„Robot Dreams“: Mittendrin in einem Hundeleben

Dieses New York gibt es schon lange nicht mehr. In den Straßenschluchten wird gerappt und gepunkt, durch den sommerlichen Central Park flitzen Rollerblader. Im Herbst steigen bunt gemusterte Drachen auf. Das Chelsea Hotel ist noch das Chelsea, und im East Village geht alles seinen gemächlichen Gang. In Pablo Bergers Animationsfilm Robot Dreams ersteht ein nostalgisch grundierter Big Apple als tierischer Schmelztiegel wieder auf.

Das Warzenschwein mit Hut wäscht sein Auto, der Geier mit knalligem Jacket wartet vor dem Leihhaus auf Kundschaft, schnatternd unterhält sich eine Gänseschar im Pfadfinderoutfit. Ein besonders knalliger pinkfarbener Tintenfisch führt mit seinen Tentakeln ein grandioses Schlagzeugsolo in einer Subway-Station auf.  

Robot Dreams, in diesem Jahr für den Oscar als bester Animationsfilm nominiert, entwirft ein farbenfrohes, fröhliches Manhattan und zitiert gleichzeitig in schöner Beiläufigkeit Woody Allens gleichnamigen Schwarz-Weiß-Klassiker. Nur, dass hier ein Hund und ein Roboter auf der Parkbank sitzen und die nächtliche Aussicht auf die Brooklyn Bridge genießen.

Bergers animierte Bilder sind einfach, präzise und effektiv. Sofort ist man mittendrin in einem Hundeleben: „Dog“ steht am Türschild des Vierbeiners mit den Schlappohren. Aufrecht auf den Hinterläufen bewegt er sich durch seine Wohnung mit hölzernem Deckenventilator. Würdevoll legt sich Dog jeden Morgen sein blaues Halsband um. Sein Gefrierfach ist gefüllt mit Mac and Cheese-Packungen. Platsch! Schon klebt der Käse an der Innenscheibe der Mikrowelle. Lustlos stochert Dog im Fertigessen herum, im Flimmerkasten läuft nur Mist. Mit der Pfote wird der Ausschalter betätigt.

Und dann die Selbsterkenntnis: Ein Hund mit kreisrunden Augen und einem Strich als Mund erblickt in der Spiegelung des Fernsehbildschirms die eigene Einsamkeit. Die Pfote greift wieder zur Fernbedienung. Ein Werbeclip bringt Dog auf eine Idee. Er bestellt einen Bausatz für einen Roboter. Nie wieder allein auf dem Sofa sitzen, zu zweit durchs Leben flanieren!

Robot Dreams ist ein Film über Freundschaft. Über einen Hund, der plötzlich wieder vergnüglich mit dem Schwanz wedelt. Über einen Roboter, der lernen muss, den mechanischen Griff seiner Metallhand zu lockern, wenn die beiden nebeneinander durch New York spazieren. Mit seinem rechteckigen Körper, dem eimerförmigen Kopf, den dünnen langen Armen und klobigen Füßen sieht Dogs mechanischer Gefährte aus wie eine Kinderzeichnung. 

Tatsächlich hatte sich Pablo Berger von Sara Varons gleichnamiger Graphic Novel inspirieren lassen. Der spanische Regisseur war damals auf der Suche nach Bilderbüchern ohne Text für seine kleine Tochter gewesen, um ihr zu ermöglichen, sie auch allein zu betrachten.

Bergers berührender Film kommt ebenfalls ohne Worte aus. Erzählt wird mit Blicken, Gesten, kleinen Beobachtungen. Etwa ein Hotdog-Essen mit dem neuen Freund. Mit einem Haps verschlingt der Roboter das teigummantelte Würstchen. In diesem Moment geht Dogs Strichmund nach oben, in seinem Dasein scheint die Sonne aufzugehen. Unentwegt ziehen neue emotionale Tonlagen in die Bilder ein. Eine Liebesgeschichte als Wechselbad der Gefühle.


Können es locker mit Ginger Roberts und Fred Astaire aufnehmen: Hund und Maschine rollschuhtanzend im Central Park.

Ein humanoider Roboter, der dienen soll, mit einem Hund als „Herrchen“. Doch so wenig wie die beiden kümmert es auch den Film, wer hier welche Rolle spielt oder Funktion einnimmt. Es geht direkt ums Eingemachte, ums Seelenleben. In diesem Animationsfilm hat auch der Roboter ganz selbstverständlich seine Anima.

Robot Dreams ist auch Sound- und Musicalfilm. Großstadtgeräusche, Polizeisirenen, Stimmengewirr auf der Tonspur erzählen vom pulsierenden Leben. In Sachen Eleganz, Anmut und Rasanz können es Dog und der Roboter locker mit Ginger Roberts und Fred Astaire aufnehmen. Auf Rollschuhen legen sie im Central Park einen mitreißenden Tanz hin, zur Begeisterung der anderen Besucher. Wie im klassischen Musical geht Gefühl in Bewegung über, Emotion wird zu Motion. Ausgelassen drehen sich Verbundenheit, Zuneigung und Glück mit den beiden im Kreis. Es könnte ewig so weitergehen.

Dann reißen das Schicksal, die Umstände, ein Missgeschick die beiden auseinander. Doch das Leben bringt neue Bekanntschaften mit sich. Der Roboter trifft einen erfindungsreichen Waschbären. Dog wiederum verknallt sich in eine selbstbewusste Ente mit Motorroller, die jedoch nach Europa zieht.

Die Erinnerung bleibt. Werden Dog und der Roboter wieder zueinanderfinden, nicht nur in ihren Träumen? Aus Robot Dreams spricht eine einfache Poesie. Oder die Poesie der Einfachheit.

„Robot Dreams“ läuft ab 9. Mai im Kino.