Reserven dieser Zentralbank: Der große Streit um dies Gold

Allgemein wird Italien derzeit dafür gelobt, dass es sich als Teil von Europa begreift – anders als manche Verlautbarungen vor der Wahl von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni befürchten ließen. Und dennoch machen sich immer wieder rechtsnationale Reflexe von zwei der drei Regierungsparteien bemerkbar, die in nostalgischer Anwandlung auf die Souveränität Italiens pochen, als seien nationale Alleingänge in der heutigen Welt der Blockbildung noch möglich.

Der Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei Fratelli d’Italia (FDI) im Senat, Lucio Malan, hat einen Änderungsantrag zum Haushaltsgesetz eingebracht, der das Eigentum der Goldreserven der Banca d’Italia „klären“ soll, wie er ganz unschuldig vorgibt. Sein erster Versuch bestand darin, in einem Gesetzentwurf zu formulieren, dass das Gold bei der italienischen Zentralbank zwar von der Banca d’Italia gehalten und verwaltet werde, es aber „dem Staat im Namen des italienischen Volkes“ gehöre. Angesichts dieser Formulierung kam sofort der Verdacht auf, dass die Regierung möglicherweise Goldreserven verkaufen wolle, weil sie angesichts ihrer hohen Staatsverschuldung und des angestrebten Defizitabbaus Geld braucht – ein Verdacht, den Malan ausdrücklich von sich wies.

Schon seit Jahren drängt Melonis Partei auf nationale Souveränität

Warum dann aber die Initiative gerade jetzt? Schon seit 2014 wolle die FDI die Frage klären, gab er vor. In der Tat steht in einem offiziellen Parteidokument von damals: „Der Staat muss bekräftigen, dass die Goldreserven Eigentum des italienischen Staates und nicht der Banca d’Italia sind.“ Und die Forderung von damals ging noch weiter: „Der Staat muss Maßnahmen ergreifen, damit die Goldreserven im Ausland innerhalb von zwölf Monaten nach Umwandlung des Gesetzesdekrets wieder ins Staatsgebiet zurückgeführt werden“, hieß es. Dazu kam es nie, auch nicht, nachdem die Rechtspartei Lega, die heute auch zur Regierung gehört, 2019 eine ähnliche Initiative gestartet hatte. Die große Masse des italienischen Goldes lagert in Italien, doch ein Teil auch in den USA, Großbritannien und der Schweiz. Eine Rückholaktion fordert die Regierungspartei FDI diesmal nicht.

Die EZB reagierte dennoch verschnupft auf die italienische Debatte. Sie teilte gegenüber dem Finanz- und Wirtschaftsministerium in Rom mit, dass „nicht klar ist, welches konkrete Ziel der Vorschlag verfolgt“. Weil die entsprechenden Erklärungen fehlten, bitte sie darum, die Initiativen „zu überdenken“. Wichtig ist ihr, dass die Banca d’Italia die Goldreserven so wie heute weiter bei sich bilanziert. Allerdings ist die Eigentumsfrage durchaus eine juristische Grauzone – in ganz Europa: Im Vertrag zur EZB „gibt es keinerlei ausdrücklichen Verweis auf das Konzept des Eigentums an diesen Reserven“, sagte die EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Mittwoch im EU-Parlament auf Anfrage der Abgeordneten.

Das Finanzministerium in Rom sucht einen Kompromiss

Die FDI ist inzwischen dabei, zurückzurudern. Denn im Grunde genommen weiß man in Italien, dass man es sich mit Europa nicht verderben darf. Nun ist im jüngsten Gesetzesantrag nicht mehr vom Staat die Rede, sondern es heißt nur noch, dass „die von der Banca d’Italia verwalteten und gehaltenen Goldreserven dem italienischen Volk gehören“. Und das ist nicht das letzte Wort. Das italienische Finanzministerium arbeite an einer neuen Kompromissformel, teilt es auf Anfrage mit. Diese werde dann wieder der EZB vorgelegt, erwartet man in Frankfurt – quasi zur Genehmigung.

Die ganze Debatte ist hoch theoretisch und hat damit einen Sturm im Wasserglas ausgelöst. Nach allgemeiner Rechtsauffassung gehören die Goldreserven den Völkern, und damit haben die gewählten Regierungen Zugriffsrechte. Doch gleichzeitig können die Goldreserven ein Instrument der Zentralbanken sein, um in Finanz- und Währungskrisen die Stabilität des Geldes zu erhalten. Damit dienen sie auch den Interessen der Völker. Theoretisch könnte eine Regierung tatsächlich die Goldreserven verkaufen und damit Steuern senken oder Staatsausgaben erhöhen. Solche Verkaufsaktionen – quasi von „Tafelgold“ – wären aber ein schlechtes Zeichen an Investoren und Wirtschaftspartner in aller Welt, weil sie wie ein Akt der Verzweiflung wahrgenommen werden könnten.

Italien bekommt viel Unterstützung von Europa

Auf jeden Fall geht es um viel Geld. Die Banca d’Italia ist entsprechend der Größe ihrer Goldreserven weltweit die drittgrößte Zentralbank nach den USA und Deutschland: Sie verfügt über 2452 Tonnen, mit einem bilanzierten Gesamtwert von mehr als 200 Milliarden Euro, wobei der Marktwert aufgrund des gestiegenen Goldpreises inzwischen deutlich höher liegt. Diese Summe übertrifft sogar die Milliarden-Überweisungen, die Italien derzeit aus Brüssel erhält.

Über mangelnde Unterstützung aus Europa kann sich das Land nicht beschweren. Vor wenigen Tagen traf die achte Rate der Milliarden-Überweisungen aus dem Europäischen Wiederaufbauplan ein. Mehr als 153 Milliarden Euro an Billigkrediten und Zuschüssen hat das Land damit seit 2022 im Zuge des während der Pandemie beschlossenen riesigen Subventionsplanes erhalten – so viel wie kein anderes Land.

In diesen Tagen freut sich die Regierung Meloni auch über das Vertrauen der internationalen Investoren. Der Zinsabstand der zehnjährigen Staatsanleihen Italiens zu den Papieren Deutschlands ist auf 70 Punkte gesunken, so niedrig wie seit 2009 nicht mehr und weniger als der Zinsabstand zwischen Frankreich und Deutschland. Dieses Vertrauen verdankt Italien als Staat mit der zweithöchsten öffentlichen Verschuldung Europas nicht nur dem Defizitabbau der Regierung, sondern auch dem Umstand, dass es zur Europäischen Währungsunion mit ihren Sicherungsmechanismen gehört. Der Zugriff auf die Goldreserven ist insofern kein Spiel, mit dem leichtfertig umzugehen ist. Schweigen wäre demnach vielleicht Gold gewesen.