Schwieriges Umfeld: Wie Oettinger welcher Bierflaute trotzt

Für Stefan Blaschak stehen die Zeichen auf Wechsel, trotzdem zeigt er sich als Geschäftsführer der Brauereigruppe Oettinger weiterhin konfliktfreudig. Seit mehreren Monaten streitet er sich mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) über neue Mantel- und Entgelttarifverträge. Doch die Gewerkschaft hat die jüngste Schlichtung platzen lassen und droht nun mit neuen Streiks. „Die Brauerei schließt in Braunschweig einen Betrieb und setzt 150 Leute vor die Tür. In den anderen Betrieben sollen die Leute jetzt die Knochen hinhalten und länger arbeiten“, wettert NGG-Verhandlungsführer Tim Lubecki und legt nach: „Das ist eine Unverschämtheit.“

Blaschak wirft der Gewerkschaft hingegen vor, einem Familienunternehmen in einer krisengeschüttelten Branche aus Eigennutz wirtschaftlich dauerhaft zu schaden. Für eine Einigung hat der Oettinger-Chef Zeit bis Ende Juni 2026. Dann endet Blaschaks Vertrag als Geschäftsführer, den er – wie schon zu seinem Amtsantritt 2023 beabsichtigt – nicht verlängern wird. „Meine Aufgabe bei Oettinger war die strategische Neuausrichtung mit der Rückkehr in die Profitabilität. Das habe ich erreicht“, sagt er im Gespräch mit der F.A.Z. Die vergangenen beiden Jahre seien die profitabelsten seit 15 Jahren gewesen, fügt er hinzu und verweist auf das schwierige Umfeld am Biermarkt: „Das haben wir trotz einer Absatzkrise geschafft.“ Mit dem Auslaufen seines Vertrags sieht er den Zeitpunkt gekommen, die Verantwortung über das Unternehmen zu übergeben.

Bierkonsum geht um mehr als ein Drittel zurück

Der deutsche Biermarkt befindet sich seit Jahren in einer Krise. Der Konsum von Bier und verwandten Getränken ist nach einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger in den vergangenen 31 Jahren um 35 Prozent gesunken. Der Bierausstoß ist seit dem Jahr 2017 um fast ein Zehntel auf 84 Millionen Hektoliter gesunken. „Der Markt wird sich weiter konsolidieren“, ist Blaschak überzeugt. In den nächsten zwei Jahren wird der deutsche Biermarkt nach seiner Prognose um circa zehn Millionen Hektoliter auf einen Ausstoß von 70 Millionen Hektoliter schrumpfen.

Stefan Blaschak
Stefan BlaschakOettinger

Viele Brauereien müssen derzeit schließen oder kämpfen ums Überleben. Jüngstes Beispiel ist die Mannheimer Eichbaum Brauerei, die vor wenigen Wochen Insolvenzantrag stellen musste. Oettinger wird vom größten Hopfenhändler der Welt, Barth Haas, in seinem Jahresbericht mit einem Bierausstoß von 6,5 Millionen Hektolitern im Jahr 2024 als viertgrößter Brauer in Deutschland nach Radeberger, TCB (Frankfurter Brauhaus, Gilde, Feldschlösschen) und Paulaner aufgeführt. Mit Ausnahme von Afrika, wo der Biermarkt noch wächst, sinkt der Absatz im Rest der Welt seit Jahren.

Brauereien unter Druck

Die deutschen Brauereien sieht der Oettinger-Chef unter Druck: Absatzrückgänge bei gleichzeitig steigenden Lohn- und Energiekosten. „Und die Gewerkschaft NGG fordert schon jetzt für 2026 weitere Entgelterhöhungen“, schiebt er hinterher. Die Forderungen sind für Blaschak angesichts der Marktflaute unverständlich: „Wir befinden uns schon längst in einem Brauereisterben. Die entscheidende Frage lautet: Wer wird überleben? Und ist die deutsche Bierbranche im Ausland überhaupt wettbewerbsfähig?“ Nicht zuletzt geht es für ihn da auch um das Reinheitsgebot, das er für richtig hält, aber Kosten verursacht. „Mit Mais und Reis lässt sich Bier einfach billiger brauen.“

Für überlebensfähig hält Blaschak die lokalen Brauereien, die in ihrer Heimat verwurzelt sind. Die dort lebenden Menschen identifizierten sich mit ihrem Bier. Er glaubt aber nicht an mittelgroße, also regionale Brauereien, die versuchen, überregional im Discount-Bereich zu wachsen. Interessant findet er Brauereien mit internationalen Gesellschaftern, mit denen sie den internationalen Weg gehen. Ein Beispiel dafür ist die Paulaner-Brauerei aus München, an der die Schörghuber Gruppe 70 Prozent und der niederländische Braukonzern Heineken 30 Prozent halten.

Kein Interesse an zusätzlichem Volumen

Oettinger sei nicht daran interessiert, um jeden Preis am deutschen Biermarkt Volumen hinzuzukaufen, betont Blaschak. Er erwartet in Deutschland aufgrund der sich abzeichnenden Konsolidierung sicherlich Optionen. „Wir wären in der wirtschaftlichen Lage, diese wahrzunehmen, sie müssten aber zu unserer Strategie passen.“ Oetttinger werde jedoch nicht einfach kaufen, um größer zu werden. „Wir werden unsere Kapazitäten stets an der Marktentwicklung ausrichten“, sagt Blaschak.

„Wir haben die Ertragswende geschafft, indem wir die Banken ausgelistet, unsere Lieferketten neu strukturiert, Auslandsgeschäft akquiriert und die Preise erhöht haben“, lautet Blaschaks Fazit. Mit der Auslistung der Banken meint er die Trennung von früheren Konsortialbanken. Im Ausland spielt Oettinger nach Blaschaks Angaben ohnehin in anderen Preissegmenten. „Zudem haben wir auf Geschäfte verzichtet, die uns Geld gekostet haben“, sagt er und nennt als Beispiel den Discount-Bereich. „Oettinger Getränke hat sich konsequent auf profitables Volumen ausgerichtet.“

Funktionale Getränke als Wachstumschance

Das Unternehmen sieht Blaschak nun so aufgestellt, um in einem rückläufigen Biermarkt profitabel zu bleiben. „Deshalb haben wir den Namen von Oettinger Brauerei in Oettinger Getränke geändert“, sagt der noch amtierende Geschäftsführer. und kündigt an: „Wir wollen über das Bier hinaus Wachstumschancen wahrnehmen.“ Als Beispiel dafür nennt Blaschak Protein-Getränke. „Solche funktionalen Getränke betrachten wir als Wachstumsgelegenheit.“ Die jungen Generationen ernähren sich bewusster und trinken lieber funktionale Getränke als Bier. „Das ist ein langfristiger Trend. Für diese Getränke haben wir unter anderem die Marke „Oe“ gegründet.“

Die mit Billigbier bekannt gewordene Brauerei aus der bayrischen Kleinstadt Oettingen hat nun eine Rezeptur erworben, mit der sie Protein-Bier herstellen kann. Dabei beschränke sich die Rezeptur nicht auf Proteine, sondern biete Potential für viele weitere funktionale Elemente, berichtet Blaschak. In Deutschland dominierten hier noch die Pulver und entsprechende Joghurts, in anderen Ländern hätten sich Protein-Getränke längst etabliert. Derzeit führt Oettiger in Korea ein Protein-Bier ein, dass 0,0 Prozent Alkoholgehalt hat. Sogenannte alkoholfreie Biere haben bis zu 0,5 Prozent Alkoholgehalt. „In Deutschland führen wir derzeit Gespräche mit dem Lebensmitteleinzelhandel über funktionale Getränke. Noch handelt es sich um eine Nische, die aber für uns interessant ist“, sagt Blaschak.

Von Oettinger wird er sich nicht ganz verabschieden, weil er weiterhin Vorstandsvorsitzer des Schweizer Vertriebspartners Oe International AG bleiben und sich um die Strategie der Gruppe kümmern werde. Die Gesellschafter von Oettinger Getränke und Oe International sind seinen Angaben zufolge weitgehend identisch. Oettinger wird seit dem Jahr 2019 nach einem vorangegangenen Erbstreit von der Familie Kollmar vollständig kontrolliert. Sie hält auch die Mehrheit bei Oe International, die im Ausland Oettinger-Marken wie Oettinger, 5,0 Original, Oe oder Karmeliter vertreibt.