Regierung mit Geert Wilders: Die Niederlande hinter welcher Brandmauer gegen rechts

Geert Wilders wirkt gelöst. Nach mühsamen Verhandlungen kann er vor Tagen mitteilen, dass die lange fragliche Rechtsregierung nunmehr beschlossene Sache sei. „Ein Traum, der Wirklichkeit wird“, findet er. Den künftigen Partnern – der liberal-rechten Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), dem sozialkonservativen Nieuw Sociaal Contract (NSC) wie der BoerBurgerBeweging (BBB) – wird „von Herzen“ gedankt. Als das Ganze rührselig zu werden droht, schließt Wilders mit der Ansage: „Die Niederlande werden wieder uns gehören.“

Zuletzt fand er sich von mancher Zeitung in „Milders“ umbenannt und ob seiner Kompromissbereitschaft gelobt. Er gab das Islam-Verdikt seiner Freiheitspartei (PVV) auf, um die Koalitionäre nicht abzuschrecken. Der „Asyl-Tsunami“, der weiter bei jeder Gelegenheit bemüht wird, fiel dagegen weniger ins Gewicht. „Premier aller Niederländer“ wollte Wilders werden, bevor er diese Ambition der Regierungsfähigkeit opferte. Doch dürfte kein Geläuterter den mit „Hoffnung, Mut, Stolz“ überschriebenen Koalitionsvertrag gebilligt haben, sondern jemand, der seiner Karriere einen Höhepunkt verschafft. Dieses Abkommen vereint die „Existenzsicherheits“-Ideen der Partei NSC mit Klimaskepsis, Einschnitten im Beamtenapparat und im öffentlichen Rundfunk sowie „den strengsten Zugangsregeln“ für Asylbewerber und Migranten in der EU. Letzteres beinhaltet eine „Opt-out“-Klausel, um sich aus dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) ausklinken und Notstandsgesetze beschließen zu können, falls die Regierung demnächst eine „Asylkrise“ ausruft.

Geert Wilders baut auf Konsens

Zudem sollen auf den Autobahnen wieder Geschwindigkeiten von 130 statt 100 Stundenkilometern erlaubt sein. Die Sonne werde wieder scheinen über den Niederlanden, so der verhinderte Premier Geert Wilders. Ab wann dies gilt, ist noch offen. Gleiches trifft auf die Riege der Minister und Staatssekretäre zu, die – ein Novum in den Niederlanden – vorwiegend „außerparlamentarische Experten“ sein sollen. Hier wird ein Modell favorisiert, das Debatten garantiert. Immerhin steht die Frage im Raum, wie die vier Koalitionsparteien womöglich politikferne Akteure dazu bringen wollen, ihrer Agenda zu folgen. Würde das ohne große Reibungsverluste gelingen, wäre dem zu entnehmen, dass die Vorstellungen von Parteien wie der PVV, der FPÖ in Österreich oder dem Rassemblement National in Frankreich konsensfähiger werden. „Im Herzen der Macht“ verorte er, so Wilders nach der Einigung über die Regierung, seine Partei. Was das heißt, zeigte sich, als die beiden Moderatoren der Koalitionsgespräche die 26-Seiten-Übereinkunft dem Parlamentsvorsitzenden überreichten – dem PVV-Ideologen Martin Bosma.

Wenn in der ersten Juni-Hälfte das Kabinett vereidigt wird, ist damit ein offizieller Schlusspunkt unter einen Prozess gesetzt, der andernorts – in Italien, Österreich oder Schweden – längst kein Tabu mehr ist: das Einreißen einer Brandmauer. Sie wurde gegen rechtsextreme beziehungsweise rechtsnationale Parteien reklamiert, die einen identitären Populismus verkörpern. Geert Wilders wird sich nun entscheiden müssen, ob er unter diesen Umständen weiter das Image eines Anwalts der von Politik und Eliten entfremdeten Milieus pflegen will.

Bevor die Niederlande in das, wie es die Tageszeitung Volkskrant formuliert, „größte politische Experiment seit dem Zweiten Weltkrieg“ starten, lohnt es sich, noch einen Blick auf dessen Zustandekommen zu werfen. Trotz erheblicher Zweifel sind die bisherige Regierungspartei VVD und der NSC nicht abgesprungen. Sie mussten Neuwahlen ebenso fürchten wie eine öffentliche Meinung, die – von Wilders angestachelt – auf das vermeintliche Recht seiner Freiheitspartei pocht, mitzuregieren. Alles andere wurde als Verrat an der Demokratie gewertet. So sieht sie aus – die neue Realität hinter der Brandmauer.