„Player of Ibiza“: Feminismus qua challenge

Wie
wenig von den Diskursen unserer Zeit um Männlichkeitsbilder und Feminismus in der Mainstream-Unterhaltung ankommt, kann man
immer wieder im Reality-TV bestaunen. Dating-Formate wie Love Island, in denen muskelbepackte
Alphamänner auf paradiesischen Inseln steinzeitmäßig herumbalzen, haben
Hochkonjunktur. Sie sind, so scheinheilig soll dieser Text nicht werden, ja
auch sehr unterhaltsam. Und, das zeigt sich jetzt, die perfekte Vorlage für Satire.  

Das Drehbuch- und Regietrio Kleine
Brüder, bestehend aus den Hamburgern Oskar und Emil Belton
und Bruno Alexander
, hat sich dieser Aufgabe angenommen. Player of Ibiza heißt
das Resultat, das nun in der ARD-Mediathek zu sehen ist. Die drei
Mittzwanziger stehen hinter der supererfolgreichen und unverschämt lustigen Mockumentary Die Discounter, von der
mittlerweile drei Staffeln bei Amazon Prime laufen, eine vierte ist gerade in Produktion. Die Serie über einen
Supermarkt und seine Belegschaft reizt Schamgrenzen mit Ansage aus und ist
überhaupt nicht sensibel im Umgang mit ihren überzeichneten Figuren. Diese
gewinnen dennoch an Tiefe – und, am erstaunlichsten: das Ganze funktioniert,
ohne dass dafür Sexismen oder Rassismen strapaziert werden müssten.

„Entdeckt“ hatte die Drei Christian Ulmen,
Spiritus Rector des Schamgrenzen-Humors, dessen Firma Pyjama Productions Die
Discounter
Huckepack nahm und nun auch Player of Ibiza produziert
hat, eine Miniserie für den NDR. Wieder eine Mockumentary, wenn auch viel
näher gebaut an den tatsächlich existierenden Formatvorlagen.

Die Prämisse
von Player of Ibiza klingt ein bisschen, als wollten die Dudes in ihrem
Jungshaufen sich auch selbst ein bisschen ausliefern und Kritikerinnen
zuvorkommen: Die fiktive Realityshow Player of Ibiza, eine Art Sauf-Bachelor
am Strand, wird für die zehnte Jubiläumsstaffel neu ausgerichtet. Aus
Kostengründen geht es nach Buchholz in der Nordheide, einer Kleinstadt in
Niedersachsen, und statt einer „Queen“ am Ende der Challenges sollen die fünf
Kandidaten einen Crashkurs in Feminismus bekommen. Die Idee stammt, in der
Realität jetzt, von der Produzentin Ina Christina Kersten, die auf das Kleine-Brüder-Team zugekommen war. Die dann das Drehbuch mit Miriam Bühler und Ellen Holthaus
zusammen geschrieben haben – „ohne sie hätte es keinen Sinn gemacht“, wie Oskar
Belton im ARD-Interview sagt
.

Die
Idee in der Fiktion stammt von Chefredakteur Arne (Martin Brambach), der sich
ganz gut eignet, um zu veranschaulichen, wie die Serie mit ihrer Prämisse
arbeitet. Der Typ mit der Feminismusidee ist natürlich kein strahlender Held,
sondern eher Typ zudringlicher Vorgesetzter. Regisseurin Amelie (Larissa Sirah Herden) wehrt ihn routiniert ab und findet auch den neuen Dreh extrem schwierig.
Aber sie will auch Karriere machen. Ob mit Sexismus oder mit Feminismus ist
letztlich egal, wie die dauerbekiffte Kamerafrau Toni später kommentiert. In
die Buchholzer Villa ziehen also ahnungslos ein: Anthony, der Blankeneser
Schnösel-Erbe, der seiner Putzfrau Angst einjagt, Jeppe, der Incel-Gamer in
karierten kurzen Hosen, der Donut-Ketten-Gründer Abdel, der sich als
strenggläubiger Moslem inszeniert, Marvin, der erfolglose Rapper mit den
klappernden Perlen in den Dreadlocks, und der Giga-Pumper, Tim. Ein Schaulaufen
der Karikaturen im Menschenexperiment. Am Ende können sich die „Player“ mittels
Einsicht und Reflexion eine Menge Geld erspielen, aber das wissen sie zu Anfang
natürlich noch nicht.

Im
Gegensatz zu Die Discounter arbeitet Player of Ibiza viel weniger
mit quälender Fremdscham als mit der Persiflage eines mittlerweile ziemlich
verbreiteten Fernsehphänomens und seines klischierten Personals. Und mit dem
Versuch, die Erwartungen an die Auftretenden immer wieder zu unterlaufen und insofern
auch ein Spiel mit den Zuschauenden zu spielen. Da ist zunächst der
fantastische Christoph Glaubacker, der den Playern als Männercoach Janke Zoller
beibringen soll, Emotionen zuzulassen, die drei Frauen am Set aber nach
kürzester Zeit aussperrt. Hinter Zollers Coaching steckt eigentlich die Idee
einer neuen Männerbewegung, gegen ihn selbst laufen Verfahren wegen Stalkings.
Im Zentrum der ganzen Grabenverschiebungen steht aber eindeutig Regisseurin
Amelie, die sich lange nur fragt, wer den Scheiß, den sie zu produzieren
gezwungen wird, eigentlich gucken soll. Schließlich kommt sie zu dem Schluss:
„Wenn jemand den fucking Feminismus kommerzialisieren darf, dann ich!“

Auch
innerhalb der Gruppe trifft nicht nur der eine Typ Alphamann auf den anderen,
wie bei den realen Vorbildern. Die toxische Männlichkeit hat ihre eigenen
Frontlinien: zwischen dem unfreiwillig enthaltsamen Jeppe etwa, der seinen
Misserfolg bei Frauen einer Gesellschaft anlastet, die den aufgepumpten,
schönheitsidealentsprechenden „Chad“, in dem Fall Tim, aufs Podest hebt. Diese
beiden landen ausgerechnet in einem Zimmer, wo Jeppe von Tim in ein Kabuff in
der Wand verbannt wird, bis sich das Machtverhältnis dank Erpressung umkehrt.
Im Rahmen einer Schulung in Sachen feministischer Porno kommt es zum
hochemotionalen Eklat, der in Tims Abreise gipfelt: „Unter den Muskeln
schlummert auch irgendwie ein weicher Kern“, erklärt er heulend seiner Freundin
Lisa, die sich allerdings auch auf Anthonys „Fickliste“ findet.