Sahra Wagenknecht: Das Dilemma des BSW

Vor gut einem Jahr schien es noch so, als sei das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf dem besten Weg, auch im Bund zu dem machtpolitischen Zünglein an der Waage zu werden. Im Spätsommer 2024 auf Anhieb drittstärkste Partei in den Landtagen von Thüringen, Sachsen und Brandenburg geworden, sofort in die Landesregierungen in Potsdam und Erfurt eingetreten – ein Einzug in den Deutschen Bundestag war lange nicht eine Frage des Ob, sondern des Wie.
Nicht nur im Februar sollte es anders kommen. Übers Jahr ist von der Siegesgewissheit kaum noch etwas übrig – bis dahin, dass das BSW fürchten muss, bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr sämtlich an der Fünfprozenthürde zu scheitern.
Denn in der Linkspartei ist ihr eine politische Konkurrenz erwachsen, die mit ihren Themen wie mit ihrem Habitus deutlich mehr jüngere Leute anzieht. Aber es klingt nicht nur wie eine Ironie der Geschichte, es ist eine solche, dass der Linkspartei erst dann neue Kräfte zuwuchsen, nachdem sich Sahra Wagenknecht zusammen mit einigen Getreuen von ihrer jahrzehntelang hinlänglich strapazierten politischen Bühne im Streit verabschiedet hat – um Streit umgehend zum Markenzeichen des Bündnisses zu machen, das ihren Namen trägt.
An eine Hoffnung kann das BSW sich noch klammern
Das BSW befindet sich in einem Dilemma, das auch mit den Beschlüssen des Wochenendes kaum aufzulösen sein dürfte: Bliebe Wagenknecht als Galionsfigur erhalten, drohte dem Bündnis dasselbe lähmende Schicksal, dem die Linkspartei einstweilen entronnen ist.
Trennte sich das BSW aber von Wagenknecht oder Wagenknecht von ihrer jüngsten Hervorbringung, bliebe ein Torso zurück, dem es an Führungspersonal ebenso mangelte wie an Organisationsstruktur und (mangels Mitgliedern) an Kampagnenfähigkeit.
Die einzige Hoffnung, an die sich das BSW einstweilen klammern kann, ist die auf eine Neuauszählung der Bundestagswahl. Der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages legt freilich keine Eile an den Tag. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Source: faz.net