Reiche in Italien: Berlin und Rom verbinden gegen dasjenige Verbrenner-Aus
Deutschland und Italien sprechen seit Antritt der schwarz-roten Bundesregierung in Berlin wieder eine gemeinsame Sprache. Das war eine zentrale Botschaft beim Zusammentreffen von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche mit dem italienischen Industrieminister Adolfo Urso in Rom. Dass Letzterer mit Reiche-Vorgänger Robert Habeck weniger auf einer Linie lag, kam nicht ausdrücklich zur Sprache, doch lag es spürbar in der Luft. Heute sind die entsprechenden Ministerien in Berlin und Rom mit Vertretern des konservativ-liberalen Lagers besetzt. Daher treten nun auch beide bei der Klimapolitik ordentlich auf die Bremse – um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu erhalten, wie sie nach ihren Gesprächen im italienischen Ministerium in Rom bekundeten.

Nirgendwo tritt die „volle Harmonie“ nach Worten Ursos stärker zutage als bei der deutsch-italienischen Forderung nach Verschiebung des Verbrenner-Aus. „Das angestrebte 100-Prozent-Ziel von E-Auto-Zulassungen im Jahr 2035 ist nicht in realistischer Nähe“, sagte Ministerin Reiche – eine Feststellung, welche die italienische Regierung schon lange trifft, zumal in ihrem Land die E-Neuzulassungen noch viel weiter zurückliegen als in Deutschland. Reiche betonte, dass zur Erreichung des Verbrenner-Aus die Kaufbereitschaft von derzeit 15 bis 20 Prozent der Neuzulassungen (in Deutschland, nicht in Italien) um den Faktor sechs bis sieben steigen müssten; die Ladesäulen müssten um den Faktor sechs bis sieben schneller ausgebaut werden, und die Batterieproduktion müsste in zehn Jahren um den Faktor sieben gesteigert werden.
Hybrid, Range-Extender und Biokraftstoffe brauchten neue Chancen
Daher fordern die Regierungen in einer gemeinsamen Erklärung, dass „über das Jahr 2035 hinaus auch Fahrzeuge, die nicht ausschließlich elektrisch betrieben sind, vermarktet werden können, also Fahrzeuge wie Plug-in-Hybride oder Fahrzeuge mit verlängerter Reichweite und hocheffizienten Verbrennungsmotoren, die mit emissionsarmen und emissionsfreien Kraftstoffen betrieben werden“. Zudem dürfe der Sektor der Unternehmensflotten nicht durch Emissionsziele überlastet werden.
Die Minister begründeten ihre Nähe mit dem Hinweis auf die ähnlichen Wirtschaftsstrukturen in den Ländern: Der Mittelstand dominiere, oft in Familienhand, auf beiden Seiten der Alpen, und die Unternehmen seien stark exportorientiert. Bezüglich der Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes innerhalb der Volkswirtschaften sind Deutschland und Italien die Nummer Eins und zwei in Europa. Zuletzt hat sich aufgrund der wachsenden Handelshemmnisse und andere Hindernisse, wie etwa hoher Energiepreise, das Wirtschaftswachstum jedoch verlangsamt – in Deutschland wie in Italien. Im vergangenen Jahr erreichte das gemeinsame Handelsvolumen 147 Milliarden Euro, ein Rückgang von vier Prozent gegenüber dem Vorjahr, doch noch der dritthöchste Wert der Geschichte, wie Reiche betonte. Die Autoindustrie stelle den Kern der industriellen Stärke dar, weil sie innovativ bleibe. Die deutsche Wirtschaftsministerin betonte, dass die europäische Autoindustrie 350 neue E-Modelle bis 2032 auf den Markt bringen werde und jährlich 150 Milliarden Euro investiere, davon 90 Prozent in neue Technologien.
Mehr Schutz auch für energieintensive Branchen gefordert
Minister Urso forderte zusätzlich mehr Rücksichtnahme auf die Stahlindustrie. In Italien steckt besonders das große Stahlwerk in Taranto im Süden des Landes in Schwierigkeiten, für das die Regierung bisher keinen Käufer gefunden hat. Allgemein sollen energieintensive Branchen weiter Sonderregelungen genießen, solange der geplante Zollschutz gegenüber außereuropäischen Einfuhren über das EU-System namens CBAM nicht voll funktioniere. Besonderen Schutz verlangen Deutschland und Italien für die Industrien Chemie, Papier, Glass, Keramik und Zement.
Am 23. Januar 2026 finden auf Ebene von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Bundeskanzler Merz Regierungskonsultationen in Rom statt, welche die Zusammenarbeit weiter vertiefen sollen. Reiche forderte am Mittwoch in Rom nicht zuletzt auch eine Verabschiedung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und dem Mercosur-Raum bis zum Jahresende. Urso fügte hinzu, dass dabei der italienische Agrarsektor ausreichend geschützt werden müsse.