Selbstdiagnose: Ist dies nur Stress oder schon ADHS?
Haben Sie sich schon mal gefragt, ob Sie ADHS haben? Komische Frage,
könnte man meinen. Wenn man neurodivergent ist, dann wird man doch meist im
Verlauf von Kindheit oder Jugend diagnostiziert. Und wenn nicht, so ist das
Problem, das man hat, vermutlich nicht so groß. Aber weit gefehlt! Landauf und
landab erhalten Frauen neuerdings die Diagnose ADHS. Oder sie diagnostizieren
sich selbst, so nebenbei, während sie etwa YouTube Shorts durchforsten.
Folgt man den Beiträgen, die Instagram und TikTok mir seit Wochen zuspielen,
habe ich ganz sicher ADHS: Ich falte manchmal Wäsche, vergesse dann aber, sie
wegzuräumen. Ich gehe in die Küche und weiß nicht mehr, was ich dort eigentlich
holen wollte. Ich fühle mich häufig überwältigt von meinen Aufgaben und weiß
nicht, wo ich beginnen soll. Ich komme zu spät oder vergesse wichtige Termine
ganz. Ach ja, ich erlebe eine seltsame Form von Paralyse: Angesichts von
unzähligen Optionen weiß ich einfach nicht, was ich wählen soll. Ich suche ewig
nach der richtigen Musik oder dem richtigen Outfit. Ich bin sehr empathisch,
kann die Gefühle der anderen manchmal kaum von meinen trennen, ich leide
buchstäblich mit. All das sind „Charakteristika“ von ADHS, wie die Beiträge
mich wissen lassen. Ein buntes Potpourri an emotionalen, psychischen und
neurologischen Macken. Irre ich, oder scheinen diese Charakteristika etwas
eklektisch? Ich bin mir sicher, dass die meisten Menschen, die diese Liste
leben, bei fast jedem Punkt sagen: Ah, geht mir auch so!
Prompt lese ich unter den Beiträgen, dass sich viele Frauen mit diesen Symptomen
identifizieren können. Und wie praktisch: Die Beiträge informieren nicht nur
über die Störung, die man hat. Sie bieten sogleich Couponcodes für Apps an, die
dabei helfen sollen, das ADHS zu managen. Darüber hinaus gibt es
Ratgeber-E-Books und Tabellen, die wichtige Informationen bieten. Ganz
uneigennützig sind die Beiträge zum Thema also nicht.
In Deutschland erhielt das Thema ADHS bei Frauen erstmals mit Angelina
Boergers Buch Kirmes im Kopf größere Aufmerksamkeit, da boomte es allerdings
bereits in den USA. Boerger beschreibt ADHS als eine verzweifelte Suche nach
Dopamin: Das ADHS-Gehirn benötigt Stimulans und es tut alles dafür, den
Stimulus zu erhalten. Verhaltensweisen, die viel Dopamin erzeugen – etwa Risiken
einzugehen – bringen dem Gehirn den Kick. Umgekehrt erklärt Boerger, dass ihr
für viele alltägliche Dinge, die keinen Kick versprechen, die Motivation fehlt.
Auf die Frage, wie ADHS bei Frauen aussehen könne, erklärt
Boerger in einem Interview: „Sie grübeln, können nicht schlafen, durchdenken
alles tausendmal, werden dadurch unsicher und handlungsunfähig. Viele
entwickeln auch Ängste.“
Ihr fällt selbst auf, dass diese „Symptome“ eher unspezifisch sind. Die
Intensität der Symptome mache den Unterschied zwischen Normalität und
Neurodivergenz.
Nun ist das eine Binse. Ich beobachte an mir beispielsweise, dass ich
mich zwar schon immer davor gedrückt habe, wichtige Dinge endlich anzugehen.
Aber meine Vergesslichkeit oder Ignoranz wuchs in den letzten Jahren
kontinuierlich mit der Zahl meiner Aufgaben und Kinder und Termine. Die
konstante Nutzung von Smartphones hilft ebenso wenig: Ganz oft ertappe ich mich
beim „Doomscrowling“, etwas, das ich mit vierzehn definitiv nicht tat, weil ich
damals gar kein Smartphone besaß. Wie überhaupt die Zahl der Stunden, die ich
arbeitend oder in der Freizeit vor Endgeräten verbrachte, sehr viel kürzer ausfiel.
Grübeln und schlaflose Nächte kenne ich, aber ich kann sie ohne Probleme
schwierigen emotionalen Ereignissen oder schlicht stressigen Zeiten zuordnen.
Mit anderen Worten: Womöglich geht es den „spät diagnostizierten“ Frauen wie
mir – die Symptome waren nicht immer schon da, sie sind das Ergebnis der
Lebensweise. Einer Lebensweise, die vermutlich viele Menschen ziemlich kirre im
Kopf macht.
Haben Sie sich schon mal gefragt, ob Sie ADHS haben? Komische Frage,
könnte man meinen. Wenn man neurodivergent ist, dann wird man doch meist im
Verlauf von Kindheit oder Jugend diagnostiziert. Und wenn nicht, so ist das
Problem, das man hat, vermutlich nicht so groß. Aber weit gefehlt! Landauf und
landab erhalten Frauen neuerdings die Diagnose ADHS. Oder sie diagnostizieren
sich selbst, so nebenbei, während sie etwa YouTube Shorts durchforsten.
Folgt man den Beiträgen, die Instagram und TikTok mir seit Wochen zuspielen,
habe ich ganz sicher ADHS: Ich falte manchmal Wäsche, vergesse dann aber, sie
wegzuräumen. Ich gehe in die Küche und weiß nicht mehr, was ich dort eigentlich
holen wollte. Ich fühle mich häufig überwältigt von meinen Aufgaben und weiß
nicht, wo ich beginnen soll. Ich komme zu spät oder vergesse wichtige Termine
ganz. Ach ja, ich erlebe eine seltsame Form von Paralyse: Angesichts von
unzähligen Optionen weiß ich einfach nicht, was ich wählen soll. Ich suche ewig
nach der richtigen Musik oder dem richtigen Outfit. Ich bin sehr empathisch,
kann die Gefühle der anderen manchmal kaum von meinen trennen, ich leide
buchstäblich mit. All das sind „Charakteristika“ von ADHS, wie die Beiträge
mich wissen lassen. Ein buntes Potpourri an emotionalen, psychischen und
neurologischen Macken. Irre ich, oder scheinen diese Charakteristika etwas
eklektisch? Ich bin mir sicher, dass die meisten Menschen, die diese Liste
leben, bei fast jedem Punkt sagen: Ah, geht mir auch so!