Regierungserklärung: Merz will nicht Spielball von Großmächten sein

Es ist die letzte Sitzungswoche des Bundestags in diesem Jahr, und Friedrich Merz beschäftigt sich mit dem Thema, das weit über das Jahr 2025 hinausragt: die dauerhafte Unterstützung der Ukraine. Durch den Angriffskrieg Russlands erlebe die internationale Ordnung eine tiefgreifende Erschütterung, wie der Bundeskanzler am Mittwochnachmittag im Bundestag in seiner Regierungserklärung sagte. Deutschland dürfe angesichts der globalen Verschiebungen aber nicht Objekt oder Opfer werden. „Wir sind kein Spielball von Großmächten“, sagte Merz. Deutschland müsse stattdessen ein handlungsfähiger Akteur bleiben.

Der Kanzler bezog das auf das Gebaren Russlands, aber nicht nur. Deutschland steht umfassend unter Druck, das machte er deutlich, etwa durch Angriffe auf den Freihandel. Das half, die sonst oft streitende Koalition zum Ende des Jahres etwas zusammenrücken zu lassen. In seltener Einigkeit hatten die Koalitionspartner Merz für seine diplomatischen Bemühungen der vergangenen Tage gelobt. Auch wenn vieles noch ungewiss ist. In allererster Linie: Wie kann die Abwehrfähigkeit der Ukraine weiter finanziert werden? Der Anlass für Merz’ Regierungserklärung war der am Donnerstag beginnende Europäische Rat in Brüssel. Dort soll diskutiert werden, ob und wie man die eingefrorenen Gelder Russlands in Europa nutzen kann, um die Ukraine zu stärken.

Merz fordert von EU-Gipfel klares Signal an Putin

Schon diese Verhandlungen gestalten sich äußerst schwierig. Einige EU-Staaten haben erhebliche Bedenken. Merz sagte am Mittwoch im Bundestag, er sei davon überzeugt, dass das geplante Vorgehen völkerrechtskonform sei. Noch ferner erscheinen die weiteren Schritte hin zu einem Frieden. Merz aber gab sich am Mittwoch optimistisch. Man erlebe eine außergewöhnliche Dynamik derzeit. Man sei bei den Verhandlungen in Berlin ein gutes Stück vorangekommen. „Wir wollen so schnell wie möglich einen Waffenstillstand in der Ukraine.“ Merz erinnerte dann jedoch daran, wie Russlands Machthaber Wladimir Putin auf den Vorschlag des Kanzlers nach einer Waffenruhe über Weihnachten reagiert habe, nämlich ablehnend. Das sei an „Zynismus und Brutalität nicht zu überbieten“. Man müsse Russland mit einer eindeutigen Haltung Europas klarmachen, dass dieser Krieg nichts bringe.

Merz dankte den Ukrainern für ihren Kampf. Sie kämpften nicht nur für ihre eigene Freiheit, sondern auch für die Deutschlands und Europas. Bei dieser Gelegenheit gab Merz auch der AfD-Fraktion noch einen mit. Es sei offensichtlich in diesem Parlament, wer an der Seite der Ukrainer stehe und wer nicht.

Der Krieg in der Ukraine hatte den Kanzler schon zuvor im Plenum des Bundestages beschäftigt. Unmittelbar bevor er seine Regierungserklärung abgab, war er im Zuge der Regierungsbefragung von den Abgeordneten aller Parteien zwar zu unterschiedlichsten Themen um Auskunft gebeten worden. Es ging um die chemische Industrie in Deutschland, den Wohnungsbau, die Pflege. Doch gleich zu Beginn der Befragung um 14 Uhr hatte der AfD-Abgeordnete Markus Frohnmaier versucht, die am Tag zuvor aufgeflammte Debatte darüber, ob ein Waffenstillstand oder gar Frieden in der Ukraine mit deutschen Soldaten abgesichert werden solle, weiter anzufachen.

Sicherheitsgarantien nach einem Waffenstillstand

Frohnmaier wollte wissen, wie viele Bundeswehrsoldaten in der Ukraine eingesetzt werden sollten. Merz konnte leicht ausweichen und sagte, über Sicherheitsgarantien werde nach einem Waffenstillstand gesprochen. So wiederholte er es später in seiner Regierungserklärung.

Noch einfacher war es für den Bundeskanzler, auf die Frage seines CDU-Parteifreundes Jürgen Hardt, des außenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, zu antworten. Hardt gratulierte Merz zu dem „großen Erfolg“, der seiner Meinung nach das Treffen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit amerikanischen Unterhändlern und vielen europäischen Staats- und Regierungschefs in Berlin gewesen sei. Wie es nun weitergehe, wollte Hardt wissen. Merz antwortete, der 28-Punkte-Plan der Amerikaner sei auf 20 Punkte gekürzt worden. Nun würden die am Sonntag und Montag ausgehandelten Vorschläge vor allem von den Amerikanern in Moskau vorgebracht.

Wie üblich in dieser Form des Austauschs fielen die Fragen kritischer oder weniger kritisch aus, je nachdem ob Abgeordnete der Opposition oder der Koalition an der Reihe waren. Als allerdings ein Mitglied der CDU/CSU-Fraktion von Friedrich Merz wissen wollte, ob er weiter „so kraftvoll“ für den Bürokratieabbau kämpfen werde, mussten selbst einige in den Reihen der Unionsfraktion schmunzeln über diese tiefe Verbeugung.

Source: faz.net