumpen leichtfüßig von Hauswand zu Hauswand, balancieren im Handstand auf den Balustraden von Hochhäusern, springen über Gräber, Ruinen, machen Flik-Flaks in den Trümmern von Flughäfen und Shoppingmalls.

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Der Film entstand über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren, der aktuelle Krieg in Gaza wird nicht abgebildet. 2014 nahm Zuaiter via Facebook Kontakt zu dem jungen Matar auf, seitdem hätten sie, so erzählt die Regisseurin im anschließenden Publikumsgespräch, teilweise täglich telefoniert. Die Gespräche sind der melancholische Subtext zu den waghalsigen Stunts, die die Jungs vor der Kamera aufnehmen. Zuaiter erzählt, wie sie auf der Suche nach dem glücklichen Lächeln ihrer verstorbenen Mutter sei. In der Diaspora (die Familie zog erst nach Saudi-Arabien, Zuaiter dann in den Libanon und später in die USA), sei dieses Lächeln nach und nach verschwunden. 

Dieses "Lächeln am Strand von Gaza", die Sehnsucht nach einer Heimat, steht im Kontrast zu dem drängenden Wunsch des jungen Sportlers, der nichts als weg will aus der Enge seiner Heimat. 2016 gelingt es Ahmed Matar, nach zahlreichen vergeblichen Versuchen doch ein Visum zu bekommen und nach Schweden zu reisen. Dort tritt er als Parkour-Artist auf und trainiert in einer gut ausgestatteten Turnhalle Kinder, die Gustav heißen. Zu den eindringlichsten Montagen des Films gehören die, in denen man sieht, wie auch in Ahmeds Augen das Funkeln erlischt, in denen auch er hin- und hergerissen wird zwischen der Sicherheit seines Lebens in Schweden und dem Wunsch, seine Familie und Freunde wiederzusehen.
Ahmed Matar und einige seiner ehemaligen Parkour-Freunde sind zur Berlinale gekommen. Es ist ein emotionaler Moment, als sie nach dem Film auf die Bühne treten – einige der Anwesenden habe sie noch nie vorher in Persona gesehen, sagt die Regisseurin. Die Zuschauer im Blue Man Theater wollen von Zuaiter wissen, warum sie gerade diese Sportart ausgewählt hat. Sie antwortet, das Streben nach Freiheit habe für sie im Zentrum gestanden. Parkour werde ja auch free running genannt. Aber das sei in Gaza nicht möglich. "Man nannte es ein Open-Air-Gefängnis, jetzt vielleicht sogar ein Konzentrationslager.” 

Daraufhin meldet sich ein weiterer Mann aus dem Publikum, er sagt, er fände es nicht ganz angebracht, hier in Deutschland von Konzentrationslagern zu sprechen. Außerdem möchte er wissen, warum die Regisseurin nicht die politischen Verantwortlichen in ihrem Film thematisiert habe. Sie habe "nur eine Geschichte erzählen wollen", antwortet Zuaiter auf die zweite Frage. Auf die Frage nach dem KZ-Vergleich geht sie nicht ein. 

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Später wird noch gefragt, wie viele der im Film Beteiligten inzwischen nicht mehr lebten – die Regisseurin nennt fünf Namen, die bis zum Beginn des Schnitts des Films im Jahr 2019 gestorben sind. Ahmed Matar erwähnt seinen besten Freund seit Kindertagen, der beim Versuch, verschüttete Menschen zu retten, bei einem Luftangriff vor einigen Jahren getötet worden sei. Matar spricht von "Genozid". 
Nach knapp einer halben Stunde gehen Zuschauer und Filmschaffende wieder auseinander. Was auf der Bühne passiert ist, korrespondiert nicht ganz mit Zuaiters Behauptung, nur eine Geschichte zu erzählen. Wieder wurde statt über eine Geschichte über einen Konflikt gesprochen, statt über Menschen über politische Fronten. Und es bleibt zu fürchten, dass wieder nicht mehr nur der Film zu den Zuschauerinnen und Zuschauern sprechen wird. 
 
Weitere Vorführungen von "Yalla Parkour“:
20.02. Cubix, 10.30 Uhr
21.02. Zoo Palast, 13 Uhr
22.02. Cubix, 10.30 Uhr

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Carolin Ströbele
Carolin Ströbele
Flik-Flaks in den Trümmern 
„Yalla Parkour“ ist ein berührender Film um junge Männer, die im Gaza der Zehnerjahre über die Trümmer der Stadt springen. Nach der Premiere sagt die Regisseurin, sie wollte einfach eine Geschichte erzählen, und trotzdem fallen ein KZ-Vergleich und der Begriff „Genozid“.„Ich möchte, dass es kein Drama gibt und dass alle über Filme sprechen“, hat die neue Festivalchefin Tricia Tuttle vor einer Woche dem RBB gesagt. Nur drängt sich das Drama immer wieder in den Vordergrund. Am Freitag erklärte Tilda Swinton, Preisträgerin des Ehrenbären, ihre Sympathie für den BDS, nach einer Rede des chinesischen Regisseurs Jun Li samt Völkermordvorwurf ermittelt seit Montag der Staatsschutz
Die Stimmung ist also erwartungsgemäß angespannt vor der Premiere des Dokumentarfilms Yalla Parkour, der von einer Gruppe junger Männer erzählt, die in Gaza die waghalsigsten Sprünge trainieren. Er freue sich auf einen „respektvollen Austausch“ nach dem Film, betont Michael Stütz, Leiter der Panorama-Sektion, in derYalla Parkour läuft. Die Regisseurin Areeb Zuaiter hofft, man werde ihren Film „with an open mind and an open heart“ ansehen. 
 
Yalla Parkour, gedreht 2015 und 2016 in Gaza, später auch in Schweden und den USA, ist eine filmische Unterhaltung zwischen der in den USA lebenden Regisseurin Zuaiter und Ahmed Matar, einem jungen Parkoursportler, der die Sprünge seiner Freunde auf Video festhält. Trotz der leicht plakativen Metapher funktioniert der Film über die Bilder. Die Aufnahmen sind beeindruckend, die jungen Männer, teils noch Kinder, jumpen leichtfüßig von Hauswand zu Hauswand, balancieren im Handstand auf den Balustraden von Hochhäusern, springen über Gräber, Ruinen, machen Flik-Flaks in den Trümmern von Flughäfen und Shoppingmalls.
Ein Handstand auf dem Dachgeländer eines Hochhauses
Ein Handstand auf dem Dachgeländer eines Hochhauses. PK Gaza
Der Film entstand über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren, der aktuelle Krieg in Gaza wird nicht abgebildet. 2014 nahm Zuaiter via Facebook Kontakt zu dem jungen Matar auf, seitdem hätten sie, so erzählt die Regisseurin im anschließenden Publikumsgespräch, teilweise täglich telefoniert. Die Gespräche sind der melancholische Subtext zu den waghalsigen Stunts, die die Jungs vor der Kamera aufnehmen. Zuaiter erzählt, wie sie auf der Suche nach dem glücklichen Lächeln ihrer verstorbenen Mutter sei. In der Diaspora (die Familie zog erst nach Saudi-Arabien, Zuaiter dann in den Libanon und später in die USA), sei dieses Lächeln nach und nach verschwunden. 
Dieses „Lächeln am Strand von Gaza“, die Sehnsucht nach einer Heimat, steht im Kontrast zu dem drängenden Wunsch des jungen Sportlers, der nichts als weg will aus der Enge seiner Heimat. 2016 gelingt es Ahmed Matar, nach zahlreichen vergeblichen Versuchen doch ein Visum zu bekommen und nach Schweden zu reisen. Dort tritt er als Parkour-Artist auf und trainiert in einer gut ausgestatteten Turnhalle Kinder, die Gustav heißen. Zu den eindringlichsten Montagen des Films gehören die, in denen man sieht, wie auch in Ahmeds Augen das Funkeln erlischt, in denen auch er hin- und hergerissen wird zwischen der Sicherheit seines Lebens in Schweden und dem Wunsch, seine Familie und Freunde wiederzusehen.
Ahmed Matar und einige seiner ehemaligen Parkour-Freunde sind zur Berlinale gekommen. Es ist ein emotionaler Moment, als sie nach dem Film auf die Bühne treten – einige der Anwesenden habe sie noch nie vorher in Persona gesehen, sagt die Regisseurin. Die Zuschauer im Blue Man Theater wollen von Zuaiter wissen, warum sie gerade diese Sportart ausgewählt hat. Sie antwortet, das Streben nach Freiheit habe für sie im Zentrum gestanden. Parkour werde ja auch free running genannt. Aber das sei in Gaza nicht möglich. „Man nannte es ein Open-Air-Gefängnis, jetzt vielleicht sogar ein Konzentrationslager.” 

Daraufhin meldet sich ein weiterer Mann aus dem Publikum, er sagt, er fände es nicht ganz angebracht, hier in Deutschland von Konzentrationslagern zu sprechen. Außerdem möchte er wissen, warum die Regisseurin nicht die politischen Verantwortlichen in ihrem Film thematisiert habe. Sie habe „nur eine Geschichte erzählen wollen“, antwortet Zuaiter auf die zweite Frage. Auf die Frage nach dem KZ-Vergleich geht sie nicht ein. 

Auf der Suche nach Zugehörigkeit: die Regisseurin Areeb Zuaiter
Auf der Suche nach Zugehörigkeit: die Regisseurin Areeb Zuaiter . Umit Gulsen
Später wird noch gefragt, wie viele der im Film Beteiligten inzwischen nicht mehr lebten – die Regisseurin nennt fünf Namen, die bis zum Beginn des Schnitts des Films im Jahr 2019 gestorben sind. Ahmed Matar erwähnt seinen besten Freund seit Kindertagen, der beim Versuch, verschüttete Menschen zu retten, bei einem Luftangriff vor einigen Jahren getötet worden sei. Matar spricht von „Genozid“. 
Nach knapp einer halben Stunde gehen Zuschauer und Filmschaffende wieder auseinander. Was auf der Bühne passiert ist, korrespondiert nicht ganz mit Zuaiters Behauptung, nur eine Geschichte zu erzählen. Wieder wurde statt über eine Geschichte über einen Konflikt gesprochen, statt über Menschen über politische Fronten. Und es bleibt zu fürchten, dass wieder nicht mehr nur der Film zu den Zuschauerinnen und Zuschauern sprechen wird. 
 
Weitere Vorführungen von „Yalla Parkour“:
20.02. Cubix, 10.30 Uhr
21.02. Zoo Palast, 13 Uhr
22.02. Cubix, 10.30 Uhr

Carolin Ströbele
Carolin Ströbele

Die verlorenen Briefe

Zum Jahrestag des Anschlags von Hanau sind auf der Berlinale zwei Dokumentarfilme zu sehen: „Das deutsche Volk“ und „Die Möllner Briefe“ handeln von der völligen Empathielosigkeit deutscher Politiker und Behörden gegenüber den Hinterbliebenen.

Bis heute gibt es kein Mahnmal in Hanau für die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags vom 19. Februar 2020. Über den kalten Nichtumgang mit den Überlebenden erzählt Marcin Wierzchowski sehr sensibel in seinem Dokumentarfilm Das deutsche Volk. Fast 30 Jahre zuvor, nach dem rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992, hatten Hunderte Menschen aus ganz Deutschland Briefe des Beileids und der Solidarität an die Hinterbliebenen der drei getöteten Frauen und Kinder geschickt. Doch diese Briefe kamen nie bei der Familie Arslan an. Erst 27 Jahre später entdeckte sie eine Studentin zufällig im Stadtarchiv. In dem beeindruckenden Dokumentarfilm Die Möllner Briefe von Martina Priessner werden sie nun einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Lesen Sie hier die Rezension von Matthias Dell über Die Möllner Briefe und Das deutsche Volk.

Daniel Gerhardt
Daniel Gerhardt

Reichenschmaus

„Delicious“ zeigt eine Familie im Urlaub, der alles fehlt außer Geld. Die böse Haushälterin hat allzu leichtes Spiel.
Darf man den Plot-Twist eines Films verraten, wenn er sich zaunpfahlwedelnd und lichthupend schon nach wenigen Kinominuten ankündigt? Natürlich nicht. Schon gar nicht bei einem Film wie Delicious, der auf der Berlinale Weltpremiere feiert, den also wirklich noch kein Normalsterblicher gesehen hat vor jenen 600 Gästen, die zur Uraufführung in den Berliner Zoo Palast gekommen sind.

Leider bedeutet das No-Spoilers-Gebot im Fall von Delicious auch, dass es besser wäre, wenn abgesehen von diesen 600 Premierengästen niemand mehr erfahren würde, was in dem Film der Autorin und Regisseurin Nele Mueller-Stöfen passiert. Nach Filmen und Serien der letzten Jahre wie Parasite, Triangle of Sadness, Succession, The Menu und Saltburn ist Delicious zunächst einmal spät dran mit seiner Ferien- und Eat-the-Rich-Satire. Schwerer aber wiegt, dass das von Netflix koproduzierte Projekt seine Geschichte im Urlaubsmodus erzählt.

Abschalten will die wohlhabende Familie von Esther (Valerie Pachner) und John (Fahri Yardım) in den Frankreichferien, gemeinsam mit ihren Kindern Philipp (Caspar Hoffmann) und Alba (Naila Schuberth, bekannt aus Liebes Kind) steigen sie im Haus von Esthers Eltern ab. Schon am ersten Tag gelingt es der Familie, das von Ameisen und Nagetieren befallene Anwesen auf bemerkenswerte Weise zu verdrecken – den Reichen ist offensichtlich alles egal. Schon am ersten Abend fährt John außerdem nach zwei Drinks zu viel die junge Kellnerin Theodora (Carla Díaz) über den Haufen. Wann gab es eigentlich die letzte Autofahrt in Film und Fernsehen, bei der nichts schiefgegangen ist?

Theodora kommt mit dem Schrecken und einer Schnittwunde am Arm davon, weshalb Esther für den Rest der Familie beschließt, sie nicht ins Krankenhaus zu bringen, sondern in der eigenen Villa zu versorgen. Big mistake: Der Kinosaal weiß zu diesem Zeitpunkt schon, dass die Urlauber auf einen Scam hereinfallen. Theodora hat den Unfall simuliert, sie gehört zu einer Bande von Motocross-Fahrern, die sich in den Häusern reicher Menschen einzecken. Nach der Erstversorgung durch Esther zwängt sie sich der Familie als neue Haushälterin auf (nach Tom Tykwers Auftaktfilm Das Licht übrigens der zweite deutsche Film über Haushälterinnen in dysfunktionalen Familien). Schnell fädelt Theodora Intrigen zwischen Eltern und Kindern ein, bald schon feiert sie mit ihren Freundinnen und Freunden am Pool des Anwesens.

Delicious erscheint mit dieser Prämisse bereits auserzählt, bevor der Film überhaupt richtig in Gang kommt. Auch dann tut er jedoch wenig dafür, sich von den genannten Vorbildern abzuheben. Bei der Unterwanderung der Familie konzentriert sich Theodora auf die offensichtlichsten Angriffspunkte: die Arbeits- und Handysucht der Mutter, die sexuelle Frustration des Vaters, die Vernachlässigung der Kinder. Um seine Wirkung zu entfalten, verlässt sich Delicious ganz auf seinen finalen Schockeffekt. Der aber – und das kann man dann doch verraten – ist längst nicht so schockierend, wie der Film selbst zu glauben scheint.

Weitere Vorführungen von „Delicious“ auf der Berlinale
19.02. Urania, 15.30 Uhr
20.02. Cubix 7, 22 Uhr
21.02. Cubix 9, 22 Uhr
23.02. Cubix 8, 19:.5 Uhr

Auf Netflix ist der Film ab 7. März zu sehen.

Marlene Knobloch

Endlich Ethan

Da ist sie ja, die Schönheit! Inmitten dieses Festivals, das schon immer eher den Glamourfaktor eines Berliner Pilsners hatte, und auf dem filmisch bisher von Regretting Motherhood bis Machtmissbrauch gern politisch Relevantes verhandelt wurde, darf mit Richard Linklaters „Blue Moon“ nun schlicht die Kunst selbst funkeln. 
 
Wie gern lässt man sich jetzt in diese Welt fallen, genauer, in Sardi’s Bar, New York, nahe dem Broadway. Rote Ledersessel, ein langer, gut polierter Tresen, am Flügel spielt ein Soldat auf Heimaturlaub Jazz. Es ist 1943 und an der Bar sitzt der Songwriter Lorenz Hart, gespielt von Ethan Hawke, irgendwo zwischen Abstieg und Lebenstiefpunkt. Die größten Erfolge liegen hinter ihm, weltberühmte Klassiker wie My Funny Valentine oder Blue Moon. Sein Rücken ist krumm, das Gesicht faltig, die Augen gieren nach der Flasche Brandy, während er aus Casablanca zitiert, Pointen übers Leben Richtung Barmann feuert, liebevoll sein Schnapsglas betrachtet und sich fragt, wie in so ein kleines Glas so viel Schönheit passt.

Ähnliches kann man sich über den Film fragen: Wie passt so viel Witz, Tragik und Leichtigkeit in eine Bar, in einen einzigen Abend? Es ist ein leicht dahinfliegendes Kammerspiel, etwa eineinhalb Stunden wird man diese Bar nicht verlassen, hört Ethan Hawkes Monologen über gute und schlechte Musicals zu, sieht ihn im Schatten seines ehemaligen Partners Richard Rodgers (Andrew Scott) leiden, der im Sardi’s die Premiere seines neuen Musicals Oklahoma! feiert und vor einer entzückten Partygesellschaft auf die Times-Kritik wartet (sie fällt grandios aus). Dazwischen schleicht die Liebe in Form von Margaret Qualley als junge Kunststudentin Elizabeth.

Ethan Hawke, Margaret Qualley und Andrew Scott bei der Berlinale
Ethan Hawke, Margaret Qualley und Andrew Scott bei der Berlinale. Andreas Rentz/Getty Images
„Niemand hat mich je so geliebt“, zitiert Lorenz Hart aus Casablanca. Alles ist für diesen Mensch voller Sehnsucht: Hart ist jemand, der in der Weite des Meeres die Antwort auf die Ewigkeit findet, in einem halberigierten Penis ein Versprechen an die Welt liest, der anhand eines Halbtonschritts das ganze Geheimnis eines brillanten Lieds entschlüsselt. Er stürzt sich in schnelle Ideen, alte Filme, alte Songs und nicht zuletzt in den Alkohol, während sein ehemaliger Partner, der Komponist Rodgers, den Karrierehöhepunkt erreicht zu haben scheint. Natürlich verachtet Hart den Erfolg von Oklahoma!, das sei Kunst, die nicht weh tut, Kunst, die nur gefällt (und überhaupt, was soll das Ausrufezeichen!). Blue Moon ist herrlich spitz geschrieben, Robert Kaplows Drehbuch lässt Ethan Hawkes Monologe fliegen. Es lehnt sich an Klassiker, an die Geschichten von berühmten Künstlern an, ohne dabei selbst den Halt zu verlieren.

Fast könnte man bei allem Witz, der Leichtigkeit und dem Jazzpiano glauben, hier ginge es um nicht mehr als einen gescheiterten Künstler. Dabei ist die Frage des Films meeresweit: Muss gute Kunst wehtun? Was ist Eskapismus, was Poesie? Und warum noch mal wollen so viele Menschen gerade Romancebücher lesen? Übrigens ist Kunst, die weh tut, etwas anderes als Kunst über etwas, das weh tut. Das scheinen Künstler gern zu verwechseln.

All das mögen nicht die relevantesten Fragen der Zeit sein, auch keine schnell ausdiskutierten. Aber es sind schöne Fragen. Und die werden gerade dringend gebraucht.

Weitere Vorstellungen von „Blue Moon“ auf der Berlinale
19.02. Uber Eats Music Hall, 13 Uhr
19.02. Haus der Kulturen der Welt, 22 Uhr
20.02. Urania, 13 Uhr
23.02. Berlinale Palast, 10 Uhr
 

Marlene Knobloch

Rumstampfen in der wackligen Welt

Die diesjährige Berlinale hat ihren ersten Skandal.
Natürlich kommt es nicht überraschend: Nachdem Tilda Swinton schon am zweiten Tag des Festivals auf einer Pressekonferenz betont hatte, wie sehr sie die Israel-Boykott-Organisation BDS bewundere – die ihrerseits die Berlinale boykottieren wollte –, hatte die Berlinale wenig später ihren jährlichen Aufreger: Der Regisseur Jun Li aus Hongkong las auf der Urania-Bühne die Rede eines iranischen Schauspielers vor, in der Israel, Deutschland und „dem Westen“ Völkermord an den Palästinensern vorgeworfen wurde, abgerundet mit der schmissigen Allmachtsfantasie „From the river to the sea!“.Der Berliner Staatsschutz ermittelt, der Zentralrat der Juden ist entsetzt, und der Versuch, es dieses Jahr besser zu machen, indem die neue Leiterin Tricia Tuttle auf dem roten Teppich ein Foto einer israelischen Geisel hochhielt, indem man den Shoah-Regisseur Claude Lanzmann mit einem Dokumentarfilm ehrte, indem man Filme über den 7. Oktober und mit Yalla Parkour einen Film über das Leben im Gazastreifen zeigte, all diese Bemühungen scheinen in den Hintergrund zu rücken. Zu viele stampfen zu gern auf einem Filmfestival herum, als wäre die Welt nicht wacklig genug.
Szene aus "A Letter to David"
Szene aus „A Letter to David“. Yaniv Linton
Wie sinnlos diese Boykottfantasien sind, beweisen die Filme selbst. Da sind etwa die beiden Dokumentationen über den 7. Oktober, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Sie erzählen vom Schicksal der Angehörigen verschleppter Israelis, und sieht man beide Filme an, erkennt man das Ringen dieser Zeit, Mensch gegen Politik. Während A Letter to David des israelischen Regisseurs Tom Shoval ganz persönlich und intim zu seinem Protagonisten David Cunio sprechen will und anhand eines leidenden, dauerrauchenden Zwillingsbruders das grauenhafte Loch zeigt, welches das Massaker der Hamas in die Welt riss, sieht man in Holding Liat einen Vater, der seine Verzweiflung mit politischen Diskussionen betäubt. Er reist in die USA, schwankt innerlich zwischen republikanischen Bibi-Fans und wütenden Palästinensern, streitet sich, schimpft auf Netanjahu und will währenddessen nur seine Tochter in den alten Armen halten.

Beide Filme spiegeln in jeder Sekunde die Gegenwart. In Brandon Kramers und Darren Aronofskys Holding Liat kehrt jene Liat Beinin Atzili gegen Ende zurück, womit sich der Film selbst in die Geschichte einschreibt. Über den Schauspieler David Cunio berichtete kurz nach Shovals Premiere eine zurückgekehrte Geisel, es gebe ein Lebenszeichen. Und immerhin scheint es: So wie die stumpfe Politik Schneisen in dieses Festival zu schlagen versucht, strömen umgekehrt die berührenden Bilder von der Leinwand herab und flirren hinein in die Wirklichkeit.

Daniel Gerhardt
Daniel Gerhardt

Jeder Mensch ist eine Insel

Einst drehte Jan-Ole Gerster den Berlin-Film „Oh Boy“, jetzt debütiert sein Fuerteventura-Film „Islands“ auf der Berlinale. Eine ungewöhnliche Murder-Mystery-Geschichte, womöglich sogar ohne Mord.
Am Ende des Tages, wenn alles gesagt ist und alle Experten gehört wurden, ist der beste Sport der Welt natürlich Tennis. Außer man fragt Tom. Als abgehalfterter Tennislehrer (gespielt von Sam Riley) einer ebenso abgehalfterten Hotelanlage schlägt sich das einstige Toptalent durch Leben und Übungsstunden. Leidlich motiviert gibt er seine Anweisungen an Pauschalreisende und deren Kinder, lässt sich anschließend noch zwei, drei Biere bezahlen und bei passender Gelegenheit auch mal auf einen One Night Stand ein. Irgendetwas will der Mann vergessen, aber selbst auf Fuerteventura erinnert ihn offenbar alles daran.

Die Routine des Tennistrainers aus Übungsstunden, heimlichen Schlücken aus der Schnapsflasche (passt praktischerweise genau in eine Tennisballdose) und Koksabstürzen im Waikiki-Club wird aufgebrochen, als eine britische Familie im Hotel ankommt. Tom soll den achtjährigen Anton (Dylan Torrell) trainieren, fühlt sich zu dessen Mutter Anne (Stacy Martin) hingezogen und ärgert sich im Stillen über den großkotzigen Vater Dave (Jack Farthing). In die Disko nimmt er ihn trotzdem mit, wo Dave dann ordentlich abstürzt und am nächsten Morgen nicht wieder auftaucht. Die Polizei befürchtet zunächst einen nächtlichen Badeunfall, wundert sich mit zunehmender Ermittlungsdauer jedoch auch über das Verhalten von Stacy. Die Ehefrau des Vermissten erscheint ungewöhnlich abgeklärt und folglich sehr verdächtig.

Zerknautschter Tennistrainer: Sam Riley auf der Berlinale
Zerknautschter Tennistrainer: Sam Riley auf der Berlinale. Stefanie Loos/AFP/Getty Images
2012 debütierte der Regisseur Jan-Ole Gerster mit dem sehr typischen (und sehr erfolgreichen) Berlin-Film Oh Boy. 13 Jahre später legt er auf dem größten Filmfestival der Stadt einen untypischen Berlinale-Film vor. Islands ist eine Murder-Mystery-Geschichte ohne klassische Mystery und womöglich sogar ohne Mord. Spannung entsteht nicht aus der übersichtlichen Geschichte, sondern aus dem seltsamen Verhältnis zwischen Anne und Tom. Weitgehend teilnahmslos lassen sie die Verdächtigungen der Polizei über sich ergehen, während sie einander immer näher kommen. Als wären sie die einzigen Bewohner eines Wüstenplaneten, bewegen sie sich durch die karge Landschaft auf Fuerteventura. Langsam dämmert einem, dass es eine Vorgeschichte zwischen den beiden gibt. Aber wird das auch  Anne und Tom dämmern?

Einmal scheinen die Taucher, die nach Dave suchen, etwas gefunden zu haben, aber dann zieht der Rettungshubschrauber doch keine Leiche aus dem Meer, sondern ein Dromedar. Die Frau des Gesuchten und der Tennistrainer beobachten den spektakulären Abtransport vom Strand aus. Sie lassen sich keine Gefühlsregung anmerken.

Weitere Vorführungen von „Islands“ auf der Berlinale
18.02. Colosseum 1, 18:30 Uhr
19.02. Haus der Kulturen der Welt, 10 Uhr

Carolin Ströbele
Carolin Ströbele

„Er ist ein Mensch. Das hier ist ein Notfall“

Am 7. Oktober 2023 wurde der israelische Schauspieler David Cunio von der Hamas entführt. Auf der Berlinale widmet ihm der Regisseur Tom Shoval nun einen filmischen Brief. Meine Kollegin Marlene Knobloch hat während des Festivals mit Shoval gesprochen. Er sagt über seinen Film A Letter to David: „Ich kann mir keinen besseren Ort für die Premiere als die Berlinale vorstellen“. 

Daniel Gerhardt
Daniel Gerhardt

Die Ärztin kommt gleich

„Heldin“ verdichtet eine Spätschicht im Krankenhaus zu einem kämpferischen Film über den Pflegenotstand in der Schweiz. Und wird dann auch noch kurz lustig.
Es ist nur eine Schicht, aber am Ende ist man fix und fertig. Heldin spielt in einem Schweizer Krankenhaus und schafft es nur einmal kurz vor dessen Eingang, über 90 Minuten folgt der Film von Petra Volpe der Krankenpflegerin Floria Lind (Leonie Benesch) bei der Arbeit. Nur zu zweit sind die Schwestern in ihrer Spätschicht, rund 20 Patientinnen und Patienten haben sie zu versorgen und auch noch eine Auszubildende anzulernen. Ärztinnen und Ärzte werden in Heldin ständig gesucht oder angerufen, aber zu sehen sind sie nur in vier kurzen Szenen. Es geht stattdessen um Zugänge, die gelegt, und Demenzkranke, die gefüttert werden müssen, um OP-Vorbereitungen und Vitalwerte, ums Trösten und Vertrösten. Alles Routine so weit.
Leonie Benesch in "Heldin"
Leonie Benesch in „Heldin“. Zodiac Pictures
Ein krebskranker Mann wartet den ganzen Tag über vergeblich auf ein Gespräch mit seiner Ärztin. Ein Privatversicherter führt sich auf, als hätte er ein Fünf-Sterne-Resort gebucht. Die Söhne einer sterbenden Patientin fordern lebenserhaltende Maßnahmen ein, die nicht mehr sinnvoll erscheinen. Eine Frau mit eigener Sauerstoffflasche will immerzu rauchen. Zwischen diesen und anderen Personen hetzt Lind hin und her, zunehmend gestresst, am Ende sogar zittrig. Kurz telefoniert sie mit ihrer Tochter, doch der Ex-Mann drückt das Gespräch weg. Dann klingelt schon wieder das Stationshandy. Die Lesebrille einer längst entlassenen Patientin wird gesucht.
Das quasidokumentarische Konzept von Heldin erscheint nicht besonders originell, doch der Film ist wahnsinnig gut konstruiert. Immer wieder kehrt Lind zu Punkten auf ihrer To-do-Liste zurück, die man als überforderter Zuschauer längst vergessen hatte, dann sieht man sie auf einen Fehler zusteuern und ist kurz perplex, als er wirklich passiert. Der Privatversicherte kommt einem als Arschloch überzeichnet vor, bis er völlig zusammenbricht und dann auch noch den lustigsten Moment des Films, vielleicht sogar der ganzen bisherigen Berlinale ermöglicht. In einem Film über Pflegenotstand.

HELDIN | Der offizielle Trailer | Ab 27. Februar im Kino!
Floria (Leonie Benesch) arbeitet mit viel Leidenschaft und Professionalität als Pflegefachfrau in der Chirurgie eines Schweizer Krankenhauses. Bei ihr sitzt jeder Handgriff, sie hat selbst in Stresssituationen immer ein offenes Ohr für ihre Patientinnen und Patienten und ist im Notfall sofort zur Stelle – idealerweise. Doch in der harten Realität ihres oft schwer kalkulierbaren Alltags sieht das meist anders aus. Als Floria an diesem Tag ihre Spätschicht antritt, fällt auf der voll belegten, unterbesetzten Station eine Kollegin aus. Trotz aller Hektik umsorgt Floria eine schwerkranke Mutter (Lale Yavas) und einen alten Mann (Urs Bihler), der dringend auf seine Diagnose wartet, ebenso fürsorglich und routiniert wie den Privatpatienten (Jürg Plüss) mit all seinen Extrawünschen. Aber dann passiert ihr ein verhängnisvoller Fehler und die Schicht droht völlig aus dem Ruder zu laufen. Ein nervenzerrender Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Regisseurin Petra Volpe (DIE GÖTTLICHE ORDNUNG) greift mit HELDIN ein brandaktuelles Thema auf. Laut WHO ist der weltweite Mangel an Pflegekräften ein globales Gesundheitsrisiko. In Deutschland könnten nach Angaben des Statistischen Bundesamts bis 2029 rund 260.000 Pflegende fehlen. Der Film ist zugleich eine respektvolle Hommage auf alle Pflegekräfte sowie ein packendes Plädoyer für mehr Menschlichkeit und soziales Engagement. Er zeigt nicht zuletzt, wie essenziell eine gute Betreuung im Krankheitsfall für uns alle ist. Hauptdarstellerin Leonie Benesch (DAS LEHRERZIMMER, SEPTEMBER 5) beeindruckt mit ihrer kraftvollen und fesselnden Darstellung, die das Kinopublikum atemlos lässt und uns noch lange nach Filmende begleitet.

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Darum nämlich geht es natürlich, das hat man schon begriffen, wenn in der Auftaktsequenz von Heldin frisch gewaschene Stationskleidung durch eine Fließbandwäscherei rattert. Der Film macht seine Haltung mit alarmierenden Zahlen im Abspann deutlicher, als es nach seinen atemlosen 90 Minuten nötig gewesen wäre, auch der englische Titel Late Shift kommt einem in seiner Nüchternheit passender vor. Aber das ist Detailkram, der sofort wieder vergessen ist, wenn dann im Abspann auch noch Anohni and the Johnsons laufen. 
Weitere Vorführungen von „Heldin“ auf der Berlinale
17.02. Zoo Palast, 21.30 Uhr
18.02. Haus der Berliner Festspiele, 21 Uhr
19.02. JVA Plötzensee, 17 Uhr
21.02. Uber Eats Music Hall, 12.30 Uhr
23.02. Colosseum 1, 21.30 Uhr
In deutschen Kinos ist „Heldin“ ab 27. Februar zu sehen.

Carolin Ströbele
Carolin Ströbele

Jetzt auch mal Standing Ovations

„Hysteria“ heißt der Film, der auf der Berlinale viele aus den Sesseln haut. Und seinen Regisseur und Autor Mehmet Akif Büyükatalay endgültig in die Riege der spannendsten jungen Kinotalente katapultiert.Nach all dem Jubel, den kreischenden jungen Frauen (und Männern) bei Timothée Chalamet, Jacob Elordi und Robert Pattinson, holt hartgesottene Berlinale-Besucher ja nichts mehr so schnell aus den Kinosesseln. Auch nicht ein Film namens Hysteria, der, oh Schreck, irgendwas mit Koranverbrennung zu tun haben soll.

Aber am Ende dieses Films steht das Publikum im Zoopalast auf und huldigt einem jungen Regisseur, der sich nun endgültig einen Platz unter den wichtigsten jungen Filmemachern erobert hat. Mehmet Akif Büyükatalay heißt er, hat 2019 auf der Berlinale schon mal den Preis als bestes Debüt für Oray gewonnen und hat 2022 den großartigen und mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm Liebe, D-Mark und Tod über die Musik der türkischen Arbeitsmigranten in Deutschland mitgeschrieben und produziert.

Hysteria ist sein zweiter Spielfilm als Drehbuchautor und Regisseur, der schwierigste, wie viele in der Branche sagen. Er läuft nun in der Festivalsektion Panorama. Für ihn sei es die größte Herausforderung seines Lebens gewesen, sagt der 37-Jährige später auf der Bühne, „körperlich, psychisch – und finanziell“. 

Die Geschichte beginnt mit einer Überwachungskamera-Aufnahme, sie zeigt Innenansichten einer Wohnung, ein Zimmer mit Kinderbetten, ein Wohnzimmer, auf dem jemand auf dem Sofa zu schlafen scheint. Dann kracht es, Feuer bricht aus, und alles geht in Flammen auf. Doch es ist nicht die Realität, die der Zuschauer sieht, sondern eine Aufnahme auf einem Filmset. Der Regisseur Yiğit (Serkan Kaya) stellt dort die Geschichte des Brandanschlags von Solingen nach, will aber möglichst viel echtes Gefühl, daher spielen echte Geflüchtete türkische Arbeiter, die beim Aufräumen im verbrannten Schutt mögliche echte Emotionen vor der Kamera produzieren sollen.

Das geschieht auch, aber anders als erwartet. Einer der Statisten entdeckt, dass sich im originalgetreu aufgebauten Filmset auch ein Koran befunden hat, der nun verbrannt ist. Die Empörung der Männer wird vom Filmteam weggewischt, es sei ja nur ein Versehen gewesen, und außerdem: Sollen die doch froh sein, dass sie mal eine Abwechslung vom tristen Alltag in der Geflüchtetenunterkunft haben.

Aus dieser Situation entspinnt sich über gut anderthalb Stunden ein faszinierender Thriller, in dessen Zentrum die junge Regiepraktikantin Elif (Devrim Lingnau) steht, die verantwortlich ist für die brisanten Filmaufnahmen dieses Tages. Es wird weitere Überwachungsaufnahmen geben, mysteriöse Anrufe, kompromittierende Videos und Anrufe beim Kultusministerium. Büyükatalay zieht in seinem Drehbuch an sehr vielen Fäden und lässt seine Figuren und das Publikum zappeln, sich in Vorurteile verstricken und Fallen tappen.  

Die Verschränkung von Thriller-Elementen und Themen wie Stigmatisierung, Ungleichheit, Rassismus und Machtmissbrauch erinnert an die Filme Das Lehrerzimmer von İlker Çatak oder Ayşe Polats Im toten Winkel. Büyükatalay fügt dem noch Sarkasmus und Selbstironie hinzu.

Eine (Film-)Familie, die alles richtig machen will, aber gleichzeitig selbst in Vorurteilen und Selbstgerechtigkeit versinkt – diese Konstellation ähnelt Tom Tykwers Auftaktfilm Das Licht. Nur dass die Beobachtungen, die Hysteria auf der Leinwand zeigt, viel treffsicherer und schmerzhafter sind. Der Film streut sie aus wie eine Spur aus Brotkrumen, die man begierig verschlingt. Manchmal verschluckt man sich vor Schreck, manchmal lacht man lauthals los. Und am Ende merkt man, dass man sich total verlaufen hat. Wie die Figuren im Film.

Weitere Vorstellungen von „Hysteria“: 
17.02. Cubix, 22 Uhr 
18.02. Odeon, 14 Uhr
18.02. Filmtheater am Friedrichshain, 21.45 Uhr
21.02. Zoo Palast, 21.30 Uhr

Daniel Gerhardt
Daniel Gerhardt

Ein Musikjournalist hält den Laden zusammen

„The Köln Concert“ heißt das berühmteste Livealbum der Jazz-Geschichte. „Köln 75“ heißt eine neue Komödie über seine Entstehung. Star des Films ist aber nicht Keith Jarrett.Ziemlich viele Männer tauchen in Köln 75 auf, und die meisten davon sind Deppen. Der Vater der jungen Jazz-Enthusiastin Vera Brandes ist ein Zahnarzt mit sadistischer Ader. Der Bruder hat zumindest die Gemeinheit vom Vater geerbt. Veras Freund ist nicht besonders helle, aber dafür besonders eifersüchtig. Der Tourmanager des Klaviergenies Keith Jarrett hat kein Interesse an Problemlösungen und damit seinen Beruf verfehlt. Der Maestro selbst leidet unter Kunst und Rückenschmerzen, aber am meisten unter seinen Mitmenschen. Ständig reden und denken sie zu laut, stellen ihm den falschen Flügel hin und husten im Konzert seine Geistesblitze kaputt.

Gut also, dass Köln 75 kein Film über Jarrett ist, sondern über Vera Brandes. Im Köln der frühen Siebzigerjahre wird die Schülerin (gespielt von Mala Emde) zur Konzertagentin, emanzipiert sich dank dieser Berufung von ihrem Elternhaus und bringt den einstigen Pianisten von Miles Davis schließlich in die Stadt. Mit seinen Klavierimprovisationen soll Jarrett die Kölner Oper vollkriegen. Ihre Zukunft im Musikgeschäft knüpft Brandes an den Erfolg dieses Vorhabens.

Mala Emde als Vera Brandes in "Köln 75"
Mala Emde als Vera Brandes in „Köln 75“. Wolfgang Ennenbach/One Two Films
Der Regisseur und Autor Ido Fluk hat seinen Spaß mit dieser größtenteils wahren Geschichte. Er legt Köln 75 als Coming-of-Age-Komödie und Hommage an die Kölner Jazz- und Art-Rock-Szene der Siebzigerjahre an, blickt jedoch eher belustigt als ehrfürchtig auf deren Protagonisten. (Wird sicher Ärger geben bei Facebook.) Die Stadt und ihre Clubs sehen etwas zu sauber aus, die Figuren sprechen manchmal zu gegenwärtig. Der Film aber bewegt sich leichtfüßig über solche Schwächen hinweg, kommentiert sein Treiben immer wieder selbstironisch und steckt voller inszenatorischer Miniideen.

Die beste dieser Ideen ist der Musikjournalist Michael Watts (Michael Chernus). In kurzen Einschüben erklärt er, was man im Tonstudio als Fehlstart bezeichnet, führt einmal quer durch die Jazzgeschichte und macht auf einer (erfundenen) Autofahrt mit Jarrett auch die Mühen deutlich, die es den Pianisten (gespielt von John Magaro) kostet, Abend für Abend völlig neue Musik aus dem Nichts zu schöpfen. Ein armes Würstchen bleibt Watts trotzdem, ein Interview mit Jarrett bekommt er nicht, und auch bei einer Zufallsbegegnung mit Brandes holt er sich einen Korb ab. Schwacher Trost für ihn: Seit Almost Famous hat es im Kino keinen so liebenswerten Musikjournalisten mehr gegeben.

Weitere Vorführungen von „Köln 75“ auf der Berlinale
16.02. Haus der Berliner Festspiele, 14 Uhr
17.02. Akademie der Künste, 16 Uhr
18.02. Odeon, 20 Uhr
18.02. Colosseum 1, 21:30 Uhr
21.02. Haus der Berliner Festspiele, 15.15 Uhr
23.02. Uber Eat Music Hall, 10 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 13. März zu sehen.

Daniel Gerhardt
Daniel Gerhardt

Dr. Elordi

Kein Schauspieler brütet schöner als Jacob Elordi. Das Weltkriegsdrama „The Narrow Road to the Deep North“ gibt ihm viele Gründe dafür. Auf der Berlinale feiert die Serie Premiere.
Gleich grübelt er wieder: Jacob Elordi auf seiner Berlinale-Pressekonferenz
Gleich grübelt er wieder: Jacob Elordi auf seiner Berlinale-Pressekonferenz. Sebastian Reuter/Getty Images
The Narrow Road to the Deep North ist eine Serie über offene Rechnungen und Wunden. Im Jahr 1943 gerät der australische Armeearzt Dorrigo Evans (Jacob Elordi) mit seiner Einheit in japanische Kriegsgefangenschaft. Durch den tiefsten thailändischen Dschungel müssen die Männer eine Eisenbahnstrecke für den Feind bauen, während Evans dafür sorgen soll, die lädierten Arbeitskräfte halbwegs am Leben zu halten. Malaria und entzündete Verletzungen quälen die gefangenen Soldaten ebenso wie die brutalen, auch mal mit dem Samuraischwert hantierenden Aufseher. Evans flüchtet sich in Gedanken an seine Affäre mit Amy (Odessa Young), der Ehefrau seines Onkels.
45 Jahre später pult der Arzt Evans (jetzt gespielt von Ciarán Hinds) noch immer in den Wunden seiner Mitmenschen herum. Er gilt als Kriegsheld und risikofreudiger Chirurg: Den Tumor, den er im Bauch einer Patientin auf dem OP-Tisch entdeckt, entfernt er spontan, als müsste er noch immer sekundenschnelle Entscheidungen auf dem Schlachtfeld treffen. Offensichtlich hat Evans den Krieg niemals überwunden, wie sollte er auch, aber ebenso offensichtlich hängt er immer noch den Erinnerungen an Amy nach. Routiniert betrügt er seine Frau Ella (Heather Mitchell), diesmal mit der Frau des Mannes, der ihm bei der Arbeit das Skalpell reicht.
Jacob Elordi und Odessa Young in "The Narrow Road to the Deep North"
Jacob Elordi und Odessa Young in „The Narrow Road to the Deep North“. Curio Pictures
Mit zwei ihrer fünf Folgen feiert die Serie von Drehbuchautor Shaun Grant Weltpremiere auf der Berlinale. Die mit dem Booker Prize ausgezeichnete Romanvorlage von Richard Flanagan muss man gar nicht kennen, um sich auszumalen, wie es in den weiteren Folgen um die Eskalation jahrzehntealter Konflikte gehen wird. Manche davon weisen auf Kriegstraumata zurück, andere auf Familienstreitigkeiten. Beide inszeniert der Regisseur Justin Kurzel mit großer Ernsthaftigkeit und heruntergedrehten Farben. Vor allem mit den Szenen aus dem Gefangenenlager in Thailand versaut er einem fast die Vorfreude auf die neue White-Lotus-Staffel.
Aber Jacob Elordi ist ja auch noch da. Gefühlt habe er sich beim Lesen des Romans, als hätte Richard Flanagan direkt zu ihm gesprochen, sagte Elordi am Rande der Berlinale in einem Interview mit ZEIT-ONLINE-Journalistin Ronja Wirts. Nach seinen Auftritten in Euphoria und Saltburn sowie als derangierter Elvis Presley in Priscilla spielt er wieder einen vergrübelten, abgründigen Mann, den man womöglich etwas mehr mag, als man sollte.
Weitere Vorführungen von „The Narrow Road to the Deep North“ auf der Berlinale:
16.02. Urania, 12.30 Uhr
16.02. Cubix 9, 19.00 Uhr
18.02. Stage Bluemax Theater, 10 Uhr
21.02. Stage Bluemax Theater, 18.30 Uhr

Im Sommer sind alle Folgen der Serie bei Sky und Wow zu sehen.

Katja Nicodemus

Was für ein asseliger Planet

Ist „Mickey 17“ noch Sci-Fi oder schon Realität? Der neue Film des südkoreanischen Oscarpreisträgers Bong Joon Ho mit Robert Pattinson feiert auf der Berlinale Premiere.
Wer ist die beste Version seiner selbst? Robert Pattinson als Mickey 17 und 18 in Bong Joon Hos neuem Film.
Wer ist die beste Version seiner selbst? Robert Pattinson als Mickey 17 und 18 in Bong Joon Hos neuem Film. . 2025 Warner Bros. Entertainment
Während der vergangenen Monate gab es in der Kinobranche ein großes Raunen, Tuscheln, Spekulieren: Würde die Berlinale-Chefin Tricia Tuttle Mickey 17, den neuen Film des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon Ho, an Land ziehen? Würde es ihr gelingen, einen der „glamourösen“ Titel nach Berlin zu holen, die von der internationalen Film-Community flitzebogengespannt erwartet werden?

Fünf Jahre, nachdem Bong Joon Hos klassenkämpferischer Thriller Parasite bei den Oscars abgeräumt hat – sechs Preise, auch für den besten Film –, erlebt Mickey 17 nun tatsächlich seine Weltpremiere im Berlinale-Palast. 

Der Film spielt im Jahr 2054, Robert Pattinson verkörpert (im wahrsten Sinne des Wortes) einen Outcast, der jahrelang in einem gigantischen Raumschiff unterwegs ist. Dort wird er als Versuchskaninchen und wiederverwendbarer Sklave gequält und missbraucht. Mickey ist bereits die 17. Version seiner selbst, er krepiert im Labor an giftigen Gasen, verunglückt bei Reparaturarbeiten im All oder stirbt an tödlichen Erregern auf dem fernen Planeten Niflheim, der kolonisiert werden soll. Nach jedem weiteren Tod wird sein Körper aus den organischen Abfällen des Raumschiffs neu erzeugt und mit einem 3D-Drucker neu geboren. 

Die richtige Soße hält die Welt zusammen: Mark Ruffalo (Mitte) und Toni Collette als Kommandanten-Paar
Die richtige Soße hält die Welt zusammen: Mark Ruffalo (Mitte) und Toni Collette als Kommandanten-Paar. 2025 Warner Bros. Entertainment
Mickey ist ein expendable, ein Entbehrlicher, und Robert Pattinson spielt ihn als freundlichen Toren mit anrührender Verletzlichkeit. Er stolpert, torkelt und kotzt sich durch das retrofuturistische Setting, bis er durch einen Unfall einen Doppelgänger bekommt: Mickey 18 ist da!
In dem Film bleibt Bong Joon Ho seinem liebsten Thema treu: dem Kampf von denen da oben gegen die da unten. Die da oben sind ein präsidial-vulgärer Commander (Mark Ruffalo) und seine Lady-Macbeth-hafte Gattin (Toni Collette). Jeder Auftritt dieses Anführers ist eine Rallye, er schwafelt von menschlichem Abschaum und „Remigration“, vom Nachteil eines „wilden Menschenmix“ auf der Erde im Gegensatz zu einem Neustart für eine weiße Rasse, während seine Frau sich für die Küche interessiert („Saucen sind der Lackmustest für die Zivilisation“).

Mickey 17 handelt von der Würde und Einmaligkeit des einzelnen Menschen. Es gibt eine schöne Liebesgeschichte und abgefahrene Bilder von den Ureinwohnern des Kolonie-Planeten, die aussehen wie eine Mischung aus Riesenassel und Gürteltier. Aber am beeindruckendsten und auf furchterregende Weise niederschmetternd ist der Commander. Mark Ruffalo verleiht ihm die Intonation und den kleingeistigen Größenwahn des gegenwärtigen US-Präsidenten.

Ja, Tricia Tuttle hat es wirklich geschafft: Der meisterwartete Science-Fiction-Film der Saison läuft auf der Berlinale. Aber es gab einmal eine Zeit, in der uns die Kinodystopien wenigstens noch ein bisschen voraus waren.

Weitere Vorführungen von „Mickey 17“:
16.02. Uber Eats Music Hall, 14.30 Uhr
17.02. Urania, 12.15 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 7. März zu sehen.

Carolin Ströbele
Carolin Ströbele

Bob Dylan als Trostpflaster

Timothée Chalamet hellt mit seinem Dylan-Biopic „Like a Complete Unknown“ die Berlinale-Stimmung auf.
Ein Filmfestival ist ein wunderbarer Grund, sich mal kurz auszuklinken. Licht aus, Handy aus, Vorhang auf und zweieinhalb Stunden nichts hören von Krieg, Anschlägen, Wahlkampfgetöse, Sicherheitskonferenzen und all dem. Dann sitzt man aber in einem Film über Bob Dylan und ist doch wieder bei Themen, die erschreckend aktuell erscheinen: Kalter Krieg, Wettrüsten, atomare Bedrohung, Rassismus. Umso erstaunlicher, wie tröstlich Like a Complete Unknown dennoch ist. 

Der Regisseur James Mangold hat das neue Biopic über Dylan gedreht, das heute Abend bei der Berlinale Deutschlandpremiere feiert. Hauptdarsteller und Mitproduzent ist Timothée Chalamet, wie im Film ist er auch auf der Berlinale so etwas wie der lead actor: der Typ, wegen dem heute eine Menge Leute vor dem Hyatt-Hotel herumhängen. Dort hält Chalamet am Nachmittag eine Pressekonferenz ab.

Drinnen stapeln sich statt Fans Journalisten: Kurz sieht es aus, als würde ich gar nicht mehr reinkommen. Schlechtes Karma?

Freut sich über die deepen Fragen in Berlin: Timothée Chalamet
Freut sich über die deepen Fragen in Berlin: Timothée Chalamet. Gerald Matzka/Getty Images
Ich komme dann doch noch rein, rechtzeitig zur ersten Frage: „Wie war es, für die Rolle als Bob Dylan zehn Kilo zunehmen zu müssen?“ Man schämt sich ein bisschen vor Chalamet, aber nur kurz, denn dann kommt eine etwas politischere Frage und Chalamet kontert mit einem „Wow!“ Da merke man doch, dass es in good old Europa um einiges tiefgründiger zugehe als zu Hause in den USA.

Der 29-Jährige ist heiter gestimmt, was gut zu seinem Outfit im BVB-Stil passt: Schnauzer und gelb-schwarz-gestreifter Pulli. Chalamet schafft es, auf jede Frage eine freundliche, absolut nichtssagende Antwort zu geben – nur als ihn eine Journalistin fragt, ob Bob Dylan nicht auch ein super Musical abgegeben hätte, entgleisen ihm kurz die Züge.

The Times, they are a-Changin' : Timothée Chalamet
The Times, they are a-Changin‘ : Timothée Chalamet. 2024 Searchlight Pictures All Rights Reserved
Für die Berlinale ist Like A Complete Unknown in zweierlei Hinsicht ein Geschenk: Der Film hat einen der beliebtesten Filmstars in die Stadt gebracht und ist ein dringend benötigter Stimmungsaufheller. Eine Szene spielt auf dem Höhepunkt der Kubakrise, John F. Kennedy hält am 22. Oktober 1962 eine Fernsehansprache und droht der Sowjetunion im Angriffsfall mit einem atomaren Gegenschlag. In New York führt das zu Panik, Menschen packen ihre Autos, rufen Taxis, auch Joan Baez (Monica Barbaro) rennt mit einem Koffer über die Straßen. Dann stoppt sie vor einem Kellerclub, in dem Bob Dylan gerade vor ein paar Dutzend Leuten spielt und von Männern singt, die Bomben bauen. Das ist natürlich ganz großes Pathos, aber hey: Bitte gebt mir mehr davon, gerade jetzt!

Nicht nur mit dieser Szene fängt Like a Complete Unknown den Geist der gegenkulturellen Sechziger ein. Der Film zeigt eine Welt, die kurz vor dem Untergang zu stehen scheint, aber in der Menschen komponieren, dichten, dagegenhalten. Ein sehr tröstender Moment in einem Februar, der gerade nur durch den Schnee erhellt wird.

Timothée Chalamet auf dem Roten Berlinale-Teppich
Timothée Chalamet auf dem Roten Berlinale-Teppich. Stefanie Loos/AFP/Getty Images
Weitere Vorführungen von „Like a Complete Unknown“ auf der Berlinale
14.02. Uber Eats Music Hall , 21:45 Uhr
15.02. Uber Eats Music Hall, 11:30 Uhr
16.02. Haus der Kulturen der Welt, 22 Uhr
21.02. Zoo Palast, 12:30 Uhr

In deutschen Kinos ist der Film ab 27. Februar zu sehen.

Carolin Ströbele
Carolin Ströbele

Ein Engel für die Engels

Zum dritten Mal eröffnet mit „Das Licht“ ein Film von Tom Tykwer die Berlinale. Aber taugt der auch was?Eigentlich sollte es permanent regnen in Berlin, dann wäre der Übergang zwischen Kinosaal und Realität, nun ja, fließend. Müsste man den Berlinale-Auftaktfilm Das Licht von Tom Tykwer in einem Satz beschreiben, dann so: Es regnet ständig. Also wirklich: ständig, ununterbrochen, in Strömen, aus Kübeln. Und durch den pouring rain radelt Lars Eidinger in einem Plastikungetüm, das mehr nach Ein-Mann-Zelt aussieht als nach Regenjacke. In den Innenaufnahmen ist Eidinger dann meistens nackt, und man fragt sich kurz, ob das Selbstironie ist oder eine ganz natürliche Reaktion: Klatschnasse Kleidung will man ja so schnell wie möglich loswerden.

Freimachen wollte sich ganz offensichtlich auch Tom Tykwer mit diesem Film, seinem ersten seit acht Jahren und nach vier (die fünfte wird gerade fertiggestellt) Staffeln Babylon Berlin. Tykwer ist ja der große Traumtänzer des deutschen Kinos. Das hat etwas Liebenswertes, denn magischen Realismus würde man ohne ihn hierzulande vergeblich suchen. Sein Werk ist der komplette Gegenentwurf zum strengen und bisweilen hyperrealistischen Konzept der sogenannten Berliner Schule, zu der Christian Petzold, Thomas Arslan, Angela Schanelec oder Christoph Hochhäusler zählen. Tykwer, so schien es, preschte in seinen Filmen einfach los, schoss manchmal über das Ziel hinaus, war aber in seinen besten Momenten – etwa in Lola rennt, aber auch in manchen Szenen der ersten Babylon-Berlin-Staffel – ein Regisseur, der sein Publikum emotional berührte.

Lars Eidinger im Ein-Mann-Zelt am Potsdamer Platz
Lars Eidinger im Ein-Mann-Zelt am Potsdamer Platz. Frederic Batier/X Verleih
Das Licht kann man in einer Linie mit diesen beiden Werken sehen, denn auch hier steht wieder die Hauptstadt im Fokus. Während sie bei Lola rennt noch als Abenteuerspielplatz erschien, als Schauplatz einer Geschichte, deren Ausgang sich immer wieder verändert, steuert die kommende Staffel von Babylon Berlin auf die Zeit der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu.

Das Licht nun spielt im Berlin der Gegenwart und erzählt fast drei Stunden lang vom Leben der dysfunktionalen Familie Engel (ja, sie heißt wirklich so). Der Vater (Lars Eidinger) hat hohe Ideale, verkauft diese aber als teure Claims an Großunternehmen. Die Mutter (Nicolette Krebitz), Typ regretting motherhood, versucht die Finanzierung ihres Kindertheaterprojekts in Kenia zu sichern. Der Sohn (Julius Gause) hat sich in seinem Zimmer eine VR-Gaming-Welt geschaffen, der Vater klopft schon lange nicht mehr an die Tür, die Tochter (Elke Biesendorfer) taumelt zwischen Drogenexzessen im Club und Klimaaktivismus. Alle Charaktere sind so auf die Spitze getrieben, dass man sie sofort als Repräsentanten eines liberalen, sich selbst hassenden Bürgertums versteht.

Und hier wird es unangenehm: Tykwer setzt seiner kaputten Familie die Figur der Syrerin Farrah (Tala Al-Deen) entgegen. Diese ist während des Kriegs geflüchtet, hat dabei ihre Familie verloren und heuert nun bei den Engels als Haushälterin an, obwohl sie dafür eindeutig überqualifiziert ist. Sie nähert sich den einzelnen Familienmitgliedern auf eine Weise, wie diese es untereinander schon lange nicht mehr geschafft haben. Die fremde Frau, die von außen heilend auf eine Familie einwirkt, ist ein gängiges Thema im Film. Hier aber wird die Figur auf eine unangenehme Art exotisiert. Sie bleibt die Fremde, die aufgrund ihrer Herkunft, ihres Traumas über besondere Fähigkeiten verfügt, die den Mitgliedern der westlichen Zivilisation abhandengekommen sind. Um das herauszustreichen, wird ihr eine unheimliche Komponente hinzugefügt. Mithilfe einer flackernden Lampe versetzt sie sich und ihre Gegenüber in eine Art Trance. Im Lauf des Films stellt sich heraus, dass sie damit einen Korridor ins Jenseits konstruieren will. Im Berlinale-Programm wird der Film unter dem Tag „Übersinnliches“ verschlagwortet.

Die Familie Engel in Tom Tykwers Film "Das Licht"
Die Familie Engel in Tom Tykwers Film „Das Licht“. Frederic Batier / X Verleih
Würde sich Das Licht konsequent ins Übersinnliche flüchten, wäre das auch in Ordnung. Aber Tykwer verspielt sich in zahllose weitere Genres: da tanzt Nicolette Krebitz plötzlich wie in Emilia Pérez über die Straße, da fliegen junge Leute durch die Luft wie in Tiger & Dragon. Das Licht ist ein Drei-Stunden-Monolith, von allem zu viel. In den Augen mancher Kritiker entspricht das einer seit Jahren gefühlten Überforderung und Gleichzeitigkeit der Dinge.

In Berlin regnet es gerade übrigens nicht, dafür liegt sehr viel Schnee. Und das ist wirklich schön.

Weitere Vorstellungen von „Das Licht“ im Rahmen der Berlinale:
14.02. Uber Eats Music Hall, 18 Uhr
15.02. Haus der Kulturen der Welt, 10 Uhr
15.02. Haus der Berliner Festspiele 20.30 Uhr
16.02. Thalia, Potsdam, 20 Uhr

Marlene Knobloch

Tausend Widersprüche, eine Tilda

Eigentlich passt nichts zusammen an diesem Eröffnungsabend. Nicht die fest geschnürten Lederkorsetts der Berghain-Promis mit dem luftigen, weißen Kleid von Toni Garrn. Nicht das im Schnee frierende Grüppchen aus 30 Leuten und der Armani-Showroom, vor dem sich die Mahnwache für die israelischen Geiseln versammelt hat. Nicht die vielen politischen Forderungen auf Schildern und Schals und das gerade parallel laufende TV-Quadrell zur Bundestagswahl. Vielleicht kann das nur Tilda Swinton gelingen, vielleicht ist Tilda Swinton deswegen auf der Welt, um mit ihren blassen, langen Fingern all die herumfliegenden Schnipsel aus der aufgepeitschten Luft einzufangen.
Enttäuscht muss man feststellen, dass man selbst jemanden wie mich über den Roten Teppich laufen lässt, am Rand lassen die Fotografen ihre Kameras wie welke Blumen hängen. Aber auch das ist die Berlinale, alles etwas legerer, ohne Smoking-Pflicht, mit Geisterfahrern am Roten Teppich. Elyas M’Barek trägt Samtsakko mit passender Samtfliege, Luisa Neubauer marschiert in die nicht unangespannte Gesamtsituation mit Statement-Kleid, auf dem „Donald & Elon & Alice & Friedrich?“ steht, womit die analytische Präzision der bundesrepublikanischen Lage dieses Festivals umrissen wäre. Eine Frau im roten Kleid hält ein Schild hoch, auf dem „Menstruation is a human right“ steht, und während man rätselt, wie genau dieser Satz gemeint sein könnte, erdet Berlins ehemalige Bürgermeisterin Franziska Giffey alles um sich herum mit einem Blumenkleid, das, nun ja, volksnah wirkt.
Luisa Neubauer auf dem Roten Teppich der Berlinale
Luisa Neubauer auf dem Roten Teppich der Berlinale. dpa/Sebastian Gollnow
Auf dem Weg zum Saal begegnet mir Andrea Sawatzki mit Davidstern um den Hals. Sie öffnet ihre Handtasche und zieht ein Schwarz-weiß-Foto raus. Darauf ein lachender Mann, der zwei kleine Kinder umarmt. Das Foto hielt Sawatzki gerade mit Ulrich Matthes, Iris Berben, der Berlinale-Chefin Tricia Tuttle und fünf anderen Mutigen in die Kamera. Es scheinen nicht alle zufrieden über den Verlauf des letztjährigen Festivals, bei dem kaum bis gar nicht über die Tatsache gesprochen wurde, dass ein ehemaliger Berlinale-Teilnehmer am 7. Oktober 2023 von der Hamas als Geisel genommen wurde und wiederholte Bitten der Angehörigen, dies während des Festivals zu thematisieren, ignoriert wurden. Zumindest das lässt sich an diesem Abend sofort erkennen: Ein paar Sachen sollen auf dieser Berlinale anders werden.

Im Saal, nachdem Désirée Nosbusch der Berlinale zum 75. Geburtstag gratuliert, an die Menschen in München erinnert, Tricia Tuttle begrüßt hat und man nicht mehr genau sagen kann in welcher Reihenfolge, tritt schließlich einer unserer Exporterfolge, der Oscar-Preisträger und dieses Jahr wieder Oscar-nominierte Regisseur Edward Berger auf die Bühne, um seine Rede auf Tilda Swinton vorzulesen, der der Goldene Ehrenbär verliehen wird. Einen Brief habe er für Tilda Swinton geschrieben, sagt er, aus Hilflosigkeit. In all ihren Filmen habe er gesucht, in ihrer cineastischen Historie, in ihrer Vorliebe für Regisseure, in ihrer Rollenwahl nach dem Geheimnis, „warum die ganze Welt dich liebt“. Bis er feststellte: „Du bist eine außergewöhnlich schöne Seele, nicht mehr und nicht weniger.“

Selbst Tilda Swinton, die die korallrosa Lippen bis dahin königlich zusammenhielt, bei der nur die zuckenden Mundwinkel verrieten, dass dieser Abend eben nicht noch ein Termin im Kalender eines Filmstars war („Award Berlinale“), sondern dieses Festival, das sie mit 25 Jahren zum ersten Mal besuchte, tatsächlich etwas zu bedeuten schien, selbst dieser meisterlichen Fassungswahrerin steigen Tränen in die Augen. Als Swinton auf die Bühne läuft, springt der Saal auf, Kai Wegner, Claudia Roth, Lars Eidinger, Tom Tykwer, Iris Berben, die Filmprominenz hält ihre Handys hoch, um einen Weltstar zu filmen.

Und es ist nicht besonders originell, sich vor der Filmbranche gegen Donald Trump auszusprechen, gegen „Besetzung, Kolonisierung, Übernahme“ und „Riviera-Grundstücks-Landbesitz“ (tosender Applaus). Und es flirrte schon genug Unheil in diesem Stündchen Gegenwart, bevor Swinton über die „Massenmorde“ sprach, die gerade „mehr als einen Teil der Welt terrorisieren“. Es bleibt doch die Frage, was diese gegenseitige Selbstversicherung bewirkt. Andrerseits hält Swinton dagegen die einfache Tatsache, dass für etwas zu sein, nie bedeutet, gegen irgendjemanden zu sein. Und vor allem hält Swinton gegen das Grauen der Welt das Kino, die Stille, das gemeinsame Fühlen beim Schauen, die Bewunderung für die menschliche Flexibilität, die Kraft des gesprochenen wie nicht gesprochenen Worts, das Wunder der Zeitlosigkeit. „Es tut uns so gut, über die Welt zu staunen.“ Und wahrscheinlich ist das die hilfreichste Antwort auf die Ereignisse dieses verschneiten Eröffnungstags.