Serie „Außer Kontrolle“: Die Brutalität welcher Bereitschaftspolizei
Die italienische Serie „Außer Kontrolle“ zeigt eine Polizeieinheit, die die Verfolgung von Gerechtigkeit selbst in die Hand nimmt. Eindrücklich erzählt sie, wie polizeilicher Korpsgeist sich jeder Kontrolle entzieht
Wenn aus Freunden und Helfern verschworene Gegner werden
Foto: Netflix
Als eine Gruppe von Bereitschaftspolizisten aus Rom während einer Demonstration von einer Gruppe Autonomer angegriffen wird, geraten die Beamten in arge Bedrängnis. Nachdem sie den Angriff abgewehrt haben, einer von ihnen aber schwer verletzt liegenbleibt, schalten sie ihre Body-Cams aus, marschieren in der Dunkelheit los und stellen im nahe gelegenen Unterholz einige der Aktivisten, um Rache zu nehmen. Dabei prügeln sie einen jungen Mann ins Koma, der am Ende seinen Verletzungen erliegt.
Die Netflix-Serie Außer Kontrolle erzählt die Geschichte einer zehnköpfigen Polizeieinheit, die durch die nachfolgende Untersuchung der Staatsanwaltschaft zwar unter Druck gerät, aber ganz im Korpsgeist rechter Schläger in Uniform zusammenhält und sich gegenseitig deckt. Das fängt schon damit an, dass die Beamten nach dem Einsatz ihre Schlagstöcke mit Bleiche behandeln, um mögliche DNA-Spuren verschwinden zu lassen. Als Routinevorgang bezeichnet das die junge Polizistin Marta gegenüber dem ermittelnden Staatsanwalt während eines Verhörs lapidar.
Außer Kontrolle basiert lose auf dem Tatsachenroman ACAB des La Repubblica-Journalisten Carlo Bonini. Das Buch erzählt fiktionalisierte Biografien einiger Akteure der berüchtigten, im Vorfeld des G8-Gipfels in Genua gegründeten Einheit VII, der „Dobermann-Meute“ (Bonini), die als eine Art Racheakt in Genua 2001 die Diaz-Schule überfiel und zahlreiche Demonstranten schwer verletzte. Carlo Bonini bettet dieses Ereignis in eine Handlung ein, die auch militante Auseinandersetzungen der Polizei mit rechtsextremen Ultras thematisiert, aber genauso von der neofaschistischen Gesinnung der Beamten erzählt, was unter anderem mit realen Einträgen aus Internetforen belegt wird.
Die sechsteilige Serie stellt nun einige Motive des Romans in einen aktualisierten Kontext. So wird das Kokettieren der Polizisten mit neofaschistischen Positionen in der Serie eher ausgespart. Außer Kontrolle fokussiert vielmehr auf die Gruppendynamik der Polizisten und zeigt, wie ihr Korpsgeist funktioniert. Als der eher linksliberale Michele die Leitung der mobilen Einheit übernimmt, gibt es Ärger, weil er vor Jahren einmal gegen Kollegen aussagte, nachdem diese einen jungen Migranten misshandelt hatten. „Die Ratte“, wie er jetzt von seinen Kollegen genannt wird, passt sich aber bald der als brutal verschrienen römischen mobilen Einheit an.
Der immer wieder von den Beamten beschworene „Krieg“, in dem sich angeblich alle befinden, wird schließlich auch seiner. Nachdem seine Teenager-Tochter vergewaltigt wird, entführen seine Kollegen den vermeintlichen Täter, Sohn eines einflussreichen Anwalts, gegen den der Vater glaubt, juristisch eh nichts ausrichten zu können. Der junge Mann wird von den Sturmhauben tragenden Polizisten gefesselt und von allen mit Baseballschlägern malträtiert. Außer Kontrolle zeigt eindrücklich, wie in der Einheit durch das Wissen über die Verfehlungen anderer Abhängigkeiten erzeugt werden.
Das wird aber nicht platt und eindimensional in Szene gesetzt. Auch bietet die Serie deutlich weniger Straßenschlacht-Ästhetik als es der Trailer vermuten lässt. Außer Kontrolle zeigt Polizisten, die Teil einer gesellschaftlichen Auseinandersetzungen sind und oft mit den gesellschaftspolitischen Zusammenhängen völlig überfordert sind. So wird die Einheit auch einmal zum Schutz einer migrantischen Familie eingesetzt und muss gegen Rassisten kämpfen. Bei anderer Gelegenheit prügeln sie eine Nachbarschaftsversammlung zusammen, die gegen eine illegale Mülldeponie demonstriert. Der alt gediente Mazinga beschließt daraufhin sogar seinen Dienst zu quittieren. Daneben geht es aber auch um Missbrauch und Gewalt in der Familie, um scheiternde Ehen und um die Unfähigkeit einzelner Polizisten soziale Bindungen außerhalb des Arbeitsumfeldes einzugehen. Bei allem Scheitern im Leben bleibt die Polizeieinheit stets als letzte Bastion übrig. Angesichts anhaltender Debatten in vielen Ländern um rechte Netzwerke und undurchdringbaren Korpsgeist in der Polizei, wirft diese Serie eine eher beschreibende, weniger wertende und durchaus sehenswerte Perspektive auf die obskure Welt der Bereitschaftspolizei.