Sanktionen im Rahmen Grundsicherung: Klingbeil kritisiert SPD-Mitgliederbegehren qua „falsches Signal“
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat das Mitgliederbegehren gegen die von der schwarz-roten Koalition geplante neue Grundsicherung kritisiert. Im Gespräch mit der ZEIT sagte der Bundesfinanzminister, das Begehren sei „genau das falsche Signal“. Vielmehr müsse die SPD, um erfolgreich zu sein, den Fokus auf die arbeitenden Menschen legen.
Auf die Frage, wie er darüber denke, dass sich viele Mitglieder seiner Partei dem Mitgliederbegehren angeschlossen haben, sagte Klingbeil: „Das sind nicht viele – das sind 4.000, die da unterschrieben haben.“ Er stehe weiter „zu 100 Prozent“ hinter den Plänen der Bundesregierung: „Ich halte das für total richtig, dass wir beim Bürgergeld jetzt Entscheidungen getroffen haben.“
Zwar halte er es für richtig, dass es in Deutschland einen Sozialstaat gebe, der sich um Menschen kümmere, denen es nicht gut gehe, sagte der Vizekanzler. „Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es Fehlentwicklungen gibt beim Sozialstaat.“
SPD-Chef fordert Fokus auf Wachstum und Arbeitsplatzsicherheit
Zugleich wehrte sich Klingbeil gegen den Vorwurf, er wolle „den Sozialstaat kaputtsparen“. Doch die Debatte über den Sozialstaat wolle er nicht anderen überlassen. Die SPD sei die Partei der Arbeiter; man wolle sich um Industriearbeiter oder Personen im Dienstleistungsgewerbe kümmern. Im Zentrum sollten daher die Themen wirtschaftliches Wachstum und Sicherheit von Arbeitsplätzen stehen.
Die Koalition aus CDU, CSU und SPD plant, das Bürgergeld zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende umzubauen. Zu den vorgesehenen Änderungen gehören strengere Sanktionen; so sollen Betroffenen etwa nach drei versäumten Terminen beim Bürgeramt sämtliche Leistungen gestrichen werden. An der SPD-Basis formierte sich Widerstand gegen die geplante Reform. So hieß es von den Initiatoren des Mitgliederbegehrens, die Partei dürfe „keine Politik mittragen, die Armut bestraft“.
Vizekanzler verteidigt Recht der Wehrdienstverweigerung
Angesprochen auf die Debatte zum Wehrdienst bezeichnete Klingbeil die Abschaffung der Wehrpflicht durch den damaligen CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg als einen „riesigen Fehler“. Es sei falsch gewesen, sie ohne eine Alternative „über Nacht“ abzuschaffen. Hinsichtlich der gegenwärtigen Situation verteidigte Klingbeil das Recht, nicht zur Waffe greifen zu wollen; dieses wolle er niemals in Frage stellen. Auch er selbst habe als Zivildienstleistender davon Gebrauch gemacht. Allerdings sei die militärische Bedrohung aktuell so groß wie lange nicht.
Vor diesem Hintergrund sei es das Ziel der Bundesregierung, auf das Prinzip der Freiwilligkeit zusetzen – zunächst, wie der Minister betonte. Wichtig sei, die Attraktivität der Bundeswehr zu erhöhen. In diesem Kontext wiederholte Klingbeil erneut seine Idee, den Dienst bei der Bundeswehr mit einem kostenlosen Führerschein zu verbinden. Der SPD-Chef zeigte sich zuversichtlich, dass die Fraktionen von Union und SPD zeitnah zu einer Entscheidung über den neuen Wehrdienst kommen, womöglich schon vor der nächsten Sitzung des Koalitionsausschusses. Gelöst werden müsste die Frage, wer gemustert werde und wer nicht.
Die Kritik, über einen freiwilligen Dienst lasse sich nicht ausreichend Personal rekrutieren, wies Klingbeil mit Verweis auf seinen Parteikollegen Boris Pistorius zurück. Der Verteidigungsminister sei überzeugt, dass Freiwilligkeit ausreiche – „diesen Weg gehen wir jetzt erst mal“. Nach einer bestimmten Zeit müsse man sich dann „ehrlich in die Augen schauen“ und fragen, ob das System der Freiwilligkeit funktioniere. Die Strukturen, die nun aufgebaut würden, könnten auch bei einer eventuellen stärkeren Verpflichtung genutzt werden.
Das Gespräch fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe Eine Stunde ZEIT des Zeitverlags in Hamburg statt. Vor Publikum stellte sich Klingbeil dabei den Fragen von Tina Hildebrandt, der Leiterin des ZEIT-Politikressorts, und von Roman Pletter, dem Leiter der Ressorts Wirtschaft.