Schwieriger Generationenwechsel: Woran die Nachfolgesuche in Familienunternehmen scheitert

Knapp 68.000 Euro Gewinn muss ein Unternehmen im Jahr mindestens erwirtschaften, damit es sich für einen Nachfolger lohnt. Diese Latte legt das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) an, um die Zahl der für eine Übergabe reifen Betriebe zu schätzen. In den kommenden fünf Jahren steht demnach 186.000 Unternehmen ein Wechsel des alternden Inhabers bevor. Von 2026 bis 2030 sind also jährlich 37.200 Übergaben zu erwarten, weil die bisherigen Eigentümerinnen und Eigentümer wegen Alter, Krankheit oder Tod als Geschäftsführer ausscheiden. Das klingt nach viel, doch müssten angesichts der rapiden Alterung der Gesellschaft wohl noch deutlich mehr Übergaben stattfinden. Nur finden viele Unternehmen keinen Nachfolger, weil sie zu wenig Ertrag abwerfen. „Dies führt dazu, dass sich eine Übernahme aus Sicht von Nachfolgeinteressierten seltener lohnt“, sagt IfM-Wissenschaftler Markus Rieger-Fels.
Wegen der schlechten Ertragslage in den vergangenen Jahren stagniert die Zahl der für eine Übergabe tauglichen Unternehmen, obwohl die Zahl der aus demographischen Gründen notwendigen Übergaben steigen sollte. In einer älteren Schätzung für den Zeitraum von 2022 bis 2026 ging das IfM noch von jährlich 800 mehr übergabereifen Unternehmen aus als nun für die kommenden fünf Jahre erwartet werden.
733.000 Unternehmen brauchen bis 2030 einen neuen Eigner
Das IfM rechnet mit insgesamt 3,6 Millionen Unternehmen in Deutschland, von denen 3,2 Millionen Familienunternehmen sind. Familienunternehmen gehören natürlichen Personen und hängen anders als Publikumsgesellschaften stark am persönlichen Wirken ihrer Eigentümer. Die Bonner Ökonomen berücksichtigen für ihre Schätzung, ob Unternehmen profitabel genug sind, um für eine Übernahme zu taugen. Denn nicht jedes Unternehmen, das einen Nachfolger bräuchte, ist attraktiv genug, um einen neuen Eigentümer zu finden. Für 2022 bis 2026 brachten geschätzt 772.000 der damals 3,3 Millionen Familienunternehmen genug Ertrag ein, um in den Augen möglicher Nachfolger attraktiv zu sein. Diese Zahl der übergabewürdigen Unternehmen ist für den bevorstehenden Zeitraum von 2026 bis 2030 auf nur noch 733.000 gesunken.
Wie groß ist die Lücke zwischen den insgesamt überalterten Unternehmen und denen, die eine Chance haben, einen Nachfolger zu finden? Diese Differenz weist die aktuelle IfM-Studie nicht aus. Denn sie schätzt zunächst die Zahl der profitablen Unternehmen, die sich für einen Nachfolger lohnen und filtert in einem zweiten Schritt die Firmen heraus, die nach demographischen Kriterien in den nächsten Jahren einen Generationenwechsel brauchen.
Lieber Unternehmer werden oder anderswo Angestellter bleiben?
Vom Nachfolgermangel betroffen sind laut IfM vor allem Unternehmen, die Dienstleistungen für andere Unternehmen erbringen und damit weniger als 500.000 Euro Umsatz im Jahr erzielen. Es handelt sich um Unternehmen etwa aus den Branchen Logistik, Information, Kommunikation, Finanzen, Versicherung, Immobilien sowie freie Berufe. Je niedriger der Umsatz, desto schwieriger wird es, den laut IfM für eine Nachfolge erforderlichen Mindestgewinn von genau 67.995 Euro zu erzielen.
Wie kommt diese Zahl zustande? Dahinter steht das Konzept der Opportunitätskosten und des kalkulatorischen Unternehmerlohns. Das bedeutet: Ökonomisch denkende Unternehmerinnen und Unternehmer schauen nicht allein darauf, ob unterm Strich genug zum Leben übrig bleibt. Sie vergleichen ihre Erträge auch mit dem potentiellen Einkommen, das sie verdienen könnten, wenn sie als Angestellte für einen anderen Betrieb arbeiten würden.
Ein Spagat zwischen dem Alteigner und eigenen neuen Ideen
Die Profitabilität ist eine notwendige Bedingung für Nachfolger, aber nicht die einzige. Die Nachfolge kann auch an anderen Dingen scheitern als am Geld. So prallen nach Einschätzung von Marc Sonnleitner, Mitgründer und Ko-Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Finvia Capital , beim Generationswechsel im Familienunternehmen nicht selten Welten aufeinander. Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder New Work träfen in der älteren Generation oft auf Zurückhaltung und Skepsis. „Das kann dazu führen, dass sich junge Nachfolger eingeengt fühlen und sich bewusst gegen den Einstieg ins Familienunternehmen entscheiden“, schreibt Sonnleitner in seinem Blog. Der Generationenwechsel sei eine sensible Phase. Junge Nachfolger stünden häufig unter hohem Erwartungsdruck, weil sie das Erbe bewahren und gleichzeitig ihren eigenen Weg gehen sollen. Dabei stießen sie nicht selten auf starre Strukturen oder eine Unternehmenskultur, die nicht mehr zu ihren Vorstellungen passe.
Die meisten Übergaben erwarten die Mittelstandsforscher vom IfM bei Unternehmern, die Dienstleistungen für andere Unternehmen erbringen sowie im produzierenden Gewerbe mit jeweils über 57.000 Wechseln in den kommenden fünf Jahren. Es folgen der Handel mit 37.800 Übergaben und personenbezogene Dienstleister, also etwa Gastronomen, Erzieher, Pfleger, Betreuer, Künstler oder Entertainer mit 18.600 Inhaberwechseln. An letzter Stelle stehen Land- und Forstwirte, Fischer und Fischzüchter mit 14.600 Fällen.
Der Druck auf dem Übernahmekessel steigt nicht nur wegen der Demographie. Viele Unternehmer leiden unter schwacher Konjunktur, Zöllen und Bürokratie, beobachtet Michael Euchner, Partner bei der Beratungsgesellschaft von RSM Ebner Stolz. „Da kann auch den jüngeren Familienmitgliedern die Lust aufs Unternehmertum vergehen“, sagt der Berater. Betroffene übergeben ihren Betrieb stattdessen an Finanzinvestoren oder strategische Käufer, weil sie ihren Angehörigen die Belastung nicht zumuten wollen oder weil die jüngere Generation sich den Stress der Selbständigkeit nicht antun möchte. Auch der Verkauf an erfahrene Manager aus dem eigenen Betrieb sei eine Möglichkeit, denn die kennen das Unternehmen schon von innen. Doch geraten selbst gut bezahlte Führungskräfte an finanzielle Grenzen, wenn sie etwa ein mittelständisches Unternehmen mit 200 Mitarbeitern übernehmen wollen. Wenn die Bank keinen Kredit gibt, kann das Vorhaben scheitern. „Einige Unternehmen werden sich schwer tun, einen Nachfolger zu finden und daher unter Umständen auch vom Markt verschwinden“, befürchtet Euchner.