Schwarz-Grün: In München fühlt man sich nicht verführt

Am Freitag, als der amerikanische Vizepräsident J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz seine denkwürdige Rede hielt, saß Außenministerin Annalena Baerbock, bekanntlich eine Grüne, neben dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und tuschelte immer mal wieder in Richtung von dessen Ohr.

Einen Tag später, beim „Wahlforum“ des „Münchner Merkur“, wurde Baerbock gebeten, den Satz „An Markus Söder bewundere ich …“ zu vervollständigen. Sie nutzte die Chance: „Wie viel der essen kann!“, sagte sie und fügte hinzu: „Und trotzdem sieht er noch so ganz gut aus, ne?“

Geht da kurz vor der Wahl doch noch ein Türchen für Schwarz-Grün auf? Führt die Weltunordnung auch in Deutschland zu unerwarteten Allianzen? Anlass zu derlei Spekulationen gab auch der Auftritt von Kanzlerkandidat Friedrich Merz im sogenannten Quadrell von RTL und ntv am Sonntagabend. Dort bereitete er seine Wähler auf Verhandlungen mit der SPD und den Grünen vor. Beide hätten verstanden, ,,dass sie so nicht weitermachen können“.

Auf den Einwand von Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck und des Moderators, dass CSU-Chef Söder eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen habe, entgegnete Merz: ,,Schönes Spielchen, aber Herr Söder schreibt mir gar nichts vor.“ Söder und er seien sich „vollkommen einig in der Bewertung der Sachfragen“.

Söder vermied zunächst einen öffentlichen Kommentar. Das war im Dezember noch anders gewesen. Nachdem Merz seinerzeit in der Sendung „Maischberger“ nicht ausgeschlossen hatte, dass Habeck in einer möglichen gemeinsamen Bundesregierung wieder Wirtschaftsminister werde, stellte Söder klar: Mit der CSU gebe es „kein Schwarz-Grün, keinen Robert Habeck mehr als Wirtschaftsminister“. Hat sich an dieser Linie etwas geändert?

Die Grünen seien Demokraten, aber kein Partner

Nachforschungen bei der CSU ergaben, dass das nicht der Fall ist. Avancen der Grünen, die offenbar bis hin zu Umarmungen und Wangenküssen reichen, werden von CSU-Vertretern nicht als verführerisch empfunden, sondern eher als Grenzüberschreitung. Merz gesteht man in München zu, dass er in seinen Äußerungen Rücksicht nehmen muss auf Schwarz-Grün-Fans in den eigenen Reihen. Auch wird sein Satz im Quadrell eher als deskriptiv denn als anmaßend bewertet. Es bleibt jedenfalls bei der Einschätzung, die Söder zuletzt im Interview mit der F.A.S. ausbuchstabiert hat.

SonntagsfrageWie stehen die Umfragen vor der Bundestagswahl?
Die Grünen seien „natürlich Demokraten“, sagte der CSU-Chef da, aber die Schnittmengen mit ihnen seien „absolut gering“. Das gelte für die feministische Außenpolitik, vor allem aber für die Migrations-, aber auch die Wirtschafts- und Identitätspolitik. „Mit den Grünen gibt es mehr und nicht weniger Migration.“ Als Beleg dafür gilt der CSU ein jüngster grüner Parteitagsbeschluss zum Familiennachzug.

Während Söder bei den Grünen deren Jugend als permanenten Störfaktor identifiziert hat, setzt er darauf, dass die SPD nach der Wahl eine andere sei, „ohne Olaf Scholz hoffentlich“, wie er der F.A.S. sagte. Mit den Grünen gebe es im Bundesrat keine stabile Mehrheit. „Das sieht mit der SPD und ihren Ministerpräsidenten anders aus.“

Auch lebensweltlich sieht Maurersohn Söder zwischen Union und SPD mehr Schnittmengen als zwischen Union und Grünen. Beide Volksparteien – diesen Status erkennt Söder der SPD zu – seien „keine elitäre NGO-Truppe wie die zum Teil sehr abgehobenen Grünen“. Darüber hinaus glaube eine Mehrheit der Bevölkerung, dass mit der SPD mehr Stabilität möglich ist. „Es sprechen also viele Gründe gegen die Grünen.“

Den aus seiner Sicht vielleicht wichtigsten hat Söder da noch gar nicht genannt: dass ein Liebäugeln mit den Grünen die Union Stimmen kosten könnte, im Osten zumal, aber auch in Bayern, etwa zum Vorteil der Freien Wähler. Wie zum Beweis meldete sich deren Chef Hubert Aiwanger zu Wort: „Merz strebt jetzt ganz offen eine Koalition mit den Grünen an.“ Er sage ganz offen: „Söder schreibt mir gar nichts vor.“ Alle bisherigen Beteuerungen aus der Union seien mithin „Schall und Rauch“. Es drohe Schwarz-Grün.

In der F.A.S. hatte Söder gesagt: „Wir als CSU sind klar gegen Schwarz-Grün.“ Er weiß, die Richtlinienkompetenz eines Kanzlers bezieht sich auf die Regierungsmitglieder, nicht aber auf die Chefs möglicher Koalitionsparteien. Ob er ein Veto gegen Schwarz-Grün einlegen würde? „Ich bin sicher, wir kommen zu einer guten gemeinsamen Entscheidung.“

Source: faz.net