ProSiebenSat.1 streitet hinaus offener Podium

Einige Stunden vor dem Showdown hat Andreas Wiele, Chefaufseher von ProSiebenSat.1, eine bemerkenswerte Aussage getroffen. Was auch immer die Abstimmung der Hauptversammlung ergebe, sagte Wiele, das Management werde in Zukunft den „vertrauensvollen Austausch“ mit dem italienischen Medienkonzern Media for Europe (MFE) suchen. Es war der Versuch, die Dramatik aus diesem Aktionärstreffen zu nehmen, zu dem am Dienstag rund 500 Anteilseigner virtuell zugeschaltet waren.

Wochenlang hatte sich der Vorstand mit dem Großaktionär aus Mailand in aller Öffentlichkeit gestritten. Die Kampfansage von MFE, den hochverschuldeten Münchner Fernsehkonzern mit angeschlossenen Internetbeteiligungen zu zerschlagen, rüttelte dann doch zu heftig am eigenen Selbstverständnis. Und so blieb Vorstandschef Bert Habets bei seiner ablehnenden Haltung. Die komplette Abspaltung sämtlicher Digitalunternehmen, zu denen auch die börsennotierte Datingsparte Parship Meet und die Erlebnismarke Jochen Schweizer gehören, würde zu zwei börsennotierten Unternehmen führen – und auch zu einer finanziellen Schieflage.

Fast 30 Prozent werden von MFE gehalten

„Das erreicht weder das Ziel der Wertmaximierung noch der Entschuldung“, sagte er. Der „viel bessere Weg“ sei der Verkauf einzelner Beteiligungen. Den Anfang sollen in diesem Jahr die Onlineparfümerie Flaconi und das Vergleichsportal Verivox machen. „Wir wollen den optimalen Wert für unsere Beteiligungen erzielen. Mit den Einnahmen können wir dann unsere Verschuldung reduzieren. Das schafft Spielraum für Investitionen in unser Kerngeschäft Entertainment“, sagte der Holländer, der seit eineinhalb Jahren in Diensten der Bayern steht.

MFE ist vor fünf Jahren bei ProSiebenSat.1 eingestiegen und hat die Beteiligung auf fast 30 Prozent ausgebaut. Mit der Unternehmensentwicklung sind die Italiener äußerst unzufrieden, wie Theresa Lauterbach als Vertreterin der von der Familie Berlusconi kontrollierten MFE-Holding erklärte. „Die Strategie der letzten fünf Jahre hat in erheblichem Maße Werte vernichtet, und die Strategie der letzten zwölf Monate hat keine nennenswerten Werte geschaffen“, sagte Lauterbach, die sich gleich zweimal sehr ausführlich zu Wort meldete, um für das eigene Vorhaben zu werben. Der Vorstand von ProSiebenSat.1 gehe den notwendigen Konzernumbau „viel zu zögerlich“ an, kritisierte die von MFE beauftragte Rechtsanwältin. Ihr selbstbewusster Auftritt machte vor der Abstimmung unmissverständlich klar, wie groß der Einfluss von MFE auf ProSiebenSat.1 schon heute ist.

Dreiviertelmehrheit benötigt

Lauterbach führte aus, dass der MFE-Antrag nicht sofort zur Abspaltung führt, sondern „lediglich einen Prozess der Prüfung und Vorbereitung“ einer solchen einleitet. Damit solle eine zusätzliche Option geschaffen werden, und zwar „unter Beteiligung der Eigentümer.“ Das klang zwar etwas verbindlicher, aber es war von vornherein klar, dass die Umsetzung einer solchen Abspaltung einen weiteren Hauptversammlungsbeschluss erfordern würde.

Für eine Aufspaltung von ProSiebenSat.1 benötigte der Großaktionär eine Dreiviertelmehrheit. Ob er diese Zustimmung bekommt, hängt maßgeblich vom zweiten Großaktionär ab, der tschechischen Beteiligungsfirma PPF, die 11,6 Prozent der Aktien besitzt. Während Hauptversammlung blieb unklar, ob die Tschechen den Kurs der Italiener unterstützen oder nicht. Sie beanspruchen aber ebenfalls wie MFE einen weiteren Sitz im Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1. Dazu schlug PPF Christoph Mainusch vor, der einst wie Habets für RTL gearbeitet hat. Bisher ist PPF nur mit Klára Brachtlová in dem Kontrollgremium vertreten.

MFE kündigte an, zwei eigene Kandidaten für den Aufsichtsrat zu nominieren. Außerdem sollte der frühere Wirtschaftsprüfer und Corporate-Governance-Experte Rolf Nonnenmacher abgewählt und durch einen anderen Wirtschaftsprüfer ersetzt werden, fordert MFE. Für diese Kampfkandidaturen brauchte MFE nur die einfache Mehrheit der Hauptversammlung, die sich wohl bis in die Abendstunden hinziehen würde, wie Bobachter erwarteten.