Saint-Tropez: Auf den ersten Blick wirkt die Küstenstadt wie früher – WELT

Im Supermarkt stand Brigitte Bardot vor uns an der Kasse. Schließlich konnten auch Filmstars ihr Katzenfutter in den 70er-Jahren nicht im Internet bestellen. Die Kassiererin tat so, als habe sie nicht bemerkt, dass da gerade der französische Superstar bei ihr einkaufte: „Merci, Madame, au revoir, Madame“, mehr sagte sie nicht.

Ich machte in den Siebzigern fünfmal mit meinen Eltern Sommerurlaub in Saint-Tropez, danach war ihnen „unser“ Strand im Juli und August zu voll, weshalb sie den Urlaub in den Achtzigern in die Osterferien verlegten. Beim ersten Besuch war ich fünf Jahre alt, beim letzten nach dem Abitur 20, insgesamt habe ich zehn Urlaube in Saint-Tropez verbracht.

Der Bardot begegneten wir mehrmals, leider kam es mir damals nicht in den Sinn, sie nach einem Autogramm zu fragen. Die Schauspielerin, im Alter politisch abgedriftet, liebt den Ort bis heute und lebt auch noch hier. Ende der 50er-Jahre spielte sie in „Und ewig lockt das Weib“ die Hauptrolle – der Film begründete ihre internationale Karriere als Sexsymbol und machte Saint-Tropez, wo er gedreht wurde, weltbekannt. Damals begann der Dreiklang aus Jetset, Massentourismus und südfranzösischem Savoir-vivre, der Saint-Tropez bis heute ausmacht.

Schräg gegenüber vom Supermarkt lag die Gendarmerie, der Louis de Funès zu Kinoruhm verholfen hatte. Ich erinnere mich gut, dass in einem Jahr ein paar Schritte weiter im Hafen die Yacht von Herbert von Karajan ankerte. Ein Notenschlüssel zierte den Bug, der Meister stand an Bord und dirigierte seine Crew.

Nirgends war das Meer so blau

Auf dem Place des Lices spielten ältere Herren unter Platanen Pétanque, in den Cafés nippten Einheimische und Fremde einträchtig am Pastis. Am Hafen, wo mein Vater abends in einer spontan gegründeten Band auf der Straße spielte, hatten Maler ihre Staffeleien aufgebaut. Hinter ihnen saßen auf den Decks der Yachten Menschen, die später einen Abstecher an Land machten – vielleicht gingen sie auf ein Fläschchen Rosé ins „Café Sénéquier“ gegenüber? Saint-Tropez erschien mir im Laufe der Jahre als ein Gesamtkunstwerk, und jeder war ein Teil davon.

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Fünf Jahrzehnte später bin ich wieder dort. Um zu sehen, was sich verändert hat. Ich bin positiv erstaunt: Auf den ersten Blick wirkt Saint-Tropez wie früher – ich finde dieselben Gassen und Plätze, die Flaniermeile an der Mole ist noch immer von Cafés auf der einen und Yachten an der anderen Seite gesäumt. Offenbar haben sie hier äußerst restriktive Bauvorschriften, an die sich die Leute halten.

Blick hinab auf Saint-Tropez
Blick hinab auf Saint-Tropez
Quelle: Getty Images/Moment Open/Steve Lorillere

Damals gab es für mich keinen Ort, an dem das Meer so blau, die Sonne so warm und das Leben so leicht war wie in Saint-Tropez. Auf dem Markt auf der Place des Lices gab es die süßesten Kirschen der Welt. Noch immer ist hier zweimal in der Woche Markt, inzwischen werden jedoch gehobene Delikatessen feilgeboten, von Gänseleberpastete bis Trüffelhonig.

Doch das Meer ist noch immer wunderbar blau, die Sonne wärmt und das Leben hier wirkt entspannt, wozu sicher die Tatsache beiträgt, dass unter den Platanen auch heute ältere Herren Pétanque spielen und die Leute im „Café des Arts“ ihren Pastis einnehmen wie immer schon. Auch das alte Kino existiert noch.

Mit Schauspiel-Stars beim Camping

Das „schönste Fischerdorf der Welt“ hat seinen Charme bewahrt. Allerdings erfordert der Alltag heute, anders als früher, dicke Portemonnaies. Der Hippie-Lifestyle der Siebziger wird zwar noch gelebt, aber er ist teuer geworden: Mancher trägt Espadrilles, die so viel gekostet haben wie die Designer-Sonnenbrille im Haar. Und inzwischen hat Unangepasstheit – die hier früher ein wichtiges Statussymbol war – im Verhältnis zu einem Ferrari deutlich an Wert verloren.

In unseren Frühlingsurlauben in den Achtzigern hatten wir Saint-Tropez fast für uns allein. Das Mittelmeer war noch kühl, der Strand von Pampelonne nicht überfüllt, obschon im damals bereits legendären „Club 55“ mittags alle Tische besetzt waren.

Brigitte Bardot hält Hof in Saint-Tropez. Bei dem stehenden Herrn links dürfte es sich um Gunter Sachs handeln
Brigitte Bardot hält Hof in Saint-Tropez. Bei dem stehenden Herrn links dürfte es sich um Gunter Sachs handeln
Quelle: Gamma-Keystone via Getty Images

Über alle Zeiten hinweg ist der Strandclub von Patrice de Colmont Lieblingstreff der A-Prominenz geblieben. Der Gastwirt betont, wie wichtig es ihm ist, dass sich jeder wohlfühlt, der bei ihm einen Tisch erbeutet, egal ob Segler oder Superstar. Auch Brigitte Bardot? „Nein“, sagt de Colmont, „sie geht schon lange nicht mehr an den Strand.“ Er lebt hier, seit seine Eltern sich bald nach seiner Geburt 1948 an der Bucht von Saint-Tropez niedergelassen hatten.

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An diesem Strand hatten auch meine Eltern ihre Zelte aufgeschlagen. „Kon Tiki“ war ein Campingplatz zwischen Meer und Weinbergen; heute ist das Areal ein Resort, bebaut mit kleinen und nicht ganz so kleinen Häusern. In einem Jahr campte der Schauspieler Jeroen Krabbé mit Familie neben uns, in einem anderen ein Banker aus Amsterdam, der meine Eltern einmal zu einem Ausflug mit seinem Katamaran mitnahm, den er nach wenigen Minuten zum Kentern brachte. Zum Glück erreichten alle das Land.

Funès’ Gendarmerie ist heute Museum

Hotels waren für meine Eltern damals keine Option, sie passten nicht zu ihrem nonkonformistischen Lebensgefühl. Sie wollten lieber morgens am Strand aufwachen und vor dem Frühstück im Meer schwimmen.

Heute ist dieser goldene Strand nicht mehr über staubige Feldwege erreichbar. Es führt nun der Boulevard Patch hin mit einem Parkplatz am Ende, dessen Plätze im Sommer heftig umkämpft sind. Breit und feinsandig ist der Strand noch immer, links und rechts von grünen Hügeln eingefasst, die dank astronomischer Grundstückspreise recht sparsam bebaut sind.

Glamourös: Das „Sénéquier“, eine Mischung aus Café und Club
Glamourös: Das „Sénéquier“, eine Mischung aus Café und Club
Quelle: picture alliance/Liewig Christian/ABACA

Am linken Ende der Bucht blickte einst Gunter Sachs von seinem Anwesen aufs Meer, am rechten wacht der Leuchtturm von Cap Camarat. Die Hotels sind zahlreicher geworden, die Bebauung ist näher ans Meer gerückt. Aber sie ist nicht gewuchert wie fast überall sonst an der Küste.

Wer sich genauer umschaut in Saint-Tropez, entdeckt kleine Veränderungen im Detail. So ist in der alten Gendarmerie seit 2016 ein Museum für Film ansässig, in dem Louis de Funès die Hauptrolle spielt. Am Hafen haben sich Souvenirläden im Parterre der alten Kapitänshäuser breitgemacht, dort, wo einst kleine Geschäfte die Leute versorgt hatten. Doch die Traditionstränken sind noch da, sie wandeln sich wie eh und je im Laufe des Tages von Cafés zu Restaurants und dann zu Clubs.

Die Einheimischen ziehen weg

Allen voran das 1887 eröffnete „Sénéquier“, täglich von morgens bis drei Uhr nachts geöffnet. Es hat außer dem Namen und dem knalligen Rot von Stühlen, Tischen und Markisen auch seine Strahlkraft bewahrt. Wer auf der Terrasse einen Platz in der ersten Reihe ergattert, bekommt zu sportlich ausgepreisten, appetitlich präsentierten Spezialitäten eines der schönsten Panoramen geboten, die Saint-Tropez zu bieten hat: Hautevolee plus Hafenkulisse. Neuer ist „La Petite Plage“ ein paar Häuser weiter – dort speisen die Gäste mit den Füßen im aufgeschütteten Sand, bevor sie spät am Abend die Stühle zur Seite schieben und tanzen.

Hinter dem Alten Fischerhafen erreicht man hinter einem Torbogen die Meerseite des Dorfs, wo sich schmale Häuser wie eine Festungsmauer am Wasser erheben. Fassaden in Ockertönen mit grau-blauen Fensterläden bilden hier ein Stückchen Saint-Tropez, das vor 100 Jahren nicht viel anders ausgesehen haben dürfte. Das Wasser schwappt fast an die Mauern, eine Treppe führt hinüber zur nächsten Bucht.

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Dort ist noch immer das Fünfsternehaus „La Ponche“ heimisch. 1938 eröffnete es als Fischerbar, 1951 wurde es zum Hotel. Schriftstellerin Françoise Sagan logierte hier und Pablo Picasso; 1956 checkte die Filmcrew um Brigitte Bardot ein, später Romy Schneider und Daniel Biasini. Mit 21 Zimmern und drei Apartments ist es klein und fein geblieben. Auch das um die Ecke vom Place des Lices gelegene, 1967 eröffnete „Hôtel Byblos“, in dem Mick Jagger und Bianca Perez nach ihrer Trauung in Saint-Tropez flitterten, hat die Zeit überdauert.

Das gilt ebenso für den Fischmarkt, auf dem mein Vater oft Crevetten für unser Frühstück kaufte; dort bieten heute zwei Familien ihren Fang an. Sogar der alte Obst- und Gemüsestand in einem Sträßchen zwischen Marktplatz und Hafen ist noch da. Wo aber früher Buchhandlungen, Geschäfte für täglichen Bedarf und Ateliers waren, sind heute Designerboutiquen und Fachgeschäfte für Yachtausstattung ansässig.

Seit einigen Jahren schrumpft die Bevölkerung des 3600-Seelen-Ortes. Viele Einheimische ziehen in die günstigere Nachbarschaft – oder vermieten ihre Häuser an Urlauber, statt sie selbst zu bewohnen. Die Entwicklung ist kein Einzelfall, sie kostet, wie überall, Authentizität und Flair. Zugleich eröffnet sie Möglichkeiten: Heute kann man in manchem Haus am Hafen logieren, das früher allenfalls sehnsüchtig bewundert werden konnte.

Quelle: OpenStreetMap; Infografik WELT

Tipps und Informationen

Wie kommt man hin?

Am besten erreicht man Saint-Tropez per Auto oder Yacht. Der Flughafen Nizza ist 105 Kilometer entfernt, der von Marseille 145 Kilometer. Bahnreisende erwartet häufiges Umsteigen und eine lange Reisezeit (mindestens 17 Stunden ab Frankfurt/Main), vom nächstgelegenen Bahnhof Fréjus/Saint-Raphaël muss man einen Bus nehmen, da Saint-Tropez keinen eigenen Bahnhof hat.

Wo wohnt man gut?

Die Häuschen des Resorts „Kon Tiki“ am Strand von Pampelonne haben jeweils zwei oder drei Schlafzimmer, geöffnet bis Ende Oktober, im günstigsten Tiki Family für zwei bis sechs Personen zahlt man im Frühling ab 1000 Euro pro Woche; die Tiki Lounge Kamarat mit Meerblick, Weinkeller und Hotelservice kostet im Frühjahr ab 3500 Euro pro Woche, im Juni ab 6400 Euro (de.riviera-villages.com/Kon-Tiki).

Das Fünfsternehaus „Lou Pinet“ der Hotelgruppe Maisons Pariente in Saint-Tropez orientiert sich stilistisch an den 60er-/70er-Jahren, es ist berühmt für sein glamouröses Restaurant „Beefbar“, Doppelzimmer mit Frühstück ab 600 Euro (loupinet.com). Das „La Ponche“, ursprünglich eine Fischerkneipe, ist beliebt bei Künstlern, hier residierte Louis de Funès gern während seiner Dreharbeiten, Doppelzimmer ab 350 Euro (laponche.com).

Nicht verpassen

Ein Besuch im „Café Sénéquier“ gehört unbedingt zu einem Saint-Tropez-Urlaub. Schön ist der Markt auf der Place des Lices (dienstags und samstags), wo es Honig, provenzalische Kräuter, Seifen, Stoffe gibt. Lohnend ist ein Abstecher ins mittelalterliche Dorf Ramatuelle. Bei schlechtem Wetter: Das Musée de l’Annonciade zeigt Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, darunter Werke von Paul Signac und Georges Seurat.

Weitere Infos

Zum Ort: sainttropeztourisme.com/en/; über die Region Var: visitvar.fr; über die Küste: cotedazurfrance.fr; Frankreich allgemein: france.fr/de

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von der Hotelgruppe Maisons Pariente. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit

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Source: welt.de