Serie „The Penguin“ im Batman-Universum: Eine ganz andere Geschichte

Wenn Oswald „Oz“ Cobb (Colin Farrell) durch eine finstere Großstadtlandschaft humpelt und im Katz-und-Maus-Spiel zusammen mit Sofia Falcone (Cristin Milioti), verschiedene Mafia-Clans gegeneinander aufhetzt, würde eigentlich kein Zuschauer auf die Idee kommen, dass er gerade eine Spin-off-Serie des letzten Batman-Films sieht. Batman, der Superheld aus dem DC-Comic-Universum, kommt zumindest in den bisher verfügbaren ersten Folgen der aufwendig produzierten HBO-Serie The Penguin gar nicht vor. Mal sehen, ob er am Ende noch wie Kai aus der Kiste springt.

Natürlich erkennt jeder, der Matt Reeves dreistündigen düsteren The Batman (2022) gesehen hat, den von Maskenbildnern eigentlich bis zur Unkenntlichkeit geschminkten Colin Farrell, der dort als „The Penguin“ eine Nebenrolle spielte. Aber die in einem von Überflutung zerstörten Gotham angesiedelte Mafia-Serie hat sonst nichts von der im DC-Universum üblicherweise zelebrierten Moral oder dem Pathos. Im Gegenteil: The Penguin ist ein stilisiertes, atmosphärisch dichtes, stellenweise fast sozialrealistisches Großstadtdrama über organisiertes Verbrechen und den verzweifelten Überlebenskampf jener, die in der Hierarchie keinen guten Platz abbekommen haben.

Davon gibt es drei: Erst mal sind das Oz, der Handlanger des gerade ermordeten Chefs des Falcone-Clans, und dessen Tochter Sofia, die von der Familie in eine psychiatrische Klinik abgeschoben wurde, da sie dem Oberhaupt gefährlich zu werden drohte. Oz war einst der Chauffeur der Mafia-Tochter, die eigentlich das Falcone-Imperium inklusive der ewigen Feindschaft zum Maroni-Clan erben sollte, bevor sie als Sicherheitsrisiko weggesperrt wurde. Nach dem Tod von Carmine Falcone (Mark Strong) entbrennt ein Streit innerhalb des Clans, den Oz zu einem regelrechten Gang-Krieg anheizt. Sofia ist ihm behilflich und zieht gegen ihre Familie in den Krieg. Neben dieser machtpolitischen Eskalation im Mafia-Milieu geht es um die Frage: Wer kontrolliert den Handel mit einer neuen Droge, die in Kellern auf Pilzen gezüchtet und als rotes, sich verflüssigendes Kristall konsumiert wird? Die dritte Person, die im wahrsten Sinn des Wortes um ihr Überleben kämpft, ist der von Oz als Fahrer zwangsrekrutierte, nichtweiße Teenager Victor (Rhenzy Feliz), dessen Familie bei der Überflutung der Armenviertel Gothams zu Tode gekommen ist.

Familienangelegenheiten

Der Verlust von Familie und der Kampf um Angehörige und deren Erbe wird zum zentralen Motiv dieser Serie. Oz kümmert sich um seine demente Mutter im Vorort. Sofia versucht den Suizid ihrer Mutter und den Hass der anderen Falcone-Familienmitglieder zu verarbeiten und entdeckt verstörende Zusammenhänge. Victor muss damit klarkommen, dass sein Viertel abgesoffen ist – wegen der am Ende des Films The Batman durch einen Anschlag verursachten Überflutung – und er keine sozialen Bezugspunkte mehr hat. Diese drei einsamen, verzweifelten und zu viel Gewalt fähigen Figuren verbünden sich, wobei Sofias Feldzug gegen ihre Familie bald zum Kampf einer taffen Frau gegen die alles dominierende männliche Gewalt ihres Clans wird.

The Penguin ist nicht der erste Versuch im DC-Universum, den Genre-Käfig platter Fantastik zu verlassen. Hatte sich schon Joker (2019), dessen Fortsetzung ab 5. Oktober im Kino zu sehen ist, stark von bisherigen DC-Erzählungen abgesetzt, gilt das auch für The Penguin. Diese Filme und Serien der sogenannten DC Elseworlds versuchen die Bekanntheit der Marke zu nutzen, aber noch einmal andere Storys abseits der etablierten Helden zu erzählen.

Sind Spin-off-Serien vielleicht sogar die besseren Fortsetzungen in den Fantastik-Universen, mit denen die Filmindustrie in erprobten Markenprodukt-Linien über Jahrzehnte hinweg Millionen Zuschauer in die Kinos lockt? Ein anderes Beispiel ist die Serie Andor (2022) aus dem Star-Wars-Universum, die nichts mit dem sonstigen „May the Force be with you“-Getue der Sternensaga zu tun hat. Die düstere, politische Serie mit antifaschistischem Drall gegen das Empire inklusive Straßenschlachten gegen imperiale Riot-Cops verzichtet weitgehend auf den üblichen Fantasy-Apparat von Star Wars. Andor kommt ohne Lichtschwerter, Jedis und schwebende Geister aus. Stattdessen wird die revolutionäre Subjektwerdung von Cassian Andor (Diego Luna) in Szene gesetzt.

Ebenfalls einen eigenen Akzent setzt die Serie Monarch: Legacy of Monsters (2023) auf Apple TV+. Die Spin-off-Serie aus dem „Legendary Pictures/Monsterverse“, das seit 2014 fünf Spielfilme rund um Godzilla und King Kong ins Kino brachte (zuletzt Godzilla x Kong: The New Empire), erzählt von drei jungen Menschen, die plötzlich mitten im globalen Kampf um die Riesenmonster stehen. Statt aggressiver Militärs oder geheimniskrämernder Wissenschaftler, die sich mit dem Phänomen der Dinosaurier-ähnlichen Wesen beschäftigen oder sie exterminatorisch bekämpfen, stehen hier die queere Grundschullehrerin Cate Randa (Anna Sawai, soeben mit dem Emmy für ihren Auftritt in der Serie Shōgun ausgezeichnet) aus der Bay Area, der junge Künstler Kentaro (Ren Watabe) aus Tokio und die junge Schwarze Hackerin May (Kiersey Clemons) im Zentrum der Erzählung. Die Geschichte der Zerstörung San Franciscos durch Godzilla (aus dem Film Godzilla vs. Kong) bleibt zu Beginn im Hintergrund. Davor entrollt die Serie eine spannende japanisch-amerikanische Familiengeschichte, die vor allem auch vom antiasiatischen Rassismus in den USA erzählt. Es geht um Traumata, kulturelle und familiäre Identitäten, aber auch um persönliche Geheimnisse.

So wie Monarch: Legacy of Monsters die actiongeladenen Blockbuster der Godzilla-Reihe konterkariert, werfen Andor und nun auch The Penguin ihre Anker in ganz anderen Gewässern aus. Das ist spannend, zeigt aber einmal mehr, dass die Filmindustrie im Bereich Fantastik große Budgets nur in erprobte Produktlinien steckt.

Eingebetteter Medieninhalt

The Penguin Lauren LeFranc USA 2024, seit 20. September auf Sky, wöchentlich neue Folgen