Seltene Erden: „Zum Besten von jeden Rohstoff sollte es in jener EU Fachleute verschenken“
Angesichts der Rohstoffabhängigkeit von China sind immer mehr Rohstoffmanager alarmiert. Seit Februar werden Vormaterialien des Werkstoffs Wolfram aus China heraus nicht mehr exportiert. Das hat deutliche Auswirkungen, beispielsweise in der Werkzeugherstellung, wie Karlheinz Wex, Vorstandsvorsitzender des Metallurgiespezialisten Plansee im Gespräch mit der F.A.Z. erklärt. Anbieter im Westen, die sich auf China verlassen, hätten derzeit Probleme, ihre Produkte fertigen zu können. Vor allem rohstoffintensive oder margenschwache Produkte werden aus diesem Grund teilweise nicht mehr hergestellt. Dazu gehören Wex zufolge Werkzeuge, wie beispielsweise Sägezähne für Kreissägen und Hartmetallmesser für die Holzbearbeitung.
China mischt seit Kurzem sogar bei Wolframschrotten mit, deren Import war bis vor wenigen Monaten verboten. „Sie versuchen, im Westen Material einzukaufen und dann nach China zu führen. Das sehen wir sehr kritisch. Die Politik müsste es untersagen, dass von Westen Richtung China Schrotte fließen.“ Schließlich sei das eine wichtige Rohstoffquelle. Wex erwartet von der Politik entsprechende Rahmenbedingungen, wenn es darum geht, Risiken zu übernehmen, die ein Unternehmen nicht selbst tragen kann. Der Manager bezieht sich dabei auf Minenprojekte und deren Finanzierung. „Da muss die Politik einsteigen, um derlei zum Laufen zu bringen.“
Entkoppelung von China durch alternative Lieferanten
Außerhalb Chinas hat die Plansee Group mit Sitz in Reutte in Tirol die Nase vorn in der Herstellung von Wolfram- und Molybdänprodukten. Diese hochschmelzenden Metalle kommen zum Einsatz, wo herkömmliche Werkstoffe an ihre Grenzen stoßen. Es gibt eine breite Anwendung – von Mikroelektronik über Automobil, Maschinenbau und Medizintechnik. Ob Komponenten für Smartphones oder Computertomographen, Spezialwerkzeuge für Elektroautos oder Schneidewerkzeug für Windeln, dort werden sie eingesetzt.
Plansee erzeugt rund zwölftausend Tonnen Wolframprodukte, das entspricht fast einem Zehntel der globalen Produktion. Zudem ist Plansee Group mit 21 Prozent größter Anteilseigner am chilenischen Unternehmen Molymet , welches über 60.000 Tonnen Molybdän produziert und damit der weltgrößte Verarbeiter von Molybdänkonzentraten ist.
Der österreichische Spezialist für die Nischenwerkstoffe Wolfram und Molybdän koppelt sich von China zum einen durch Lieferverträge mit Minen in Südamerika und auf der Iberischen Halbinsel ab. Zehn Prozent seiner Produktion kommt aus dieser Quelle. Künftig wird die Sangdong-Mine in Südkorea eine Schlüsselrolle spielen. Sie zählt zu den größten Wolfram-Vorkommen auf der Welt und wird vom Unternehmen Almonty lndustries betrieben. Noch vor Jahresende soll sie wieder anlaufen.
Minenprojekte sind immer ein Wagnis
Im kommenden Jahr soll sie bis zu einem Fünftel der Wolframerzkonzentrate außerhalb Chinas liefern, Plansee Group ist mit 13 Prozent größter Anteilseigner von Almonty und hat sich durch langfristige Abnahmeverträge die gesamte Förderung aus der Sangdong-Mine gesichert. Sie wird ein Viertel des Bedarfs von Plansee decken. „Wir bekommen hundert Prozent aus dieser ersten Ausbaustufe von der Sangdong-Mine“, sagt Wex. Plansee hat dieses Projekt finanziell unterstützt – auch mithilfe der KfW und Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB). Schließlich sind Minenprojekte immer ein Wagnis, wie Plansee aus eigener Erfahrung weiß, und verkommen manchmal zu „Schaubergwerken“. Zwar gibt es Probebohrungen. Aber es bleibe ein Risiko, wie ertragreich das Erz ist, sagt Wex. „Das wissen Sie eigentlich immer erst dann, wenn die Mine läuft.“
Von zentralen Einkaufsplattformen zur Beschaffung von Rohstoffen hält er nichts: „Die Probleme oder auch die Herausforderungen sind in den einzelnen Werkstoffen so unterschiedlich, dass man das nicht über eine Plattform lösen kann.“ Vielmehr befürwortet der Spezialist eine Lagerhaltung und mehr Sicherheitsdenken. Er verweist auf Amerika, wo das bei strategischen Werkstoffen der Fall ist. „Wir müssten wahrscheinlich auch in diese Richtung denken, solche Sicherheitsvorräte anzulegen, um auch für bestimmte Situationen gewappnet zu sein.“
Zeichen der Zeit erkannt
Zwar gebe es mit dem „Critical Raw Materials Act“ ein Gesetz, das die Versorgungssicherheit mit kritischen Rohstoffen verbessern soll. Doch kritisiert Wex mangelhafte Einsichten. „Es gibt unterschiedliche Rohstoffabhängigkeiten. Für jeden Rohstoff sollte es in der EU Experten geben, die sich mit der jeweiligen Situation entsprechend auseinandersetzen“, betont der Manager. Im Fall von Wolfram spiele das Recycling eine wichtige Rolle. Aber es gebe auch Rohstoffe ohne diese Möglichkeit. Auf der Basis müssten dann entsprechend Rahmenbedingungen für die Industrie geschaffen werden.
Anders als andere Branchenvertreter hat Plansee rechtzeitig die Abhängigkeit von China erkannt und in der Versorgung vorgebaut. „Für uns war immer diese China-Unabhängigkeit ein ganz wichtiges Thema, das uns jetzt gerade massiv in die Karten spielt in der Versorgungssicherheit“, sagt Wex
„Die Schrottpreise orientieren sich an den Marktpreisen für Wolfram“
Neben dem natürlichen Abbau setzt Plansee auf Recycling. Dabei werden Wolframschrotte in zwei Verfahren wiederaufbereitet – dem chemisch- oder thermisch-physikalischen Prozess. Auf diese Quelle entfallen 90 Prozent. Wolfram ist praktisch unendlich wiederaufbereitbar. Es gibt einen hohen Ausbeutungsgrad. Wex weist auf die vergleichsweise umweltschonende Herstellung dabei hin. „Wiederaufbereitetes Material hat einen deutlich niedrigen CO2-Fußabdruck als Material aus natürlichem Abbau. Wir können heute Produkte zur Gänze aus recyceltem Material herstellen bei gleichbleibender Qualität – aber mit einem fünf- bis sechsfach kleineren CO2-Fußabdruckfaktor im Vergleich zum Material aus der Mine.“
Im Kostenvergleich schneidet die Wiederaufbereitung ähnlich wie die Förderung aus der Mine ab. „Die Schrottpreise orientieren sich an den Marktpreisen für Wolfram“, so der Manager. Es hänge dann davon ab, wie aufwendig es sei, diesen Schrott wieder zu Wolframmaterial umzuarbeiten. In Zeiten von abfallender Konjunktur gibt es tendenziell zu viel Schrotte am Markt. Dann ist der Wolframschrott im Vergleich zum reinen Produkt eher billiger. Plansee betreibt zwei Recyclingstandorte in Finnland und in Österreich. In Deutschland in der Nähe von Landsberg am Lech gibt es einen Logistikstandort für das Recycling.
Automobilindustrie fällt als Abnehmer zurück
Plansee gibt es seit gut hundert Jahren. Gepunktet hat das traditionsreiche Familienunternehmen zunächst mit Wolframdrähten für den Leuchtenspezialisten Osram, der inzwischen Teil des Sensorunternehmens AMS ist. Heute beschäftigt Plansee rund 11.000 Mitarbeiter, davon fast ein Viertel in Reutte in Tirol. Sie erwirtschaften einen Umsatz von zuletzt 2,25 Milliarden Euro mit einer operativen Marge von zehn Prozent.
Das Geschäft läuft derzeit stabil für die Gruppe mit deutlichen Unterschieden in den Abnehmerbranchen. Gut laufe es in der Medizintechnik sowie im Flugzeugbau und der Verteidigungsindustrie, heißt es. Hingegen schwächelt die Nachfrage der Automobilindustrie, Maschinenbau sowie bei Halbleitern.
Risiko Exporterleichterung?
Das Management strebt an, zu den führenden drei Anbietern im Markt zu gehören. „Das schaffen wir heute in knapp 80 Prozent unserer Geschäfte“, erklärt Wex. Wachstumschancen sieht der Plansee-Chef in den USA und vor allem auch in Asien. Angesichts der verschärften Sichtweise auf die Vormachtstellung Chinas bei Rohstoffen profitiert das Tiroler Unternehmen von der Nachfrage nach diesem Wolfram-Vormaterial. „Das große Risiko ist, dass die Exportrestriktionen der Chinesen von heute auf morgen aufgehoben werden mit der Konsequenz, dass wieder der Markt mit billigem Wolfram geflutet wird. Dann stehen wir im Regen. Weil unsere Erfahrung ist, dass es kein Gedächtnis beim Einkäufer gibt.“
Während der Corona-Pandemie hat Plansee kurzfristig die Lieferkette intakt gehalten. Nachdem die Pandemie vorbei war und die Versorgungssicherheit aus China wieder gewährleistet war, hat man sich wieder mit günstigerem chinesischen Material eingedeckt.
Derzeit sind die Langfristperspektiven für Wolfram und Molybdän intakt. Es gebe keine große Gefahr der Substitution, sagt Wex. „Wenn Sie einen Werkstoff brauchen mit wenig Volumen und einem hohen Gewicht, dann kommen Sie an Wolfram nicht vorbei, weil Blei giftig ist. Es gibt keinen Werkstoff, der Wolfram substituieren kann.“
