Präsidentenwahl: Sieg jener Stabilität in Uruguay

In Uruguay kommt es in einem Monat zu einer Stichwahl zwischen dem Kandidaten des Linksbündnisses Frente Amplio, Yamandú Orsi, und dem Mitte-rechts-Kandidaten von der regierenden „Nationalpartei“, Álvaro Delgado. Orsi holte bei der Präsidentenwahl am Sonntag laut ersten Hochrechnungen zwischen 42 und 44 Prozent der gültigen Stimmen, auf Delgado fielen demnach zwischen 27 und 28 Prozent. Bei den gleichzeitigen Parlamentswahlen konnte die Regierungskoalition ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus behaupten, während der Frente Amplio im Senat eine minimale Mehrheit erringen dürfte. Ein Lebenszeichen gab auch die traditionelle konservative Colorado-Partei von sich, deren junger Kandidat Andés Ojeda mit einem auf die digitalen Netzwerke ausgerichteten Wahlkampf und als Vertreter einer „neuen Politik“ rund 16 Prozent der Stimmen holte.

Am Wahlabend waren im Lokal von Orsi laut Medienberichten einige besorgte Gesichter zu sehen. Trotz seines relativ klaren Sieges im ersten Wahlgang verspricht die Stichwahl spannend zu werden. Die Kandidaten der Regierungskoalition haben noch am Wahlabend ihre Unterstützung für Delgado erklärt. Auch der größte Teil der Stimmen der Colorado-Partei sowie anderer Mitte-rechts-Parteien dürfte an Delgado gehen, weshalb ihm Analysten leichte Vorteile für die Stichwahl einräumen. Weiter dürfte es ihm Wahlkampf gemäßigt zugehen. Einer direkten Konfrontation wird Orsi nun jedoch nicht mehr aus dem Weg gehen können, denn das Wahlgesetz Uruguays sieht vor der Stichwahl ein obligatorisches Fernsehen-Duell vor.

Für den 55 alten Delgado spricht, dass er als Kandidat der Regierungskoalition für Kontinuität steht. Unter Präsident Luis Lacalle Pou, dem eine direkte Wiederwahl untersagt ist, war Delgado vier Jahre lang Präsidialminister. Er profitiert von der anhaltend guten Bewertung von Lacalle Pou, dessen Umfragewerte während der gesamten Präsidentschaft nie unter 50 Prozent lagen. Der uruguayischen Wirtschaft geht es gut. Sie verzeichnet ein kontinuierliches Wachstum bei einer vergleichsweise niedrigen Inflation und niedriger Arbeitslosigkeit. Auch der 57 Jahre alte Orsi, ein Protegé des früheren Präsidenten José „Pepe“ Mujica, verspricht keine radikalen Veränderungen, sondern Stabilität. Niemand in diesem Land setze die makroökonomische Stabilität aufs Spiel, sagte Orsi im Wahlkampf.

Der Wahlkampf in Uruguay ist im Vergleich zu anderen Ländern der Region eher lau. Während sich die Politik in den Nachbarländern Argentinien und Brasilien in den vergangenen Jahren stark polarisiert hat und radikale Figuren Erfolge feiern, ist Uruguay mit seinen 3,4 Millionen Einwohnern politisch geradezu mittig. Veränderungen geschehen nicht auf radikale Weise, sondern langsam und auf einem breiten Konsens basierend. Kandidaten, die zu extrem und aggressiv sind, haben keine Siegeschancen. Im Vergleich zu anderen Ländern der Region hebt Uruguay sich durch eine relativ kleine Ungleichheit, geringe Armut und ein hohes Pro-Kopf-Einkommen hervor. Viele Beobachter sehen das als Grund, warum die Institutionen und auch die Politik ein großes Vertrauen genießen.

Fast aufregender als die Präsidentenwahl selbst war eine auf den Wahltag angesetzte Volksabstimmung über eine Rentenreform, die von den Stimmberechtigten abgelehnt wurde. Die Vorlage, die aus dem Gewerkschaftslager stammte und im Parteiensystem für Unruhe sorgte, sah eine Senkung des Rentenalters, eine Anpassung der Mindestrente sowie die Abschaffung der privaten Säule des Rentensystems vor. Eine Annahme des Reform hätte zu einer erheblichen Belastung für den Staatshaushalt geführt und den fiskalischen Spielraum der nächsten Regierung wesentlich eingeschränkt. Die Vorlage, die immerhin von mehr als 40 Prozent der Wähler angenommen wurde, stieß auch bei Ökonomen aus dem linken Lager auf Kritik, die sie als zu radikal einstuften. Eine zweite Volksabstimmung über mehr Polizeibefugnisse bei Hausdurchsuchungen lehnten die Uruguayer ebenfalls ab.

Source: faz.net