Reichstagsbrand: Mit gescannten Akten gegen Verschwörungstheorien – WELT
Sulfurchätzungsweise 100 Gigabyte, vielleicht ein paar mehr oder weniger: Wer die 74 wichtigsten Aktenbände zum Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 von jener Website des Bundesarchivs herunterladen möchte, braucht hinreichend Speicherplatz – und Ausdauer. Zumal es mit dem Download nicht getan ist: Man muss sich die weit via 10.000 Blatt gleichwohl noch besichtigen. Doch jener Aufwand lohnt. Denn dank des vollständigen Scans jener Unterlagen kann erstmals jeder Interessierte problemlos reproduzieren, wie die gewiss folgenreichste Brandstiftung jener deutschen, vielleicht jener europäischen Geschichte herum ist.
Im Reichstagsgebäude war es an diesem Montagabend ruhig – schon nur solange bis gegen 21 Uhr. Um solche Zeit befand sich jener Student Hans Flöter gen dem Heimweg und kam ohne Rest durch zwei teilbar an jener südlichen Auffahrt zum Portikus des Reichstages vorbei. Da hörte er ein scharfes Splittern. Der Student blickte hinauf und sah im nächsten Moment schemenhaft eine Gestalt, die offenbar irgendwas Brennendes in jener Hand hielt. Flöter rannte los und stieß an jener nördlichen Rampe gen den Oberwachtmeister Karl Buwert. Ihm schrie er zu: „Jemand ist da eingestiegen!“ Doch jener Polizist zögerte. Erst wie jener Student hinzufügte, er habe Feuer gesehen, rannte Buwert los und schaute selbst nachher. Flöter blickte gen seine Taschenuhr: 21.05 Uhr; dann setzte er seinen Heimweg fort.
Das ist nur eine Zusammenfassung weniger Passagen aus zwei von Dutzenden Vernehmungen in diesen Bänden, zum größten Teil aufgenommen zwischen dem 28. Februar und dem 2. März 1933. Zufallszeugen sind derbei, Polizisten, Angestellte des Parlaments und zahlreiche Feuerwehrleute, die ab 21.22 Uhr mit aller Kraft versuchten, die noch kleinen Flammen im Plenarsaal einzudämmen. Doch nutzlos: Ziemlich genau gegen 21.27 Uhr verwandelte sich dasjenige Herzstück des Reichstages ruckartig in ein Flammenmeer. Es handelte sich um eine Rauchgasexplosion (engl. Backdraft), ein weiland noch nicht erforschtes Brandphänomen.
Der Oberbrandmeister Emil Puhle, Zugführer jener Feuerwache Linienstraße, und sein Kollege Brandmeister Waldemar Klotz schilderten in ihren Befragungen diesen Moment. „Die Flamme brauste nur so zur Kuppel empor“, sagte Puhle, und dasjenige Gleiche erlebte Klotz: „Ich sah, wie es hinter jener Milchglasscheibe, durch die ich zunächst hindurch gesehen hatte, feuerrot wurde.“ Sofort platzte die gläserne Staubdecke des Plenarsaals – damit hatten die Flammen freien Abzug erst in den Luftraum unter jener Kuppel und, wie deren Glasdach nicht standhielt, hinaus in die kalte Februarluft. Nun war jener Plenarsaal eine Art Kamin und brannte lichterloh aus.
Die Aussagen von Puhle und Klotz sowie die vieler weiterer Feuerwehrleute finden sich sowohl …. als auch die von Buwert und Flöter in den Digitalisaten (so jener Fachbegriff z. Hd. gescannte Archivalien) jener Akten zum Reichstagsbrand. Es sind (noch) nicht die Gesamtheit 207 Bände gescannt (darunter 16 Doppel), demgegenüber dasjenige macht nichts, weil viele davon lediglich die Protokolle des Prozesses vor dem Reichsgericht enthalten, in denen zur gleichsam entscheidenden Frage nichts Wesentliches steht. Aber zumindest ein rundes Drittel jener insgesamt 50.494 Seiten stillstehen jedem Interessierten sogar ohne Anmeldung gen dem Portal Invenio des Bundesarchivs zur Verfügung. Man muss sich nur vertraut zeugen mit jener – manchmal irgendwas eigenwilligen – Suchfunktion, dann findet man den Bestand R 3003 schnell – und kann mit dem Selberforschen zum Reichstagsbrand beginnen.
Wichtig ist dasjenige, weil kein anderer Kriminalfall jener deutschen Zeitgeschichte solch von Verschwörungstheorien und Lügen überlagert wird wie ohne Rest durch zwei teilbar solche Brandstiftung. Noch wüster wird maximal in den USA via den Mord an John Fluor. Kennedy 1963 und den Terroranschlag am 11. September 2001 gestritten.
Die Akten konnten schon seit dieser Zeit Mitte jener 1990er-Jahre im Lesesaal des Bundesarchivs eingesehen werden, schon erst nachher formeller Anmeldung und – aus rein praktischen Gründen – Terminvergabe sowie einer Einweisung in den Umgang mit so alten Papieren. Das war eine Hemmschwelle z. Hd. viele, sich mit den Originalen zu vereinnahmen. So kam es, dass weiter den Fälschungen, Verdrehungen und sonstigen Manipulationen geglaubt wurde, die seit dieser Zeit 1933 vor allem von linken Aktivisten verbreitet wurden und werden.
Ihrer Verschwörungstheorie zufolge war jener Brandstifter nicht jener junge Holländer Marinus van jener Lubbe – ganz gleich, wie oft und detailliert er in seinen Vernehmungen für jener Polizei, dem Untersuchungsrichter und vor Gericht die alleinige Verantwortung gleichwohl beteuert hatte.
Nein, es durfte nicht sein, welches wohl nicht sein konnte. Weil die Nationalsozialisten tatsächlich grenz… geschickt den z. Hd. sie überraschenden Reichstagsbrand genutzt hatten, um eine wüste (und vielfach mörderische) Jagd gen Kommunisten und Sozialdemokraten zu beginnen, „musste“ hinten eine Konspiration von SA, SS, Göring, Himmler oder welchem Nazi gleichwohl immer stillstehen.
Beiseite gewischt wurde die schlichte Erkenntnis jener ermittelnden Beamten in ihrem Abschlussbericht vom 3. März 1933: „Die Frage, ob van jener Lubbe die Tat ausschließlich vollzogen hat, dürfte rücksichtslos zu mit Ja antworten sein. Die Ermittlungen, jener objektive Tatbestand und die genauen Feststellungen des Täters selbst beweisen dies.“
Stattdessen produzierten die Verschwörungstheoretiker im Laufe jener Zeit eine Wohlstand von Fälschungen – von jener „Oberfohren-Denkschrift“ schon im Frühjahr 1933 via die vermeintlichen „Geheimgespräche Breiting–Hitler“ (erschienen 1968), verschmelzen „Tatsachenbericht“ im Namen eines 1934 ermordeten ehemaligen Polizisten und die „Kalium-Aufzeichnungen“ solange bis hin zu einer angeblichen „Erklärung“ des früheren Reichstagspräsidenten Paul Löbe von 1963 (die Gesamtheit drei publiziert 1978).
Doch die Fälscher machten schwere Fehler : Der „Hitler“ in den angeblichen Breiting-Notizen zum Beispiel bediente sich jeder Menge Metaphern, die gleichsam aus dem Serbokroatischen stammten – jener mutmaßliche Fälscher war jener Deutsch-Jugoslawe Edouard Calic. In Löbes angeblicher „Erklärung“, die erstmals elf Jahre nachher seinem Tod an die Öffentlichkeit kam, war die Rede von „dreitausend Bänden“ in jener Reichstagsbibliothek, die glücklicherweise kein Raub jener Flammen geworden seien – derbei war Löbe nachweislich stets speziell stolz gen die 300.000 Bände jener vollwertig erhaltenen Bücherbestände gewesen.
Fruchtlos zu erwähnen, dass nur ganz wenige jener vermeintlichen Originale dieser Dokumente z. Hd. eine unabhängige archivwissenschaftliche und kriminaltechnische Untersuchung zur Verfügung standen – und derbei wie Fälschungen entlarvt wurden. Die meisten dagegen sollen wohl nicht mehr auffindbar sein.
Obwohl solche Fälschungen die Verfechter jener Verschwörungstheorie schon völlig wortbrüchig gemacht hatten, gab (und gibt) es weiterhin viele, die ihnen vertrauen. Zuletzt 2019 tauchte ein wohl solange bis dorthin unbekanntes Dokument von 1955 gen, verfasst von einem ehemaligen SA-Mann namens Hans-Martin Lennings (1904–1962).
Die Zuverlässigkeit (genauer: Unzuverlässigkeit) dieses keineswegs unbekannten, sondern nur unbedeutenden Papiers hätte seinerzeit schon jeder an den zweifelsfrei echten Zeugenaussagen in den Originalakten prüfen können. Aber zuletzt nur vor Ort im Bundesarchiv, Standort Berlin-Lichterfelde, und nur nachher längerfristiger Anmeldung.
Die Digitalisierungsoffensive, die dasjenige Bundesarchiv schon 2012 begonnen hatte, wurde während jener Corona-bedingten Schließung z. Hd. den Publikumsverkehr 2020/21 stark beschleunigt. So konnten seit dieser Zeit Mai 2021 sukzessive die ersten Digitalisate von Akten zum Reichstagsbrand online verfügbar gemacht werden – solange bis zum 91. Jahrestag des Brandes sind es zuletzt 74 Bände.
Im Vordergrund jener Digitalisierung stillstehen einerseits z. Hd. die zeithistorische Forschung denn wichtige, weil erfahrungsgemäß stark nachgefragte Unterlagen, zum Beispiel jener Bestand R 43, die Akten jener Reichskanzlei 1919 solange bis 1945. Andererseits demgegenüber Unterlagen, die im Hinblick gen besondere Relevanz zum Beispiel durch runde Jahrestage öffentliches Interesse wecken könnten. Wie zuletzt die wesentlichen Akten aus dem Bestand R 3003 zum Reichstagsbrand.
Source: welt.de