Rischart Aus München: Großbäcker mit Sinn pro die Heimat

Im Zentrum einer Millionenstadt seine Produktionsstätte zu errichten, ist ein Wagnis. Angesichts der hohen Immobilienpreise rechnet es sich für viele Unternehmen, erst recht für Mittelständler, vor die Stadt zu ziehen. Denn dort lässt sich zu günstigeren Grundstückpreisen das Werk errichten. Ein Mittelständler ist auch die Max Rischart’s Backhaus KG mit einem jährlichen Umsatz in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe.

Es handelt sich um ein Münchner Familienunternehmen, dessen Geschichte bis ins Jahr 1883 zurückreicht. Damals eröffnete Namensgeber Max Rischart die erste Bäckerei in der Isarvorstadt. Nun führt das Unternehmen Magnus Müller-Rischart in fünfter Generation. Er ist zu mutigen Entscheidungen bereit, wie der im Februar eröffnete Neubau auf der Theresienhöhe zeigt. Er liegt nahe an der Theresienwiese, wo vor zwei Monaten das 191. Münchner Oktoberfest beendet worden ist. Dort ist die Großbäckerei mit dem „Café Kaiserschmarrn“-Zelt vertreten.

„Wir sind ein Münchner Unternehmen“

Warum Rischart’s Backhaus bewusst eine Produktionsstätte in Innenstadtlage gewählt hat? Dafür spricht die Geschichte. Das alte Backhaus war im trendigen Gärtnerplatzviertel beheimatet. Nun steht es in einem architektonisch interessanten Glasbau über der Theresienwiese. Von außen können die Backstuben betrachtet werden. Damit will Unternehmenschef Müller-Rischart ein Zeichen setzen: „Mit unserem Standort in der Stadt wollen wir sichtbar machen, dass wir ein Münchner Unternehmen sind und dort unsere Backwaren produzieren“, sagt er im Gespräch mit der F.A.Z.

Das Gebäude wird seinen Angaben zufolge auch für Führungen, zum Beispiel für Schulklassen oder Kunden, offen stehen. Neben den Führungen ist die Vermietung von Flächen für Veranstaltungen geplant. Denkbar seien neben Kochkursen oder Vorträgen auch Firmenfeiern.

Magnus Müller-Rischart
Magnus Müller-RischartFelix Kaspar Rosic

Die zentrale Lage des Backhauses hat Rischart gewählt, weil die 21 Filialen schwerpunktmäßig in der Münchner Innenstadt liegen. „Von der Theresienhöhe können wir sie mit frischen Backwaren mehrmals am Tag beliefern, ohne dass sie in den Filialen aufgebacken werden müssen.“ Müller-Rischart nennt die kurzen Lieferwege als wichtigen Vorteil des Standorts in München.

Günstige Werkswohnungen

Zudem wäre ein Standort außerhalb der Stadt für die Beschäftigten schlechter erreichbar gewesen. Auf der Theresienhöhe arbeiten 185 Personen in Produktion, Logistik, Verwaltung oder im Verkauf im Café. „Unser Standort im Zen­trum ist an den öffentlichen Nahverkehr sehr gut angebunden“, fügt er hinzu. Auf der grünen Wiese hätten wohl die meisten Mitarbeiter mit dem Auto anreisen müssen.

Als weiteren Grund nennt er die 100 Werkswohnungen, die im Zentrum kein Problem gewesen sind. Für Fachkräfte und Auszubildende stellen die hohen Mieten in München eine oftmals schwer zu überwindende Hürde dar. Günstige Werkswohnungen sind ein Grund, sich dann doch für einen Arbeitgeber in der Stadt zu entscheiden. In Gewerbegebieten vor der Stadt wären die Werkswohnungen schwer umzusetzen gewesen, berichtet Müller-Rischart. „Dazu hätten wir eine behördliche Genehmigung benötigt, die in diesen Fällen aber sehr schwierig zu erhalten ist.“ In dem Neubau ist auch das Hotel Cocoon mit 84 Gästezimmern untergebracht.

„Markt ist ausreichend groß“

Als Großbäckerei mit insgesamt 550 Mitarbeitenden in Vollzeit und 75 Auszubildenden fühlt sich Rischart am Standort München sehr wohl. Der Unternehmenschef sieht hier weiterhin Wachstumschancen: „Mit zwei Millionen Einwohnern im Ballungsraum ist der Markt ausreichend groß.“ Für ihn ist die Qualität der Backwaren entscheidend: „Unsere Produkte leben von der Frische.“ Damit könne sich Rischart in diesem Markt auszeichnen. „Wenn wir in andere Regionen expandierten, bekämen wir möglicherweise Qualitätsprobleme.“

Ein Brot oder anderes Gebäck verliert durch das Austrocknen schnell an Geschmack. Das gilt auch für Kuchen. „Wir sind überzeugt, dass sich in unserem Markt Frische durchsetzen wird“, betont Müller-Rischart. Aus diesem Grund produziert die Großbäckerei tagesfrisch und bereitet nichts am Vortag vor. Das bringe einen gewissen Aufwand mit sich, den der Kunde aber auch schmecke, ist er überzeugt. Mit dem Qualitätsansatz sieht er Rischart in München gut positioniert. „Hier gibt es eine hohe Kaufkraft mit einem entsprechenden Qualitätsanspruch der Kundschaft. Die Münchner legen Wert auf gute Backwaren“, sagt er.

Müller-Rischart will mit seiner Großbäckerei gesund wachsen. Er legt hohen Wert auf die Qualität der Backwaren, die unter einem zu starken Wachstum leiden kann. Schon jetzt bedient Rischart in seinen Filialen am Tag 20.000 Kunden und im Jahr acht Millionen. Verkauft werden jährlich 2,4 Millionen Tassen Kaffee, 145.000 Croissants und 1,5 Millionen Kaisersemmeln. Hinsichtlich des Umsatzes sind die erfolgreichsten Produkte die Breze, der Butter-Ring und die Schnittlauchbreze. Das Café am Marienplatz gilt mit jährlich 1,2 Millionen Kunden als meistbesuchte Bäckereifiliale in Deutschland. Als zweitstärkste Filiale nennt Müller-Rischart den Standort am Münchner Hauptbahnhof. „Ich kann mir vorstellen, dass sie zu den stärksten Bäckereifilialen im Netz der Deutschen Bahn zählt“, sagt er selbstbewusst.

Blick in die Backstube: Himbeertörtchen werden vorbereitet.
Blick in die Backstube: Himbeertörtchen werden vorbereitet.Felix Kaspar Rosic

Nun gilt das Augenmerk dem Weihnachtsgeschäft. Mit Beginn der Adventszeit wird das Sortiment um 25 Produkte vergrößert. „Unser Umsatz erhöht sich dadurch spürbar, allerdings nicht nur beim Weihnachtssortiment“, sagt er. Dem Wachstum setzten allerdings Fachkräfte und verlässliche Lieferketten Grenzen. Ein weiterer Grund ist das Kapital, weil Wachstum Geld kostet, zum Beispiel die Eröffnung neuer Filialen. Dann müssten Kapitalgeber reingenommen werden. „Als Familienunternehmen ist uns die Eigenständigkeit sehr wichtig“, betont er und fügt hinzu: „Wir sehen uns ein bisschen als local hero.“

Rischart setzt auf eine „schleichende Expansion“. Anfang November wurde eine neue Filiale am Rosenheimer Platz in München eröffnet. Der Unternehmenschef strebt ein gesundes, organisches Wachstum ohne Abstriche in der Qualität an. Bei der Herstellung und Auswahl der Zutaten legt er großen Wert auf Regionalität neben Qualität und Frische. Doch Bio-Backwaren stellt Rischart nicht mehr her. „Unsere letzten Versuche sind schon einige Jahre her und waren wenig erfolgversprechend“, sagt er. Stärker spürt er den Trend zu vegetarischer oder veganer Ernährung: „Uns ist wichtig, in allen Produktkategorien, von Backwaren über Snacks bis zum Feingebäck, vegane Angebote im Sortiment zu haben.“ Zudem würden regelmäßig weitere vegane Produkte getestet und so das Sortiment erweitert. Zunehmend wichtig werden auch Snacks, zu denen Salate oder Chicken-Curry-Sandwiches zählen.

Besonders viel Herzblut steckt Müller-Rischart in das Oktoberfest-Zelt „Café Kaiserschmarrn“. „Wir freuen uns, hier vertreten sein zu dürfen und die Marke Rischart auch auf der Wiesn so sichtbar zu zeigen.“ Die zwei Wochen Oktoberfest im „Café Kaiserschmarrn“ sind für ihn die intensivste Zeit und der emotionale Höhepunkt des Rischart-Jahres. Besonders die Münchner schätzen das Rischart-Zelt als Alternative zu der Atmosphäre in den großen Bierzelten, die nicht jeder als angenehm empfindet.

Der Unternehmer

Die 1883 in der Münchner Isarvorstadt gegründete Großbäckerei Rischart’s befindet sich seit fünf Generationen in Familienhand. Seit 2009 leitet der inzwischen 47 Jahre alte Magnus Müller-Rischart das Unternehmen. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die Balance zwischen Tradition und Moderne zu halten. Für den Bäcker- und Konditormeister mit Betriebswirtschaftsstudium stand schon in seiner Kindheit fest, den Familienbetrieb weiterzuführen. Der Duft aus der Backstube und die phantasievoll gestalteten Geburtstagstorten weckten seine Begeisterung.