PR und Social Media: Wie Kommunen die Presse austrocknen

Städte und Gemeinden hatten in den letzten Jahren wenig zu lachen. Knappe Kassen engen den Handlungsspielraum derart ein, dass sie Probleme haben, ihren Auf­gaben nachzukommen. Da freut man sich über jede gute Nachricht. Eine solche meldet der Städtetag in einem Po­sitionspapier zur digitalen Öffentlichkeitsarbeit: „In allen Städten steigen Followerzahlen und Reichweiten der städ­tischen Social-Media-Accounts kontinu­ier­lich. Mancherorts übersteigen sie die über klassische lokale Medien möglichen Reichweiten und Auflagen deutlich.

Städtische Social-Media-Kommu­nikation ist eine Erfolgsgeschichte.“ Aus Sicht der Lokalpresse stellt sich diese Erfolgsgeschichte anders dar. Schließlich greift die schöne neue Medienmacht staatlicher Stellen in einen Bereich aus, der bisher dem Journalismus vorbehalten war. Behörden werden – publizistisch wie wirtschaftlich – zu Konkurrenten. Das Problem ist nicht neu. Immer wieder gibt es Streitigkeiten wegen redaktionell gestalteter Amtsblätter oder Internetauftritte. Mit dem Aufkommen von Social Media hat dieses Problem eine neue Dimension erreicht.

Kommunen fahren die Pressearbeit zurück

Der Verband Deutscher Lokalzeitungen und Lokalmedien e.V. (VDL) hat seine Mitglieder befragt, welche Auswirkungen die wachsende Direktkommunikation der Kommunen auf die Arbeit der Redaktionen und die wirtschaftlichen Grundlagen der Verlage hat. Teilgenommen haben 20 von 63 Zeitungshäusern. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, bietet aber eine Orientierung zu einem Themenkomplex, der kaum Empirie bereithält. Konkret ging es um Amtsblätter, Internet- und Social-Media-Auftritte der Kommunen sowie die Social-Media-Auftritte von Polizei und Feuerwehr. Es zeigt sich, dass die Kommunen immer stärker auf Direktkommunikation mit der Bevölkerung setzen und die Pressearbeit zurückfahren.

19 von 20 Zeitungen gaben an, dass die Kommune in ihrem Verbreitungsgebiet über Social-Media-Kanäle kommuniziere. Instagram und Facebook nutzen so gut wie alle, etwa ein Drittel greift zudem auf Youtube zurück. Kaum Relevanz im Lokalen besitzen Tiktok, Whatsapp und die Plattform X. Etwas mehr als die Hälfte der Kom­munen bespielt diese Kanäle täglich oder häufiger. Auch Polizei und Feuerwehr nutzen Social Media intensiv. So gut wie alle sind auf Facebook und Instagram, etwa ein Drittel der Polizeien greift auf X zurück. Die Polizeien kommunizieren deutlich mehr als die Feuerwehren.

Der Deutsche Städtetag ist zufrieden

Die Umfrage bestätigt die Einschätzung des Städtetags zum Reichweitengewinn. Gut zwei Drittel der Zeitungen bejahen eine stärkere Nutzung. Jede zweite gab an, die Kommune habe mehr Personal für die Social-Media-Kommunikation eingestellt. In Ludwigsburg ist die Presseabteilung der Stadt größer als die für die Stadt zuständige Redaktion der Kreiszeitung, wie diese berichtet. Interessant ist die Rechtfertigung für die PR-Offensive: „Detaillierte lokalpolitische Berichterstattung findet in vielen klassischen Medien kaum noch statt. Damit sind die Kommunikationskanäle der Städte sind (sic!) inzwischen nicht selten die einzigen, die noch detailliert zu kommunalpolitischen Themen informieren. Das gilt nicht nur in den sozialen Netzwerken, sondern ebenso für Medien wie redaktionell gestaltete Amtsblätter oder Onlinemedien wie Webseiten, E-Mail-Newsletter oder Podcasts“, heißt es im Positionspapier des Städtetags.

Der BGH zieht hier jedoch deutliche Grenzen: Auch bei einer vermeintlich unzureichenden Versorgung mit Informationen über das örtliche Geschehen durch die private Presse verbieten die Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit, „eine solche angeblich vorhandene Informationslücke durch eine eigene, von amtlichen Bezügen losgelöste Informationstätigkeit zu schließen“ (BGH, Urt. v. 14.7.22 – I ZR 97/21 –, Rz. 39).

Die Umfrage legt systematische Rechtsverstöße nahe. Jede zweite Zeitung verneinte die Aussage, die Beiträge wiesen stets einen Bezug zu den Aufgaben der Kommune auf. Das Bundesverfassungsgericht sieht zudem ein Sachlichkeitsgebot für staatliche Öffentlichkeitsarbeit vor (BVerfGE 105, 252 Rz. 61). Etwa zwei von drei Zeitungen meinen, die Beiträge seien nicht sachlich und neutral gehalten. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht stellt die Social-Media-Kommunikation die Presse vor Herausforderungen. Eine von drei Zeitungen gab an, sie erschwere den Vertrieb von Digitalabos.

Die Ergebnisse bestätigen die These, dass die Kommunen zunehmend auf die Direktkommunikation mit der Bevölkerung anstelle der Vermittlung durch die Presse setzen (70 Prozent Zustimmung). Drei Viertel der Befragten melden, Qualität und Geschwindigkeit der Antworten auf Presseanfragen durch Kommune, Polizei und Feuerwehr hätten in den letzten Jahren abgenommen.

Redakteure werden abgeworben

Ein Zeitungshaus fasst die Situation wie folgt zusammen: „Zentrales Thema ist der Versuch der Kommunen, durch den Aufbau von steuerfinanzierten Stellen in den Kommunikationsabteilungen die Ar­beit mit der Presse zu umgehen, um die Bevölkerung direkt zu erreichen.“ Und weiter: Es komme zu Vermischungen von Personenkommunikation von Amtsträgern und der Kommunikation der Kommunen. Redakteure würden zu Gehältern oberhalb des Redakteursgehalts abgeworben. Kommunikation mit Fachabteilungen werde unterbunden, man komme zum Teil nur schwer an Informationen, es werde selektiert: „Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren deutlich verstärkt.“

Auch wenn PR-Abteilungen ihr Schaffen als Dienst für Transparenz und Demokratie verbrämen, oft genug ist das Ge­genteil der Fall. Es geht um Kontrolle. Kontrolle über Bilder und Botschaften. Bundeskanzler Merz frohlockte bereits vor fünf Jahren mit Blick auf Social Media, man brauche Presse und Rundfunk nicht mehr, das sei die gute Nachricht der Di­gitalisierung. Nur ist die „Kontrolle der öffentlichen Gewalt“ nach dem Bundesverfassungsgericht eine der Kernaufgaben des Journalismus (BVerfGE 91, 125 Rz. 35). Transparenz ohne Kontrolle ist keine.

Es geht um Kontrolle

Die Umfrage hat auch Selbstkritik zutage gefördert. Der Aktionismus sei verständlich, wenn Zeitungen von einer detaillierten politischen Kommunalberichterstattung Abstand nähmen, schrieb ein Redakteur. Dass nicht nur die Kommunen, sondern auch die Lokalpresse in einer Finanzierungskrise steckt, ist im Jahr 2025 ei­ne Binse. Das Problem existiert weltweit, seit die Plattformen Aufmerksamkeit und Werbegelder vereinnahmen. In den USA gibt es sogenannte Zeitungswüsten, in de­nen keine Publikation mehr erscheint.

Noch ist es in Deutschland nicht so weit. Aber ja, die schwierige Finanzlage hat Auswirkungen auf Tiefe und Vielfalt der Berichterstattung. Natürlich haben auch die Verlage Fehler gemacht. Aber wären es nur eigene Fehler, die zu der prekären Lage geführt haben, müsste verlagsunabhängiger digitaler Lokaljournalismus florieren. Das tut er gerade nicht. In Konstanz ging „karla“ Ende 2023 das Geld aus, die Kölner Internetzeitung „report-K“ stellte diesen September den Betrieb ein. Die PR-Offensive des Kölner Rathauses hat dazu beigetragen. Städtische Behörden und Un­ternehmen griffen vielfach in den publizistischen und wirtschaftlichen Wettbewerb ein und verschöben die Grenzen, die ihnen das Gebot der Staatsferne der Presse setzt, schreibt „report-K“-Gründer Andi Goral. „Dabei müssten gerade sie es sein, die sich für Medienvielfalt stark machen.“

Denn Artikel 5 Grundgesetz schützt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur vor Redaktionsdurchsuchungen, sondern über das „Institut freie Presse“ auch den Bestand einer vielfältigen Zeitungslandschaft. Daraus folgt kein individueller Subventionsanspruch, wohl aber eine Pflicht des Staates, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die publizistischen Medien erlauben, ihre Funk­tion für die Demokratie zu erfüllen. Der Bund hat das vergessen. Zu einer Zustellungsförderung ist es nicht gekommen, Anzeichen für eine Abschaffung der Mehrwertsteuer gibt es keine, und die vom Medienstaatsminister geforderte Digitalabgabe lehnt die Wirtschaftsministerin ab. Auf ein Medienauskunftsgesetz gegenüber Bundesbehörden wartet die Branche ebenfalls. Dem Urheberrechteraubzug der KI-Konzerne schaut die Politik bisher tatenlos zu. Und ein Störgefühl, dass der Staat über eigene Massenkommunikationsmittel verfügt, die Mittlerrolle von Presse und Rundfunk aushebelt und Einfluss auf die Meinungsbildung nimmt, ist nicht vorhanden.

Es geht bei dieser Kritik nicht darum, den Behörden ihre Social-Media-Kommunikation vollständig zu verbieten. Es geht darum, Missbrauch und Kollateralschäden dieser neuen kommunikativen Macht einzudämmen. Das geht nur über eine gesetzliche Grundlage, die klare Grenzen setzt. Wenn etwa Polizei und Feuerwehr aktuelle Einsatzbilder veröffentlichen, wie sie es fast überall tun, stirbt der Blaulichtjournalismus. Mit den kostenlosen Fotos der Einsatzbehörden können unabhängige Fotografen nicht konkurrieren. Aber ohne Blaulichtfotografen keine effektive Kon­trolle von Polizeieinsätzen. Warten Polizei und Feuerwehr hingegen 48 Stunden mit dem Posten, entsteht keine Konkurrenz zum Fotojournalismus. Eine solche Sperrfrist muss der Gesetzgeber regeln.

Ebenso wenig geht es bei dieser Kritik darum, bestehende Probleme zu leugnen. Wir befinden uns in einer schweren Krise der Öffentlichkeit, die das Fundament der Demokratie untergräbt. Wie sich unter den Bedingungen der Aufmerksamkeitsökonomie eine funktionierende Öffentlichkeit herstellen lässt, ist die zentrale Frage der Medienpolitik. Es ist aber auch eine zentrale Frage für das Gelingen der Demokratie. Nicht alle haben das verstanden. Insbesondere die Spitzenpolitik im Bund wird ihrer Verantwortung nicht gerecht.

Im Gegensatz zu den Kommunen hat der Bund nämlich Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen des Journalismus zu verbessern. Doch im Berliner Regierungsviertel gilt: Pressefreiheit ist ein Wort, zu dem man sich bekennt, kein Wert, den man lebt. Lieber bauen Kanzleramt und Ministerien die PR-Stäbe aus, als sich mit Medienpolitik zu befassen. Ändert sich daran nichts, haben wir bald auch hierzulande Zeitungswüsten – mit allen Konsequenzen für das demokratische Gemeinwesen. Noch lässt sich das verhindern.

Kai Röhrbein ist Verleger der „Walsroder Zeitung“ und Vorsitzender des Verbands Deutscher Lokalzeitungen und Lokalmedien. Hermann von Engelbrechten-Ilow ist Rechtsanwalt und Journalist in Berlin. Fragebogen wie Ergebnisse stehen unter www.lokalpresse.de zum Download bereit.

Source: faz.net