SAP, Deutsche Handelsplatz, Telekom: Der Dax verliert Zugpferde – neue Anführer fehlen

Die sich abschwächende Konjunktur und die sich eintrübende Lage am dortigen Arbeitsmarkt weckt in den USA für die kommenden Quartale die Phantasie auf mehrere Leitzinssenkungen. In der Eurozone fehlen zunächst weitere Impulse durch die EZB. Nicht nur in Europa und der sonstigen Eurozone, sondern auch am deutschen Aktienmarkt gestaltet sich der mittelfristige Übergang der aktuellen Hausse-Bewegung als holprig. Er führt von der vorherigen Phase mit monetären Impulsen hin zu der Phase mit Ertragsphantasien der Unternehmen aufgrund bisher zu schwacher Konjunkturentwicklung.

Am deutschen Aktienmarkt haben einige der vorherigen Zugpferde der Hausse wie SAP , Deutsche Börse , Deutsche Telekom , Hannover Rück und Munich Re ihre technischen Neubewertungs- oder Bilderbuch-Hausse-Trends zumindest zur Seite verlassen. Hinzu kommen außerdem einige Standard­werte wie Beiersdorf , Brenntag und Sym­rise, die ihre vorhandenen Abwärtstrends mit neuen Jahrestiefs fortgesetzt haben. Da sich bei diesen Aktientiteln eine (Teil-)Positionsreduzierung zur Liquiditätsbeschaffung anbietet und andererseits die neuen technischen Zugpferde – noch – fehlen, sollte die schwierige Übergangsphase zunächst erhalten bleiben.

SAP: Neubewertungstrend verlassen

Der Technologiekonzern SAP startete im Oktober 2022 mit Kursen leicht unter 80,0 Euro eine Hausse-Bewegung. Die Ak­tie steckte vorher mehrere Jahre in ei­ner schwankungsintensiven, sehr breiten Seitwärtspendelbewegung mit der mehrfach getesteten Unterstützungszone von 79,0 bis 80,0 Euro und der gestaffelten Widerstandszone von 140 Euro bis 143,30 Euro – im Bereich der alten Allzeithochs – fest.

Vor dem Hintergrund der auslaufenden Gesamtmarkt-Baisse im Oktober 2022 und der unternehmerischen Phantasien im Cloud- und KI-Geschäft etablierte SAP nach dem Abschluss einer kleinen Trading-Bodenformation eine neue Aufwärtsbewegung. Diese hat sich – begleitet von mehreren technischen Investment-Kaufsignalen, zum Beispiel beim Schnitt der 200-Tage-Linie von unten nach oben und beim Verlassen des vorherigen, mittelfristigen Baisse-Trend – zu einem technischen Bilderbuch-Hausse-Trend ausgeweitet. Das weitere übergeordnete Kaufsignal mit dem Sprung über 143,3 Euro etablierte dann einen technischen Neubewertungstrend oberhalb der parallel steigenden 200-Tage-Linie.

DSGVO Platzhalter

Dieser führte den Titel bis auf das Allzeithoch von 283,5 Euro, das eine neue Widerstandszone markiert, und in eine mittelfristig überkaufte Position. Mit dem Abschluss des beschleunigten mittelfris­tigen Aufwärtstrends und zuletzt mit dem Rutsch unter die 200-Tage-Linie sorgten diese tradingorientierten Gewinnmitnahmesignale für eine technische Eintrübung.

Aktuell steht auch der bei 235 Euro liegende Neubewertungstrend zur Dispo­sition. SAP ist damit nach der Neubewertung in eine schwankungsintensive Seitwärtspendelbewegung – mit der Unterstützungszone um 210 Euro und der Widerstandszone bei den neuen Allzeithochs – hineingelaufen. Als erste Konsequenz erhält der Titel einen strategischen Sicherungsstopp bei 208 Euro. Denn sollte die Aktie durch diesen Kursbereich rutschen, wäre aufgrund der anstehenden technischen Eintrübung eine defensive technische Haltung angemessen.

Die technische Gesamtlage signalisiert aber zunächst einen Trading-Markt und damit Trading-Chancen innerhalb dieser neuen Seitwärtspendelbewegung. Es fehlen zurzeit die technischen Hinweise, dass SAP den nächsten mittelfristigen Aufschwung im Dax (und Euro Stoxx 50) wieder als technisches Zugpferd anführen wird, da aus mittelfristiger, technischer Sicht dies erst bei einem Sprung über die Widerstandszone um 283,0 Euro (neues Investment-Kaufsignal) vorliegen wird.

Munich Re: Aus Trading-Box gefallen

Die Aktie von Munich Re befindet sich seit September 2011 und Kursen um 77,8 Euro in einer langfristigen Hausse-Bewegung. Der zentrale, moderate Hausse-Trend liegt dabei erst bei ungefähr 205,0 Euro und hat damit praktisch keinen Einfluss auf das aktuelle Kursverhalten hat. Innerhalb dieser 14-jährigen Hausse-Bewegung hat der Titel ein bemerkenswertes Wechselspiel aus mehrjährigen Seitwärtskonsolidierungen und mehrjährige Aufwärtsschüben durchlaufen. Ausgehend von Kursen um 205,1 Eu­ro im Spätsommer 2022 etablierte der Wert wieder so einen Aufwärtsschub, wobei das Investment-Kaufsignal mit dem Sprung über die Widerstandszone um 284,2 Euro zum Jahreswechsel 2022/2023 die Aktie in eine technische Neubewertung führte.

Ausgehend vom kleinen Zwischentief bei 300,0 Euro im März 2023 etablierte die Aktie einen mittelfristigen Hausse-Trend. Dessen Trendlinie lag genau auf der steigenden 200-Tage-Linie. Den Titel führte es auf Allzeithochs um 615,8 Euro im April 2025. Zuletzt war die Aktie in eine Trading-Box (Unterstützungszone um 545,0 Euro; Widerstandszone an den Allzeithochs) hineingelaufen, die den technischen Charakter eines Trading-Tops aufweist. Deshalb überrascht es nicht, dass Munich Re zuletzt mit einem Gewinnmitnahmesignal sowohl aus dieser Trading-Box als auch aus dem Bilderbuch-Hausse-Trend, der bei 545,0 Euro lag, gefallen ist. Dabei wurde zeitgleich die 200-Tage-Linie von oben nach unten geschnitten.

Auch bei der Munich Re steht nach der Neubewertung der vergangenen Jahre zumindest eine mittelfristige Konsolidierung oder technische Korrektur zum Abbau der unverändert deutlich überkauften Lage an. Es sollte einige Zeit (bedeutet Monate) dauern, bis dieser Abbau vorankommt. Nur in ganz wenigen Fällen wird der vorherige (Bilderbuch-)Hausse-Trend wieder aufgenommen. Deshalb sollte einkalkuliert werden, dass auch Munich Re beim nächsten mittelfristigen Kursaufschwung im Dax (und im Euro Stoxx 50) zunächst nicht zu den technischen Zugpferden gehören sollte.

Der Autor ist Geschäftsführer von Matzke Research.

Source: faz.net