Präsidentenwahl in Chile: In bester Gesellschaft

Man täte dem neuen chilenischen Präsidenten Kast nicht unrecht, wenn man seinen Wahlsieg weniger als persönlichen Triumph denn als Ergebnis eines weiteren epochalen Versagens der lateinamerikanischen Linken deutete.
Denn anstatt die negativen Auswirkungen der massiven irregulären Migration auf die ohnehin von hoher Ungleichheit geprägte Gesellschaft zu sehen und die ausufernde Kriminalität als einen Übelstand zu deuten, unter dem die ärmeren Bevölkerungsgruppen am meisten leiden, klammerte sich auch die chilenische Linke an ideologiegetränkte Symbolpolitik.
Aber ein jugendlich daherkommender Präsident, eine neue (gescheiterte) Verfassung, die Jagd nach einem Gespenst namens Neoliberalismus und allerlei Klientelpolitik in eigener Sache ersetzen nun einmal nicht die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung oder eine Verbesserung des Bildungssystems.
Respekt vor Pinochet
Ob Kast das Vertrauen rechtfertigen kann, das ihm am Sonntag gerade von den Unterschichten entgegengebracht wurde, wird sich zeigen.
Dass er aus seinem Respekt vor dem Militärdiktator Augusto Pinochet nie ein Hehl gemacht hat, hat ihm den Weg an die Spitze des Staates nicht mehr verbaut.
Dort ist nun eine Projektionsfläche vielerlei Hoffnungen auf ein besseres Leben – und damit in bester Gesellschaft vieler Staatschefs ringsum.
Source: faz.net