Proteste in jener Türkei: Türkei nimmt Anwalt von inhaftiertem Oppositionellen İmamoğlu hold

Nach dem Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu haben die türkischen Behörden jetzt auch einen seiner Anwälte festgenommen. Das teilte Turan Taşkın Ozer, ein Abgeordneter der größten Oppositionspartei CHP, mit. Der Anwalt habe İmamoğlu in der jüngsten Untersuchung verteidigt und sei nun aus erfundenen Gründen inhaftiert worden, schrieb Ozer auf X. 

İmamoğlu selbst wurde bereits am Sonntag wegen des Vorwurfs der Bestechung inhaftiert. Gegen seine Verhaftung demonstrieren seit Tagen jeden Abend Zehntausende Menschen im ganzen Land. Es sind die größten regierungsfeindlichen Proteste in der Türkei seit einem Jahrzehnt.

Die Polizei geht seit Tagen mit großer Härte gegen die Demonstranten vor. Der für die CHP aktive Politiker und Jurist Sezgin Tanrıkulu warf den Einsatzkräften auch sexuelle Gewalt vor. Genaue Zahlen zu verletzten Demonstranten werden nicht veröffentlicht, die Polizei spricht bisher nur von mehr als 100 verletzten Beamten. Laut dem türkischen Innenministerium wurden seit Beginn der Proteste fast 1.900 Menschen vorübergehend festgenommen, darunter mehrere Journalisten.

Menschenrechtler rufen zu Gealtverzicht auf

Zugleich forderten Menschenrechtsorganisationen in der Türkei die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu einem Ende der Polizeigewalt gegen die Demonstranten auf. Human Rights Watch, Amnesty International und 13 weiteren Organisationen zeigten sich in einer gemeinsamen Erklärung alarmiert „über die jüngste Eskalation des staatlichen Vorgehens gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit“. 

Der Appell an die türkische Regierung kam kurz vor einer für Samstag geplanten Großdemonstration in der Millionenmetropole Istanbul, zu der die türkische Opposition aufgerufen hatte. CHP-Chef Özgür Özel sagte, die Proteste würden so lange fortgesetzt, bis eine vorgezogene Präsidentschaftswahl angesetzt oder der mittlerweile abgesetzte Istanbuler Bürgermeister İmamoğlu aus dem Gefängnis entlassen werde. 

Nach Einschätzung des Grünen-Politikers Cem Özdemir hat der türkische Präsident nicht mit einer so heftigen Protestwelle gerechnet. „Das Ausmaß der Proteste hat das Regime vermutlich überrascht, weil Erdoğan in der Vergangenheit mit seinen Manövern durchgekommen ist“, sagte Özdemir im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. İmamoğlu wurden bislang Chancen zugerechnet, Erdoğan bei einer nächsten Präsidentschaftswahl schlagen zu können.