Siemens Energy wird mutiger – Fortschritte in dieser Sanierung
Ob das Schlimmste im Windturbinengeschäft der Tochtergesellschaft Gamesa schon ausgestanden ist, kann Christian Bruch noch nicht sagen. Aber die Signale des Energietechnikkonzerns nach den Zahlen zum zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2023/24 (per 30. September) stimmen den Vorstandsvorsitzenden von Siemens Energy zuversichtlich: Die Prognosen werden angehoben und der Aktienkurs sprang am Mittwoch um mehr als 10 Prozent nach oben.
„Der gute Start in das neue Geschäftsjahr wurde fortgesetzt“, sagte Bruch auf der Telefonkonferenz gegenüber Journalisten. Schon im ersten Quartal hatte das durch die Milliardenverluste von Gamesa in den vergangenen Jahren stark belastete Unternehmen mit einem positiven Ergebnis überrascht.
Nun steht abermals unter dem Strich ein Gewinn von 501 Millionen Euro, wozu Veräußerungen von Beteiligungen 331 Millionen Euro beitrugen. Ohne diesen Sondereffekt lag das Ergebnis mit 170 Millionen Euro ebenfalls deutlich über den im Vorjahreszeitraum erzielten 41 Millionen Euro.
Positiver Mittelzufluss
„Die starke Entwicklung im zweiten Quartal zeugt von der anhaltend starken Nachfrage nach unserer Energiewende-Technologie sowie ersten Erfolgen bei der Stabilisierung des Windgeschäfts“, sagte Bruch. Angesichts dieser positiven Entwicklung erhöht der Vorstand nun den Ausblick: Das vergleichbare Umsatzwachstum wird nun im laufenden Geschäftsjahr zwischen 10 und 12 Prozent gesehen nach zuvor 3 bis 7 Prozent.
Die erwartete Ergebnis-Marge vor Sondereffekten wurde auf minus 1 bis plus 1 Prozent angehoben. Bislang hatte der Vorstand mit minus 2 bis plus 1 Prozent gerechnet. Besonders erfreute die Analysten, dass Siemens Energy von einem positiven Mittelzufluss ausgeht: Der Free Cashflow vor Steuern soll bis zu einer Milliarde Euro betragen. Zuvor war ein Mittelabfluss von einer Milliarde Euro befürchtet worden.
Die Prognose für den Gewinn nach Steuern bleibt unverändert bei bis zu einer Milliarde Euro, das auch die Sondergewinne aus Beteiligungsverkäufen von knapp 3 Milliarden Euro berücksichtigt. Operativ bleibt Siemens Energy aufgrund der aufwendigen Gamesa-Sanierung weiterhin in der Verlustzone. Doch dürfte das Ergebnis nun deutlich besser ausfallen als der Rekordverlust von 4,6 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr 2022/23.
Stellenabbau bei Gamesa
Gamesa soll weiterhin die Gewinnzone im Jahr 2026 erreichen. Das erklärt, warum Bruch vorsichtig bleibt. Für ihn hat die Wende im Windgeschäft absolute Priorität. „Aus diesem Grund ergreifen wir zusätzliche Maßnahmen, um die Komplexität zu reduzieren und den Fokus des Geschäfts zu erhöhen“, betonte er.
Das bedeutet auch, dass es bei Gamesa zu einem Stellenabbau kommen wird. Das Ausmaß konnte Bruch noch nicht beziffern. Auf die spanische Tochtergesellschaft entfallen 29.000 der insgesamt 99.000 Konzernmitarbeiter.
Der bisherige Gamesa-Chef Jochen Eickholt (62) wird im gegenseitigem Einvernehmen sein Mandat zum 31. Juli niederlegen und zum 30. September ausscheiden. Nachfolger wird Vinod Philip (50). Unter seiner Leitung wird die Windkraftsparte künftig in die Führungsstruktur des Konzerns integriert und operativ verantwortet.
Neustart bei Landturbinen
Der aufgrund von Qualitätsproblemen ausgesetzte Vertrieb der Windturbinen an Land (Onshore) soll wieder aufgenommen werden. Bei der Turbine 4.X. soll die Vertriebsaufnahme zum Jahresende erfolgen, bei der Turbine 5.X. im kommenden Jahr. Die Vertriebsunterbrechung hat im zweiten Quartal den Auftragseingang deutlich gedrückt. Doch für die zweite Geschäftsjahreshälfte wird für Gamesa ein deutlich höherer Umsatz als im ersten Halbjahr erwartet.
Hier wird auf den fortgesetzten Hochlauf im Offshore-Bereich verwiesen. Das Geschäft mit den Windturbinen auf See war von den Qualitätsproblemen deutlich weniger betroffen. Siemens Energy will an beiden Bereichen festhalten.
Das Onshore-Geschäft soll sich den Unternehmensangaben zufolge künftig auf Märkte konzentrieren, die einen stabilen regulatorischen Rahmen bieten, und in denen Gamesa mit seinen Produktpaletten den Bedarf der Kunden optimal und profitabel decken kann. Das sind Europa und die USA. Sonstige lokale Märkte würden im Neugeschäft nur noch dann bedient, wenn dies wirtschaftlich sinnvoll sei.
„Ungefähr konstanter Personalbestand“
Die Fertigungskapazitäten im Onshore-Bereich wird Siemens Energy an diese Neuausrichtung anpassen. Dabei wird ein über die Jahre ungefähr konstanter Personalbestand bei Gamesa angestrebt. Denn einzelne Bereiche wie zum Beispiel Offshore wachsen. Durch interne Wechsel will Siemens Energy möglichst viel der beabsichtigten Personalreduzierung in den betroffenen Bereichen auffangen.
In den anderen Bereichen Gas, Stromnetzwerke und Industrietransformation konnte Siemens Energy selbst im vergangenen Geschäftsjahr mit positiven Nachrichten aufwarten. Von einer deutlich höheren Nachfrage am Elektrizitätsmarkt berichtete Bruch.
Im Netzwerkgeschäft erwartet der Vorstand nun ein vergleichbares Wachstum der Umsatzerlöse von 32 bis 34 Prozent (bisher 18 bis 22 Prozent). Die Prognose für die Ergebnis-Marge vor Sondereffekten wurde auf 8 bis 10 Prozent (bisher 7 bis 9 Prozent) erhöht.
Staatliche Garantien nötig
Aufgrund der Milliardenverluste bei Gamesa hatte Siemens Energy im vergangenen November staatliche Garantien in Höhe von 7,5 Milliarden Euro benötigt, um den hohen Auftragsbestand (derzeit 119 Milliarden Euro) abarbeiten zu können.
Die Gebühren dafür kosten das Unternehmen in diesem Geschäftsjahr 100 Millionen Euro, wie Finanzvorständin Maria Ferraro mitteilte. Über die gesamte Laufzeit wird ein hoher dreistelliger Millionenbetrag erwartet.