„Riefenstahl“ hinaus dem Filmfest in Venedig: Filmisches Kreuzverhör
Am Lido di Venezia kann man nicht
nur baden, man kann auch in die Kinogeschichte abtauchen. In der Bar des
Luxushotels Excelsior sieht man eine Fotografie von Clark Gable am Strand.
Aufnahmen von Sophia Loren, Anna Magnani und andere Diven zieren die Lobby. Im
Palazzo del Cinema klebt eine Fototapete, die das aufgetakelte Publikum in den
Anfangsjahren des Festivals zeigt: Männer in weißen Jacketts, Frauen in
Abendkleidung. Möglicherweise eine Szene aus der Zeit, in der Leni Riefenstahl gern gesehener
Gast am Lido war und mehrfach ausgezeichnet wurde?
1932, im Gründungsjahr des
Festivals, lief im Wettbewerb ihr Regiedebüt Das blaue Licht, in dem sie auch
die Hauptrolle spielt. Es wurde mit einer Silbermedaille bedacht. Für Olympia
erhielt Riefenstahl 1938 die Coppa Mussolini – so hieß der Hauptpreis des Festivals bis 1942 – für den besten ausländischen Film.
Und nun, fast 90 Jahre später,
präsentiert der deutsche Filmemacher Andres Veiel seinen Dokumentarfilm Riefenstahl auf den Filmfestspielen in Venedig. Darin zeigt eine historische
Sequenz Riefenstahl bei der Premiere des Olympia-Films. Stolz hält sie einen
Strauß Rosen in der Hand, die ihr Adolf Hitler an den Lido schicken ließ.
Mehrmals sind in dem Film
Ausschnitte aus dem raunenden Alpendrama Das blaue Licht zu sehen:
Bei Eis und Wind kämpft Riefenstahl in der Rolle des Bergmädchens Junta um ihr
Leben, unter ihr der Abgrund. Großaufnahmen zeigen ihr verzerrtes Gesicht.
Ähnlich verzerrt sind Riefenstahls Züge, wenn sie während der 1970er- und 80er-Jahre in Interviews und als Talkshowgast im deutschen Fernsehen
darauf beharrt, dass ihre Kunst stets unpolitisch und frei von jeder Ideologie
gewesen sei. Andres Veiels Film eröffnet viele solcher visueller Parallelen,
Details, Analogien.
Für diesen Film hatten der
Regisseur und seine Produzentin Sandra Maischberger erstmals Zugriff auf Leni
Riefenstahls umfangreiches Archiv: 700 Kisten, gefüllt mit rund 50.000 Fotos,
Hunderten von Filmdosen, Korrespondenzen, Kalendern, Audioaufnahmen sowie
privaten Aufnahmen ihres fast 40 Jahre jüngeren Lebensgefährten Horst
Kettner.
Auf der Pressekonferenz in Venedig
präsentiert Andres Veiel den Film gemeinsam mit Maischberger und Stephan
Krumbiegel, der mit zwei Kollegen für die Montage verantwortlich war. Die drei
wirken wie eine verschworene Gemeinschaft. Oder wie drei Menschen, die nach
einer strapaziösen Expedition froh sind, irgendwo angekommen zu sein. Mehrmals
spricht Veiel von einer Achterbahnfahrt. Dann wieder nennt er die mehrjährige
Arbeit an dem Film eine „Reise in die Hölle“. Stets habe eine Frage im Raum
gestanden: Hatte die gewiefte Manipulatorin Leni Riefenstahl nicht auch ihren
Nachlass manipuliert? Die Antwort lautet: mit Sicherheit. Es seien nicht große
Beweise, sondern eher die vielen, kleinen Fundstücke gewesen, die sich
schließlich zu Indizien formiert hätten.
Am Lido di Venezia kann man nicht
nur baden, man kann auch in die Kinogeschichte abtauchen. In der Bar des
Luxushotels Excelsior sieht man eine Fotografie von Clark Gable am Strand.
Aufnahmen von Sophia Loren, Anna Magnani und andere Diven zieren die Lobby. Im
Palazzo del Cinema klebt eine Fototapete, die das aufgetakelte Publikum in den
Anfangsjahren des Festivals zeigt: Männer in weißen Jacketts, Frauen in
Abendkleidung. Möglicherweise eine Szene aus der Zeit, in der Leni Riefenstahl gern gesehener
Gast am Lido war und mehrfach ausgezeichnet wurde?