Sally Azar: Die erste Pastorin im Heiligen Land

An Herausforderungen hat es Sally Azar in den ersten Jahren ihrer Amtszeit nicht gefehlt. Im Januar 2023 wurde die damals 26 Jahre alte Palästinenserin als erste Frau zur Pastorin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land ordiniert. An diesen Bruch mit den traditionellen Rollenbildern mussten sich viele erst einmal gewöhnen.
Einige männliche Vertreter anderer Kirchen weigerten sich zu Beginn, ihr die Hand zu geben. Mittlerweile hat sich manches normalisiert. Aber auch fast drei Jahre später muss die Pastorin, die anderen Frauen und Mädchen ein Vorbild sein will, immer wieder Mut beweisen. An einem Dezembernachmittag in Jerusalem kommt sie gerade von einer Beerdigung in Bethlehem, bei der sie die Frauen der Gemeinde in die vorderen Reihen geholt hat. Nicht alle begegnen solchen Veränderungen mit Zustimmung.
Hat an zwei deutschen Hochschulen studiert
Die größten Schwierigkeiten aber liegen für Azar anderswo. Keine neun Monate nach ihrer Ordinierung brach infolge des Terrorüberfalls der Hamas vom 7. Oktober der Krieg im Gazastreifen aus. Auch für die christlichen Palästinenser in Jerusalem und im Westjordanland hat sich das Leben seitdem drastisch verändert. Viele haben Freunde und Familienmitglieder in Gaza verloren, hinzu kommen immer schärfere Restriktionen durch Israel und Angriffe durch gewaltbereite Siedler.
Azar, die selbst oft über Stunden an den vielen Checkpoints im besetzten Westjordanland festsitzt, versucht, ihren Gemeindemitgliedern Hoffnung in diesen schwierigen Zeiten zuzusprechen. Leicht fällt ihr das nicht immer. Im Ausland kämpft sie dafür, der Stimme der palästinensischen Christen Gehör zu verschaffen, im Inland setzt sie auf Dialog zwischen Palästinensern und Israelis. Auch dabei stößt sie immer wieder an Grenzen.
Azar, die in Jerusalem die deutsche Schmidt-Schule besucht hat und fließend Deutsch spricht, ist viel unterwegs auf der Welt. Ihr Studium der evangelischen Theologie absolvierte sie in Beirut, Göttingen und Hermannsburg. Im Frühjahr dieses Jahres hat sie auf einem Podium des Evangelischen Kirchentags in Hannover gesprochen, gerade kommt sie von einer Reise nach Wien zurück. Auch in Berlin, wo sie ihr Vikariat absolviert hat, ist sie immer wieder zu Besuch.
Dass sie als Pastorin in ihre Heimat zurückkehren wollte, stand für sie dennoch immer außer Frage. An Heiligabend wird sie einen Gottesdienst in Jerusalem halten – auf Arabisch, Englisch und Deutsch. Dann wird sie mit ihrem Vater, dem Bischof Sani Ibrahim Azar, und dem Rest ihrer Familie gemeinsam feiern. In ihrem kleinen Auto, mit dem sie unerschrocken durch die Straßen Jerusalems fährt, läuft schon jetzt eine Weihnachtsplaylist.
Source: faz.net