Ricarda Lang: „Ich saß vor meinem Handy und habe geweint“ – WELT
Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang hat ihr Rücktritt im Nachgang stark mitgenommen. „So richtig emotional umgehauen hat es mich erst eine Woche darauf, als Kevin Kühnert zurückgetreten ist. Ich saß vor meinem Handy und habe geweint“, sagt Lang im Gespräch in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Ein bisschen war es so, als ob in dem Moment ein Teil meines Rücktritts für mich selbst überhaupt erst klar geworden ist.“
Bei einem ihr wichtigen Thema fühle sie sich gescheitert. Ihr Anspruch als Vorsitzende sei es gewesen, dass die Grünen mehr Sensibilität für die Belange von ärmeren Menschen entwickeln. „Ich habe es nicht hinbekommen“, so Lang. Die Grünen würden heute stark als Elitenprojekt wahrgenommen.
Sie habe viel Zeit und Kraft darauf verwendet, Vorurteile gegen sich zu widerlegen, erklärt Lang. „Ich habe versucht, so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten, so ernsthaft, glatt und perfekt wie möglich zu sein. Heute glaube ich, dass man sich dadurch klein macht. Man überlässt anderen die Deutungshoheit über sich. Am Ende wendet man so viel Zeit dafür auf, zu beweisen, wer man nicht ist, dass man dabei vergisst, wer man ist. Das gilt vielleicht nicht nur für mich selbst, sondern auch für uns Grüne insgesamt.“ Im Rückblick frage sie sich, warum sie als Spitzenpolitikerin nicht freier und klarer gesprochen habe.
Lang führte die Grünen drei Jahre lang, gemeinsam mit Omid Nouripour. Nach mehreren schwachen Wahlergebnissen erklärte beide ihren Rückzug. Bei dem Parteitag am 15. November werden sie ihre Ämter abgeben und zwei Nachfolger gewählt werden. Lang war die jüngste Vorsitzende in der Geschichte ihrer Partei.
Source: welt.de