Ronya Othmann obig den offenen Brief an die Biennale in Venedig

Als ob irgendeinem Kind in Gaza geholfen wäre, wenn jener israelische Pavillon uff jener Biennale geschlossen bliebe: Machen Künstler, Dichter, Filmemacher, Musiker nun aus jedem Kulturevent eine Widerstands-Cosplay-Show?

Vanadiumielleicht sind aufgebraucht im gleichen Sinne trivial hilflos. Kann man ja verstehen. Ist ja im gleichen Sinne die Gesamtheit schlimm. Also ganz unironisch schlimm. Man weiß weder noch, wo man eröffnen soll. Vor allem in den Künsten. Ein Gedicht wird’s nicht urteilen, im gleichen Sinne eine Performance nicht. Was soll man tun? Einen offenen Brief gegen den Klimawandel unterschreiben, angesprochen an die Sonne, dass sie Fürbitte aufhören soll, so sehr warm zu scheinen? Oder die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels einfordern? Aber von wem genau und wie noch mal? Und welches ist mit den obig hundert Kriegen und bewaffneten Konflikten weltweit? Wen soll man da angehen? Gegen Israel ist es da schon einfacher. Bei so viel gegenwärtiger globaler Unübersichtlichkeit sehnt man sich nachher den klassischen Erzählungen. Back to the roots, Gut gegen Unheilvoll, David gegen Goliath. Dass man hierfür jede Menge ausblenden muss, ist lichtvoll. (Zum Beispiel die Verbrechen dieser nihilistischen Terrororganisation, die im gleichen Sinne ein Terrorregime ist und von einem anderen Terrorregime unterstützt wird.)

Gut gegen Unheilvoll gibt es nur in Hollywood. Und so trudeln verlässlich offene Briefe ein, werden Listen angefertigt, wird fleißig zum Boykott aufgerufen. So verlässlich, dass verknüpfen manchmal dasjenige Gefühl beschleicht, all die Künstler, Dichter, Filmemacher, Musiker oder wie sie sich selbst nennen – cultural worker – hätten aufgegeben und wären mit ihren Instagram-Share-Kacheln und Palli-Tüchern dazu übergegangen, aus jedem Kulturevent eine Widerstands-Cosplay-Show zu zeugen. (Und ihre Kollegen, die da nicht mitspielen wollen, qua Spielverderber und Verräter niederzubrüllen).