Raumfahrt-Start-up: Von Gauting in den Weltraum

Es kann noch ein weiter Weg sein, bis es die erste Raumkapsel in das Weltall schafft. Doch mit dem ehrgeizigen Ziel, es bis zum Jahr 2028 hinzubekommen, erntet das deutsch-französische Raumfahrt-Start-up The Exploration Company (TEC) schon viele Vorschusslorbeeren. So ist es auch am Montagnachmittag zur Eröffnung des neuen Produktionsstandorts in Gauting gewesen, in unmittelbarer Nähe zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Mit Dorothee Bär (CSU), Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt, sowie dem bayrischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und seinem für Wissenschaft zuständigen Kabinettskollegen Markus Blume (CSU) fand auch Politprominenz den Weg in den Südwesten Münchens. Schließlich wird der kommerziellen Raumfahrt bis Ende 2030 ein Marktpotential von mehr als einer Billion Euro vorausgesagt und darüber hinaus eine strategische Bedeutung für die Verteidigung zugesprochen.

Das All als Schlachtfeld der Zukunft

Gründerin und Vorstandschefin Helene Huby begründete in ihrer Ansprache die Motivation, ein deutsch-französisches Unternehmen zu gründen, mit den schützenswerten Idealen Europas, insbesondere der Demokratie. Das dürfte in Berlin auf offene Ohren stoßen, nachdem Verteidigungsminister Boris Pistorius vor wenigen Wochen angekündigt hatte, bis zum Jahr 2030 rund 35 Milliarden Euro in die Weltraumsicherheit investieren zu wollen. Es gilt als sicher, dass die Konflikte der Zukunft auch im Weltraum ausgetragen werden. Und hier will sich Huby mit ihrem Start-up positionieren.

Sie kann nun auf namhafte Unterstützung aus den Vereinigten Staaten zählen: Die frühere Managerin der US-Weltraumbehörde Nasa, Kathy Lueders, wird TEC in Zukunft beraten. Sie war in der Nasa für die Kommerzialisierung der Raumfahrt zuständig und ebnete den Weg für SpaceX. Für das Raumfahrtunternehmen von Elon Musk hat Lueders dann später gearbeitet.

Mit der SpaceX-Rakete „Falcon“ hat TEC schon die erste Testkapsel „Mission Possible“ in den Weltraum geschickt. Der Prototyp kehrte zwar wieder in die Erdatmosphäre zurück, stürzte aber dann ins Meer. TEC stellt anders als das ebenfalls in München ansässige Start-up Isar Aerospace keine Trägerraketen her, sondern Raumkapseln, die in ferner Zukunft Menschen und andere Fracht in den Weltraum transportieren sollen, zum Beispiel zur Internationalen Raumstation ISS.

Mehr europäische Autonomie

Huby verwies auf die Bedeutung europäischer Unabhängigkeit in der Raumfahrt. Anstatt im Jahr Hunderte von Millionen Euro in die USA für die in Anspruch genommen Trägerraketen zu überweisen, könne mit dem technologischen Wissen die Raumfahrttechnologie in Europa entwickelt werden.

Das gefiel Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger, der sich mehr Unabhängigkeit in der Raumfahrt von den USA wünscht. In Bayern stellt er viel Aufbruchstimmung in der Branche fest. Der neue Produktionsstandort von TEC sei ein wichtiger wirtschaftlicher Impuls für den Freistaat.

Das Raumfahrt-Start-up wird in Gauting auf Produktionshallen von Lilium zurückgreifen. Es bleibt zu hoffen, dass dies kein schlechtes Omen ist. Denn der Hersteller von senkrecht startenden Flugobjekten ist insolvent und musste vor kurzem seine Patente an das US-Unternehmen Archer Aviation für 18 Millionen Euro verkaufen. Von dem einstigen Finanzierungsvolumen von 1,5 Milliarden Euro ist bei Lilium nicht viel übrig geblieben.

Mehr Anteile an der ESA

Da nehmen sich die Zahlen bei TEC bescheiden aus. In der jüngsten Finanzierungsrunde wurden 150 Millionen Euro eingesammelt, was für Raumfahrt-Start-ups ein stolzer Betrag ist. Wichtige Unterstützung kommt von der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA, deren Chef Josef Aschbacher auf Start-ups setzt und die Raumfahrt nach Vorbild der Nasa stärker kommerzialisieren will. Zudem drängt der Österreicher auf mehr europäische Autonomie im All, wie er Mitte Juni im Gespräch mit der F.A.Z. sagte.

Bundesforschungsministerin Bär misst der Ende November in Bremen stattfindenden ESA-Ministerratskonferenz große Bedeutung bei. Deutschland werde seine ESA-Anteile erhöhen, kündigte sie an und sprach von einem Milliardenbetrag. Von der ESA ist TEC zusammen mit dem italienisch-französischen Unternehmen Thales Alenia Space ausgewählt worden, eine Raumfahrtkapsel zu entwickeln, mit der Fracht und Menschen in das All gebracht werden können.

Dafür wäre es hilfreich, wenn die erste TEC-Raumkapsel mit dem Namen Nyx es bis 2028 in den Weltraum schaffen würde. Doch solche Weltraumfrachter gelten gegenüber Trägerraketen als technisch komplexer. Immerhin sieht Huby Bayern und vor allem München als geeigneten Standort, denn mit der Technischen Universität München (TUM) gibt es stets Nachschub an talentierten Wissenschaftlern.