Prämie pro Bürgergeldempfänger: Topökonom verteidigt 1.000-Euro-Prämie

Was bringt die Anschubprämie für Langzeitarbeitslose? 1.000 Euro sollen Bürgergeldempfänger erhalten, wenn sie einen regulären Job aufnehmen – unter Bedingungen. Darüber streitet die Republik – insbesondere, nachdem sich einzelne Abgeordnete der Ampelregierung von der eigentlich bereits im Kabinett beschlossenen Maßnahme distanzieren. 

Nun greift der renommierte Arbeitsmarktforscher Simon Jäger in die Debatte ein – und spricht sich für die Prämie aus. Das Vorhaben, eine Anschubfinanzierung einzuführen, gehe „genau in die richtige Richtung“, sagte Jäger ZEIT ONLINE. „In der öffentlichen Debatte wird dies meines Erachtens zum Teil bewusst falsch dargestellt, aber es handelt sich de facto um eine Steuer- und Abgabensenkung am unteren Ende der Lohnverteilung.“ Das sei ein Vorhaben, das die Leistungsbereitschaft fördere.

Simon Jäger lehrt und forscht am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ist Research-Fellow am renommierten National Bureau of Economic Research (NBER). Bis Ende 2023 leitete er das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit in Bonn. Er gilt als einer der führenden Arbeitsmarktforscher weltweit. Er berät unter anderem das Wirtschaftsministerium. Auch Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft unterstützen die Prämie. Damit steht die fast einhellige mediale Ablehnung im Gegensatz zu den Erkenntnissen weiter Teile der Wissenschaft.

Starke Fehlanreize im System

Nach Einschätzung von Jäger gibt es im deutschen Sozialsystem sehr starke Fehlanreize, die der Aufnahme von Arbeit entgegenstehen. Ein zentrales Problem ist, dass mit der Zunahme des Verdiensts die Sozialleistungen abgeschmolzen werden. Deshalb sei eigentlich eine tiefgreifende Reform des Systems nötig. Ein umfassender Umbau sei aber eher eine langfristige Aufgabe.

Die Prämie könnte dagegen kurzfristig „Fehlanreize an entscheidenden Stellen“ beseitigen. „Es ist vor allem auch eine Maßnahme, für die es aus anderen Bereichen sehr gute Evidenz gibt. Schon seit 40 Jahren gibt es beispielsweise Experimente zu solchen Anschubfinanzierungen, beispielsweise in verschiedenen Bundesstaaten in den USA“, sagte Jäger. Dort zeige sich, dass Anschubprämien zu einer deutlichen Erhöhung bei der Jobaufnahme geführt hätten.

Kaum Mitnahmeeffekte

Jäger hält die Prämie auch aus anderen Gründen für sinnvoll. So seien Mitnahmeeffekte minimal. „Niemand wird freiwillig langzeitarbeitslos werden, um hinten raus die Prämie zu kassieren“, sagte er. Außerdem sei sie kosteneffektiv: „Geld wird nur dann ausgezahlt, wenn Langzeitarbeitslose auch tatsächlich längerfristig in Arbeit wechseln.“ Das sei volkswirtschaftlich sinnvoll und sollte gefördert werden.