Robert Habeck: So wird dies nichts mit seinen Kanzlerplänen
Das hatte sich Robert Habeck anders vorgestellt. Als der grüne Wirtschafts- und Klimaschutzminister im Herbst vergangenen Jahres die Konjunkturprognose der Regierung vorstellte, da rechnete er für 2024 noch mit einer Wachstumsrate von 1,3 Prozent. Am Mittwoch musste er in Berlin stattdessen erklären, warum die Wirtschaft das zweite Jahr in Folge schrumpft. Der Wegfall des russischen Gases, ein schwierigeres Chinageschäft, der Investitionsstau – Deutschland dürfe jetzt nicht „die Ohren hängen lassen“, appellierte Habeck.
Rezession statt Wachstum: Das ist nicht nur schlecht für Deutschland, sondern auch für den Grünenpolitiker. In gut einem Monat will er sich auf dem Parteitag zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl krönen lassen. Trotz der seit Monaten schlechten Umfragewerte – zuletzt um die zehn Prozent – rechnet er sich zumindest eine Minichance aus, ins Kanzleramt einzuziehen. CDU-Chef Friedrich Merz als Verkörperung der Politik der Achtzigerjahre, SPD-Kanzler Olaf Scholz als emotionsloser Landesverwalter: Die beiden sind gewissermaßen Habecks Wunschgegner, um sich als – maßvoller – Erneuerer Deutschlands zu positionieren. Doch das kann nur dann glaubwürdig wirken, wenn die Wirtschaft bis dahin besser dasteht. Je nachdem, ob Ende September oder vielleicht doch schon Anfang März gewählt wird, könnte das schwierig werden.
Fast schon flehentlich betonte der Wirtschaftsminister in den vergangenen Wochen, was sich alles gut entwickele. Die gesunkene Inflation und steigenden Löhne, die den Verbrauchern mehr Geld zum Ausgeben lassen. Die Zinssenkungen der EZB, die Kredite für Häuslebauer und Unternehmen günstiger machen. Diese Faktoren sind auch ein wesentlicher Grund, warum Habeck für das kommende Jahr einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 1,1 Prozent erwartet. Doch noch halten Verbraucher und Unternehmen ihr Geld zusammen.
Skepsis weithin an Habecks Prämissen
Das Misstrauen, ob das deutsche Geschäftsmodell mit einer starken, aber auch energieintensiven Industrie allein mit Erneuerbaren funktionieren wird, ist groß. Die angekündigten Stellenstreichungen bei VW, Thyssenkrupp und vielen anderen Unternehmen nähren den Verdacht: Deutschland wird mit dieser Transformationspolitik vielleicht grün, aber auch ärmer. Habeck widersprach diesem Eindruck am Mittwoch vehement. „Nicht die Klimapolitik ist ein Problem, sondern der Klimawandel macht uns ärmer.“ Auf die Frage nach seinen Kanzlerambitionen sagte er: nichts. Nur so viel: „Ich arbeite seit drei Jahren daran, die Probleme des Landes zu lösen.“
Doch wie kann Habeck die Wende jetzt noch schaffen? 0,5 Prozentpunkte mehr Wachstum soll die Wachstumsinitiative der Ampel bringen, hatte sein Ministerium im Sommer ausgerechnet. Die Vorsitzende des Sachverständigenrats, eines der wichtigsten Beratergremien der Regierung, dämpft gegenüber der F.A.Z. die Erwartungen. „Das Wachstumspaket enthält viele gute Einzelmaßnahmen, das Finanzvolumen ist aber zu klein, um einen größeren Effekt zu haben“, sagt Monika Schnitzer. „Es bräuchte mehr davon.“
Auch sei fraglich, wie schnell die Maßnahmen wirkten. Erschwerend kommt hinzu: Wahrscheinlich wird nur ein Teil des ohnehin schon kleinen Pakets umgesetzt. Der Steuerbonus für ausländische Fachkräfte ist weder in der Koalition noch in der Bevölkerung mehrheitsfähig. Die „Hintern-hoch-Prämie“ von 1000 Euro für Bürgergeldempfänger, die mindestens ein Jahr arbeiten gehen, ist ebenfalls zum Scheitern verurteilt. Die FDP hält sie für „ein Unding“, SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht das „gesunde Gerechtigkeitsempfinden“ verletzt. Habeck, der die Prämie verteidigt, steht allein da.
Von Strompreisen bis zu Chipsubventionen geht einiges schief
Das ging ihm schon in den vergangenen Monaten häufiger so. Sein stetes Werben für einen staatlich subventionierten Industriestrompreis, ganz im Sinne der Industrieverbände, ließ Scholz an sich abprallen, ebenso Habecks Versuche, der Regierung über eine Reform der Schuldenbremse oder neue Sondervermögen mehr finanziellen Spielraum zu verschaffen. Bei einem anderen Thema könnte es dagegen für Habeck besser laufen: den Netzentgelten. Sie sind quasi der Preis der Energiewende. Mit ihnen wird die Anpassung des Stromnetzes an die schwankenden Erneuerbaren finanziert. Sie halten die Energiekosten hoch.
Dass Unternehmen künftig vor allem dann Strom verbrauchen sollen, wenn der Wind weht und die Sonne scheint, hat viel Empörung ausgelöst. Eine für Habeck und Scholz eigentlich unerfreuliche Entwicklung könnte ihnen nun helfen: die verschobenen Plänen des Chipherstellers Intel in Magdeburg. Zehn Milliarden Euro Zuschuss, gestreckt über mehrere Jahre, sollte Intel bekommen. Während die FDP die vorerst nicht benötigten Mittel nutzen will, um das Haushaltsloch zu stopfen, möchten SPD und Grüne sie umwidmen. Unternehmen mit einem hohen und konstanten Stromverbrauch müssten „weiter und dauerhaft von den reduzierten Netzentgelten profitieren“, sagte Scholz kürzlich auf einer Tagung des Außenhandelsverbands BGA.
Ob das reicht, um wieder Vertrauen in der Wirtschaft zu schaffen, ist fraglich. Der Geschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer griff Habeck am Mittwoch zwar nicht persönlich an. Er klang aber resigniert. „Zwei Rezessionsjahre in Folge gab es in Deutschland bislang nur einmal“, sagte Martin Wansleben mit Verweis auf die Krise nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes 2002/2003. Die Wirtschaftsleistung trete seit fünf Jahren auf der Stelle, die Investitionen seien niedriger als 2019. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer gibt zu bedenken: „Die meisten Menschen bewerten ihre eigene wirtschaftliche Situation durchaus als gut, sie sind aber verunsichert und haben Angst um die eigene Zukunft und die des Landes.“ Im Wahlkampf werde es darum gehen, mit einem „klugen Wirtschaftsprogramm einen Unterschied zu machen“.
„Der kommende Wahlkampf wird ein Wirtschaftswahlkampf“, sagt auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Verena Hubertz. „Wer kein überzeugendes Wirtschaftskonzept hat in Zeiten von Rezession, der wird nicht gewinnen.“ Die Positionierung der SPD zeichnet sich längst ab: als Verteidigerin der Industriearbeitsplätze und Garantin stabiler Renten. Es brauche ein neues Vehikel für Investitionen, sagt Hubertz. „Ein Deutschlandsfonds bündelt nationales und privates Kapital, hilft durch Investitionen bei der Energiewende und lässt uns als Gesellschaft teilhaben. Das bringen wir als SPD in den Wahlkampf mit ein.“ Außerdem müsse beim Thema Bürokratieabbau mehr geschehen. „Weniger die Regeln sind das Problem als die tägliche Erfahrung damit“, findet die Unternehmerin. Sie wünscht sich mehr Risikobereitschaft in der Verwaltung. Eine Forderung, die auch von Robert Habeck kommen könnte.