Sahra Wagenknecht: „Die Menschen bezahlen Hochrüstung mit sinkender Lebensqualität“

Wie groß die Friedenskundgebung am kommenden Samstag wird, ist nicht absehbar – Sahra Wagenknecht hat Schauspieler, Rapper und weitere Prominente wie den Moderator Daniel Aminati zusammengetrommelt, Motto der Kundgebung: „Stoppt den Völkermord in Gaza!“ Auch der vielkritisierte Sänger Roger Waters soll ein Videostatement beisteuern.

Um ihre eigene Partei ist es nach dem einstweilen verpassten Einzug in den Bundestag ruhiger geworden. Wie plant die BSW-Gründerin für ihre eigene Zukunft und für wie wahrscheinlich hält sie, dass die schwarz-rote Bundesregierung bald zerbricht?

der Freitag: Frau Wagenknecht, Sie laden am 13. September zu einer Friedenskundgebung nach Berlin. Wie kam denn der Kontakt zum einst für die FDP aktiven Didi Hallervorden zustande?

Sahra Wagenknecht: Ich habe verfolgt, was er macht. Er hat sich in den letzten Jahren sehr mutig zu Friedensfragen geäußert, vor allem zu Gaza, hat wegen dessen „Drecksarbeit“-Aussage Anzeige gegen Merz erstattet. Ich habe gefragt, ob er sich vorstellen könnte, auf einer Kundgebung zu sprechen, ebenso wie die Rapper Massiv und Bausa, die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz oder der Moderator Daniel Aminati. Eine Kundgebung mit solch einem breiten Bündnis hat es noch nie gegeben. Ich hoffe, dass viele Menschen am 13. September um 14 Uhr zum Brandenburger Tor kommen werden, weil wir in Deutschland dringend wieder eine starke Friedensbewegung brauchen. Eine, die Druck ausübt für eine andere Nahost- und eine andere Russlandpolitik, um die Gefahr zu bannen, dass der Krieg auch nach Deutschland zurückkommt.

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Auch Roger Waters soll zugeschaltet werden – der etwa die BDS-Bewegung oder sein eigenes Engagement mit dem Widerstand der Geschwister Scholl gegen den Nationalsozialismus vergleicht und dem immer wieder Antisemitismus vorgeworfen wird.

Ich finde, er ist vor allem eine couragierte Stimme für Frieden, die international Respekt genießt. Ich muss mir nicht jeden einzelnen Satz zu eigen machen. Es ist auch etwas anderes, wie jemand als Deutscher etwas formuliert – international wird oft ganz anders diskutiert. Ich finde Roger Waters’ Engagement wichtig und freue mich, dass wir seine Stimme mit auf dieser Kundgebung haben.

Frankreich erlebt das gerade, Deutschland wird es bald erleben: Wenn man so massiv Schulden macht, dann steigen die Zinsen. Das ist dann ein wachsender Posten im Haushalt, der immer mehr Mittel blockiert

Die Kundgebung befasst sich nicht nur mit dem Krieg in Gaza, sondern auch mit Protest gegen den Krieg in der Ukraine und gegen Militarisierung. Halten Sie es in dieser Zeit voller Krieg und Aggression in der Welt für verzichtbar, die Bundeswehr besser auszurüsten?

Ich halte es für eine große Lüge, so zu tun, als müssten wir mehr Geld ins Militär pumpen, um den Frieden zu sichern. Alle unabhängigen Studien bestätigen, dass die NATO das mächtigste, hochgerüstetste Militärbündnis der Welt ist. Zehn Prozent der Weltbevölkerung leben auf NATO-Territorium, über 50 Prozent aller Militärausgaben werden von NATO-Staaten getätigt. Selbst wenn man die unterschiedliche Kaufkraft berücksichtigt, geben allein die europäischen NATO-Staaten mehr für Rüstung aus als Russland. Wir sind in allen konventionellen Waffengattungen überlegen.

Die jährliche Bedrohungsanalyse von 17 US-Geheimdiensten betont immer wieder, dass Russland einen Teufel tun wird, die NATO anzugreifen. Das wäre ein militärisches Selbstmordkommando. Deswegen ist es völlig verlogen, den Menschen immer wieder zu erzählen, Putin überfällt uns, der Russe steht vor der Tür. Außerdem wird es vor allem zu Preissteigerungen zugunsten von Rüstungskonzernen führen, wenn wir fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Hochrüstung ausgeben und in den USA Waffen kaufen, ebenso wie dreckiges Gas, nach Ursula von der Leyens Unterwerfungs-Deal mit Donald Trump. Die Menschen hier im Land bezahlen das mit sinkender Kaufkraft und weniger Lebensqualität. Auch wenn ein Großteil der Rüstung zunächst über Kredit finanziert wird, gibt es einen Effekt, der immer ausgeblendet wird, Frankreich erlebt ihn gerade, Deutschland wird ihn bald erleben: Wenn man so massiv Schulden macht, dann steigen die Zinsen. Das ist dann ein wachsender Posten im Haushalt, der immer mehr Mittel blockiert.

Wenn in Görlitz ein Eisenbahnhersteller sein Werk schließen will und dann dort ein Rüstungskonzern einspringt und Panzerteile produziert, verlieren die Menschen im Werk wenigstens nicht ihre Arbeit.

Sollen wir denn keine Eisenbahnwagen mehr herstellen? Brauchen wir keine mehr? Wir haben eine starke zivile Industrie, die wir gerade durch völlig überhöhte Energiepreise, eine falsche Wirtschaftspolitik und bürokratische Auflagen kaputtmachen. Damit dann trotzdem noch ein paar Leute Industriearbeitsplätze haben, müssen wir Panzer bauen? Wie irre ist das denn! Wir sollten lieber unsere zivile Industrie im Land halten.

Was Waffen angeht, hat Friedrich Merz immerhin ein Embargo gegen Israel in Bezug auf Gaza verfügt – Ähnliches gab es noch nie unter CDU-Kanzlerschaft.

Das zeigt, dass Druck auch etwas bewirkt. Gerade beim Thema Gaza gibt es inzwischen immer mehr auch prominente Stimmen, die fordern, dass die Bundesregierung die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung nicht mehr unterstützen darf. Aber Merz’ Exportverbot ist halbherzig. Viele Waffen, die Deutschland exportiert, U-Boote und anderes, werden nicht direkt in Gaza, aber trotzdem im Krieg eingesetzt.

Benjamin Netanjahus erklärtes Ziel ist es, zwei Millionen Menschen aus dem Gazastreifen zu vertreiben oder sie zu töten. Das ist Völkermord

Israel führt nicht nur in Gaza, sondern auch im Libanon und in Syrien Krieg. Neuerdings sogar in Katar. Ein konsequenter Stopp aller Waffenexporte ist überfällig. Dazu ist Merz nicht bereit. Dass schon sein halbherziger Schritt zu so massiver Kritik geführt hat, ist erschreckend. Benjamin Netanjahus erklärtes Ziel ist es, zwei Millionen Menschen aus dem Gazastreifen zu vertreiben oder sie zu töten. Das ist Völkermord.

In Bezug auf den Krieg in der Ukraine haben Sie oft betont, dass das letztendlich ein Stellvertreterkrieg ist, über den in Moskau und Washington entschieden wird. Warum sollte Berlin oder Brüssel am Krieg Israels in Gaza etwas ändern können?

Würde Trump Netanyahu unter Druck setzen, wäre das natürlich der wirksamste Hebel, um dieses Grauen zu beenden. Aber Trump deckt ihn. Doch die Europäer sind ebenso wenig wie bei der Ukraine machtlos. Das Assoziierungsabkommen der EU mit Israel ist ein wirtschaftlicher Hebel. Man könnte es aussetzen, bis Netanjahu zumindest den wahnwitzigen Plan aufgibt, den gesamten Gazastreifen zu erobern. Und bei der Ukraine torpedieren die Europäer einen möglichen Friedensschluss, indem sie darüber diskutieren, NATO-Soldaten in die Ukraine zu schicken. Russland hat diesen Krieg vor allem begonnen, um NATO-Militär in der Ukraine zu verhindern. Das war der Hauptkriegsgrund, nicht territoriale Expansionslust.

Die Europäer könnten ja selber aktiv werden und die Initiative für einen europäisch-russischen Gipfel ergreifen

Torpediert nicht Russland den Frieden, wenn es gerade jetzt die Ukraine so massiv bombardiert?

Putin versucht jetzt zu demonstrieren, dass er diesen Krieg auch militärisch für sich entscheiden kann, so interpretiere ich das. Solange für den Fall eines Waffenstillstands europäische NATO-Truppen in der Ukraine angedroht werden, auch deutsche, wird Putin die Waffen garantiert nicht schweigen lassen. Für die Menschen ist es schrecklich, dass das Sterben nicht endet. Wenn man es beenden will, müsste man den von Trump vorgeschlagenen Weg gehen. Aber die Europäer beschweren sich erst, dass Trump über ihre Köpfe hinweg verhandelt, fahren dann wie eine Schulklasse nach Washington, um sich vom Oberlehrer erklären zu lassen, wo es langgeht, und hören dann noch nicht mal auf ihn. Sie könnten ja selber aktiv werden und die Initiative für einen europäisch-russischen Gipfel ergreifen.

Friedenspolitik wird Kernthema des BSW bleiben. Wie sieht Ihre künftige Rolle in der Partei aus? Kandidieren Sie beim Bundesparteitag im Dezember wieder als BSW-Bundesvorsitzende?

Auf jeden Fall werde ich mich weiter für das BSW engagieren, weil diese Partei dringend gebraucht wird. Wir bauen Strukturen auf, haben jetzt sehr viele neue Mitglieder aufgenommen, bis Ende des Jahres werden es mindestens 10.000 sein. Die Mitgliedsanträge liegen teils seit anderthalb Jahren vor und ich habe schon lange ein schlechtes Gewissen den Menschen gegenüber, die so ewig warten. Und dann wird das nächste Jahr ein für uns sehr wichtiges, mit fünf Wahlen, bei denen wir in weitere Landtage einziehen wollen. In einer Zeit, in der nur noch über Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit geredet wird, braucht es wenigstens eine konsequente Friedensstimme in der Politik.

Wir müssen mit dem BSW selbstbewusster auftreten und uns von den alten Parteien abgrenzen

In Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Berlin sehen Umfragen das BSW bei weniger als fünf, und auch in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt nurmehr bei sechs Prozent.

Ja, wir haben das Problem, dass die Medien uns totschweigen, seit wir nicht mehr im Bundestag sind. Bundespolitisch sind wir fast nur noch über Social Media wahrnehmbar. Doch für viele Leute, gerade die Älteren, sind die klassischen Medien nach wie vor die wichtigste Informationsquelle. Und leider haben wir durch unseren Eintritt in Regierungskoalitionen viele enttäuscht, vor allem in Thüringen mit der CDU. Wir hatten ja bei den ostdeutschen Landtagswahlen viele Menschen erreicht, die sonst AfD gewählt hätten. Viele von ihnen haben wir wieder verloren. Sie wollten Veränderung und hatten den Eindruck, dass es in zu vielen Bereichen ein Weiter-so gibt. Zwar haben wir in den Koalitionen auch einiges erreicht, mehr Spielräume für die Städte und Gemeinden etwa, für Investitionen. Wir sind die einzigen, die im Bundesrat konsequent gegen die Hochrüstung und Waffenlieferungen an die Ukraine stimmen. Aber insgesamt spüren die Menschen zu wenig Veränderung. Wir müssen selbstbewusster auftreten und uns von den alten Parteien abgrenzen.

Von einem Maulhelden-Antifaschismus, der gemeinsam mit CDU, SPD und Grünen der AfD elementare parlamentarische Rechte vorenthält, halte ich überhaupt nichts

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In Thüringen hat zuletzt der BSW-Fraktionsvorsitzende ein Gespräch mit dem AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke geführt …

Dass sie ein Gespräch geführt haben, war richtig. Die AfD wird in Thüringen von mehr als einem Drittel der Menschen gewählt, hat dadurch bei bestimmten Fragen im Landtag ein Veto-Recht, und wenn man etwa Richter und Staatsanwälte wählen will, muss man mit ihr reden. Auch Bodo Ramelow hat das in der letzten Legislatur gemacht, da hat allerdings nicht die ganze Presse Zeter und Mordio geschrien. Ergebnisse gibt es aber bisher kaum. Die AfD verlangt, im Landtag die Posten zu erhalten, die ihr nach parlamentarischem Recht zustehen. In Sachsen und Brandenburg stellt sie Landtagsvizepräsidenten, in Thüringen nicht, obwohl ihr als stärkster Fraktion sogar das Amt des Parlamentspräsidenten zustünde. Ich bin für eine harte politische Auseinandersetzung mit den Positionen der AfD, aber von einem Maulhelden-Antifaschismus, der gemeinsam mit CDU, SPD und Grünen der AfD elementare parlamentarische Rechte vorenthält, halte ich überhaupt nichts.

Hätte es gegen das BSW auch eine Brandmauer gegeben, wären wir immer noch zweistellig und im Bundestag

Die AfD steht in Sachsen-Anhalt bei 39 Prozent. Hielten Sie es für begrüßenswert, wenn sie etwa dort Regierungsverantwortung übernähme?

Ich hätte es lange schon für angemessen gehalten, dass die CDU mit der AfD koaliert und sie dadurch entzaubert – die beiden Parteien haben die größten inhaltlichen Schnittmengen, sie sind beide für Aufrüstung, mit dem einzigen Unterschied, dass die AfD die Waffen nicht wie Friedrich Merz vor allem in den USA, sondern bei deutschen Rüstungsschmieden kaufen würde. Beide sind für Sozialabbau, Privatisierungen, Steuersenkungen für Reiche und für die harte Einhaltung der Schuldenbremse, auch bei Investitionen. Die Brandmauer war die Voraussetzung für den steilen Aufstieg der AfD, die sich dadurch immer in der Opposition profilieren konnte und nie beweisen musste, was sie wirklich im Interesse der Menschen verändern kann. Hätte es gegen das BSW auch eine Brandmauer gegeben, wären wir immer noch zweistellig und im Bundestag.

Sind sie wirklich frei von der Furcht vieler in Deutschland, dass bestimmte Menschen und die Demokratie massiv leiden würden, käme die AfD in Regierungsverantwortung?

Wenn Gesetze gemacht werden, die verfassungswidrig sind, können Gerichte sie aufheben. Auf Landesebene sind die Spielräume ohnehin begrenzt – eine noch härtere Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen oder das Kippen der Ehe für alle zum Beispiel sind dort gar nicht möglich. Was die Demokratie in Deutschland aktuell gefährdet, ist nicht die AfD, sondern die Politik der alten Parteien, die die Mittelschicht zerstören, das Leben vieler Menschen spürbar verschlechtern, die Meinungsfreiheit untergraben und unser Land womöglich in einen großen Krieg führen. Diese Parteien haben mit ihrer miesen Politik auch den Höhenflug der AfD zu verantworten. Es wäre klug gewesen, die AfD in Regierungen einzubinden, als sie noch eine konservative Professorenpartei war. Stattdessen hat man durch Ausgrenzung und Diffamierung ihre Radikalisierung befördert. Jetzt steht sie kurz davor, in einem Land womöglich eine Alleinregierung bilden zu können und gar keinen Koalitionspartner mehr zu brauchen.

Von Friedrich Merz oder Roderich Kiesewetter trennt uns nicht weniger als von den Leuten in der AfD, die die Wehrpflicht wiedereinführen, das Bürgergeld streichen und Israel weiter Waffen liefern wollen

Ich habe Ihnen eine Ausgabe von Ostdeutschlands populärster Illustrierter mitgebracht, die „Superillu“ von Ende Juli – das Cover zeigt Sie und Alice Weidel, klein Friedrich Merz, Titel: „Der Pakt für die Macht! Stürzen diese zwei Frauen den Kanzler?“

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Das hatte ich noch gar nicht gesehen.

Ist dieses Szenario einer Zusammenarbeit vorstellbar?

Was heißt Zusammenarbeit? Wir haben immer gesagt, wenn die AfD Anträge stellt, die vernünftig sind, dann stimmen wir denen zu. Ich halte es für ein großes Versagen der Linken im Bundestag, dass sie einen Untersuchungsausschuss zu Nord Stream und auch zu Corona verhindert, nur weil sie dafür die Stimmen der AfD bräuchte. Für eine Regierung ist das eine hochkomfortable Konstellation – Oppositionsparteien, die sich hassen und nie zusammenarbeiten. Wir würden dieses Spiel nicht mitmachen. Das heißt aber nicht, dass wir eine Koalition mit der AfD eingehen würden, dafür sind die politischen Schnittmengen einfach zu klein. Das gilt allerdings auf Bundesebene genauso für uns und die CDU. Es gibt kein gemeinsames „demokratisches Lager“ mit Kriegs-Hasardeuren wie Friedrich Merz oder Roderich Kiesewetter. Von denen trennt uns nicht weniger als von den Leuten in der AfD, die die Wehrpflicht wiedereinführen, das Bürgergeld streichen und Israel weiter Waffen liefern wollen.

Ich befürchte, dass Friedrich Merz und Lars Klingbeil – die bei Neuwahlen nur verlieren können – sich so lange wie möglich an ihre Macht klammern werden

Ihre Wahlbeschwerde, mit der Sie eine Neuauszählung der Bundestagswahl erreichen wollen, liegt aktuell beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestags – bis wann rechnen Sie mit einer Entscheidung?

Das Bundesverfassungsgericht hat den Bundestag gerügt, dass der Ausschuss erst so spät konstituiert worden ist. Wenn die eine Entscheidung weiter verschleppen, können wir wieder beim Bundesverfassungsgericht vorstellig werden. Deswegen rechne ich mit einer Entscheidung noch in diesem Jahr. Dass es systematische Zählfehler zu unseren Lasten gab, ist vielfach belegt. Auch zwei renommierte Politikwissenschaftler haben jüngst in einem Artikel in der FAZ begründet, dass eine Neuauszählung angesichts des knappen Ergebnisses und der offensichtlichen Unregelmäßigkeiten dringend geboten ist. Es geht dabei nicht um das BSW, sondern um Grundregeln der Demokratie. Jeder ehrliche Demokrat sollte interessiert sein, so schnell wie möglich zu klären, ob der Bundestag korrekt zusammengesetzt ist und die Merz-Regierung, die folgenschwere Entscheidungen trifft, überhaupt eine Mehrheit hat. Aber klar: Im Wahlprüfungsausschuss sitzen die Vertreter von Fraktionen, die Mandate verlieren würden, wenn wir einziehen. Das ist, als würde sich ein Opfer von Schutzgelderpressung bei der Mafia beschweren. Also, da bin ich wenig hoffnungsvoll. Aber sobald der Ausschuss entschieden hat, können wir zum Verfassungsgericht.

Vielleicht zerbricht ja schon vor solch einer Klärung die schwarz-rote Bundesregierung.

Ich befürchte, dass Friedrich Merz und Lars Klingbeil – die bei Neuwahlen nur verlieren können – sich so lange wie möglich an ihre Macht klammern werden. Für unser Land ist das schlecht. Die wahnwitzige Hochrüstung zerstört unseren Sozialstaat. In diesem Sinne hat Merz sogar recht: Der Sozialstaat ist tatsächlich nicht mehr finanzierbar – wenn wir fünf Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Waffen und Kriegsvorbereitung ausgeben. Doch statt sich dagegen zu wenden und etwa für höhere Renten zu kämpfen, streiten die Sozialdemokraten lieber wochenlang für eine Frau als Bundesverfassungsrichterin, die in der Corona-Zeit für eine Impfpflicht geworben hat.