Seoul: Verfassungsgericht in Südkorea bestätigt Absetzung von Präsident Yoon
Der wegen der Verhängung des Kriegsrechts im
Dezember suspendierte südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol ist
endgültig seines Amtes enthoben worden. Das Verfassungsgericht in Seoul
bestätigte den zuvor vom Parlament beschlossenen Antrag zur
Amtsenthebung des rechtskonservativen Politikers. Nun stehen dem Land
Neuwahlen bevor.
Das Gericht begründete sein einstimmig
getroffenes Urteil damit, dass Yoon das Kriegsrecht nicht hätte
verhängen dürfen, weil es keine nationale Krise gab. Außerdem habe er
gegen das Gesetz verstoßen, als er Soldaten zur Nationalversammlung
beorderte, um eine Aufhebung des Kriegsrechts durch das Parlament zu
verhindern.
Südkoreas konservative Regierungspartei teilte mit, die Amtsenthebung zu akzeptieren. „Obwohl es bedauerlich ist, akzeptiert die PPP (People Power Party) die Entscheidung des Verfassungsgerichts und respektiert sie demütig“, sagte Kwon Young Se, Interimsvorsitzender der rechtskonservativen Partei.
Die
seit vier Monaten anhaltende Staatskrise begann in den Abendstunden des
3. Dezembers, als Yoon überraschend und kurzfristig das Kriegsrecht
ausrief. Hintergrund war ein Haushaltsstreit mit den
Oppositionsparteien, die seine Gesetzesvorhaben weitgehend blockiert
hatten. Yoon begründete seine Kriegsrechtsentscheidung unter anderem mit
dem Vorwurf, die linke Opposition agiere staatsfeindlich und sei von
kommunistischen Kräften unterwandert. Beweise gibt es dafür nicht.
Wahlen müssen innerhalb von 60 Tagen stattfinden
Kurz
nach Verhängung des Kriegsrechts schickte der 64 Jahre alte Staatschef
Soldaten zum Parlament in Seoul, um das Gebäude vollständig abzuriegeln.
Laut den Aussagen mehrerer hochrangiger Militärs und Polizeibeamter
befahl Yoon den Soldaten zudem, gezielt Abgeordnete zu verhaften. Yoon
selbst bestreitet den Vorwurf. Trotz der Militärpräsenz gelang es den
Parlamentariern, sich während jener Ausnahmesituation in der
Nationalversammlung einzufinden und in einer hastig einberufenen
Abstimmung das wenige Stunden zuvor verhängte Kriegsrecht wieder
aufzuheben.
Zurzeit führt Ministerpräsident
Han Duck Soo übergangsweise die Amtsgeschäfte des Präsidenten. Han wurde
zwischenzeitlich ebenfalls nach einer Abstimmung in der
Nationalversammlung suspendiert, konnte nach einem Urteil des
Verfassungsgerichts im März aber wieder ins Amt zurückkehren. Han versprach in einer ersten Stellungnahme, er werde alles dafür tun, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten.
Nach
der Bestätigung der am 14. Dezember vom Parlament beschlossenen
Amtsenthebung Yoons in letzter Instanz müssen jetzt innerhalb von 60
Tagen Neuwahlen stattfinden. Als aussichtsreichster Kandidat gilt nach
aktuellen Umfragen der linke Oppositionsführer Lee Jae Myung, der
bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2022 gegen Yoon antrat und nur
knapp unterlag.
Staatskrise belastet Südkoreas Wirtschaft
Die
anhaltende Staatskrise hat nicht nur die politische Reputation der
demokratischen Republik Südkorea beschädigt, sondern auch die Wirtschaft
stark ausgebremst. Die Zentralbank in Seoul korrigierte in den
vergangenen Monaten ihre Wachstumsprognose für das Bruttoinlandsprodukt
wiederholt nach unten, was maßgeblich mit den politischen Ereignissen
zusammenhängt. Ausländische Unternehmen hielten sich aufgrund des
Machtvakuums und fehlender Planbarkeit mit Investitionen stark zurück.
Ob
sich die politische Lage mit dem höchstrichterlichen Urteil nun wieder beruhigt, muss sich noch zeigen. Zum einen haben
sich die politischen Differenzen in der ohnehin polarisierten Gesellschaft
Südkoreas zuletzt weiter vergrößert. Zum anderen wird befürchtet,
dass die Anhänger Yoons den Urteilsspruch des Verfassungsgerichts nicht
akzeptieren und möglicherweise tumultartigen Widerstand leisten könnten.
Seit
Beginn der Staatskrise im Dezember gab es nahezu täglich
Demonstrationen, die nicht immer friedlich blieben. So stürmten wütende
Unterstützer Yoons im Januar ein Gerichtsgebäude in Seoul. Die
Randalierer griffen Polizisten mit Ziegelsteinen und Stahlrohren an, 17
Einsatzkräfte wurden während der Ausschreitungen verletzt.
Am
Freitag war die Gegend rund um das Verfassungsgericht weiträumig
abgesperrt. Mehr als 14.000 Polizisten waren in Seoul im Einsatz, um
gewalttätige Ausschreitungen zu verhindern. Zwar kam es nach dem Richterspruch zu kleineren Demonstrationen von Anhängern und Gegnern Yoons, diese blieben aber zunächst friedlich.
Für
den ehemaligen Staatsanwalt Yoon sind die juristischen
Auseinandersetzungen auch nach dem jüngsten Urteil nicht beendet. Er
muss sich weiterhin in einem Strafprozess verantworten. Die
Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Aufruhr und Machtmissbrauch
vor. Im Falle eines Schuldspruchs würde Yoon eine lebenslängliche
Haftstrafe drohen.