Rechtspopulismus in Ostmark: Warum ich Ostmark noch immer hasse

Wir
schreiben das Jahr 2019. Ich bin das Gesicht von Vice Österreich und
veröffentliche meine erste Kolumne: „Warum ich Österreich hasse„. Der Text ging viral – und landete in rechten Kreisen. Ich
erhielt Hunderte von Beleidigungen und Bedrohungen. Fremde Männer schickten mir
in privaten Nachrichten Vergewaltigungswünsche, ich wurde von Rechten mit
großer Reichweite an den Pranger gestellt. Die nationalistische Plattform Unzensuriert bezichtigte mich der Hetze gegen Österreich und forderte die
Volksanwaltschaft dazu auf, rechtliche Schritte gegen mich einzuleiten. Bin ich
mit meinem Österreich-Hass zu weit gegangen? War die Gewalt, die mir entgegen
schwappte, gerechtfertigt?

Fünf
Jahre später bin ich nicht nur das ewige Ausländerkind, ich bin plötzlich auch
die „hässliche Lesbe“. Zumindest schreiben mir das fremde Personen nach
TV-Auftritten oder wenn sie über einen Instagram-Beitrag von mir stolpern und
sich von meinen Worten angegriffen fühlen.

2022
outete ich mich vor der Öffentlichkeit. Männer wünschen mir seither einen
einsamen Tod, mutmaßlich weil ich nicht auf sie stehe. Rechte haben mit meinem Coming-out
einen Grund mehr, mich zu hassen. Nun, ich hasse zurück; alles, wofür der
Begriff Heimat steht. Österreicher nehmen Kritik gegen ihre Heimat immer sehr
persönlich. Vielleicht treffe ich sie mit meinen Worten, wo mich ihre
Schimpftiraden gegen meine Queerness treffen sollen – da, wo es besonders
wehtut. Man möge mir im Nachgang per Mail und Doktortitel in der Signatur
erklären, dass man Gleiches nicht mit Gleichem bekämpft. Gratuliere zur Tugend,
meine Antwort auf Hass bleibt Hass.

Ich
nenne Österreich gerne das Land der Punschkrapfen, weil ich die Beschreibung
„außen rosa, innen braun, immer ein bisschen betrunken“ als sehr passend
empfinde. Wäre Österreich ein Spiel, ich hätte es durchgespielt, als ich
lernte, dass das gar kein Zitat von Thomas Bernhard, sondern ein Witz aus Kärnten
aus den Siebzigerjahren ist
. Die Punschkrapfen rühmen sich mit ihrer
Weltoffenheit und gehen dabei gerne in den Vergleich: In meinem Fall muss das
vom Krieg gezeichnete und von korrupten Politikern regierte Land
Bosnien-Herzegowina herhalten. Seit meinem öffentlichen Coming-out heißt es bei
von mir erbrachter Österreich-Kritik schnell, dass ich mich zurück nach Bosnien
schleichen soll, um dort zu sehen, wie meine Landsleute mit Lesben umgehen.

Unrecht
haben die Punschkrapfen nicht. In Bosnien-Herzegowina, dem Herkunftsland meiner
Eltern, sind queere Personen extrem vielen Gefahren ausgesetzt. Es kommt vermehrt zu
körperlichen Übergriffen
,
Politiker sprechen sich offen gegen Queerness aus und werden von ihrer
Wählerschaft dafür gefeiert. Der rechtsradikale Politiker Milorad Dodik will queeren Personen den Zugang zu Bildungseinrichtungen verbieten. Er gilt als „Putins bester Mann“ auf dem Balkan. Die EU kritisiert diese
Aktionen zwar laufend, aber Dodiks Anhänger hassen die EU ohnehin.

Bosnien
war nie mein Zuhause, hat sich aber immer wie mein Zuhause angefühlt. Seit ich
geoutet bin, ist das anders. Früher war ich in Bosnien zwar die Švabica,
das Diaspora-Mädchen mit den vielen deutschen Wörtern und Lücken im bosnischen
Vokabular, trotzdem fühlte ich mich immer sicher und willkommen. Seit ich
öffentlich über meine Queerness spreche, war ich nicht mehr im Heimatdorf
meiner Mutter, in dem ich meine Sommerferien früher so gern verbrachte. Ich
weiß nicht, wer von den Nachbarn und Bekannten mir auf Instagram folgt. Mein
Coming-out-Video wurde eine Viertel Million Mal abgespielt. Ich weiß nicht, ob
es auch auf den Bildschirmen meiner ehemaligen Friends gelaufen ist – viele von
ihnen haben Familie in deutschsprachigen Ländern und verstehen dementsprechend
ein paar Brocken Deutsch. Meine Sehnsucht hat sich multipliziert, seit ich
weiß, dass Bosnien kein Rückzugsort mehr für mich ist.